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Ann-Helena Schlüter

21. Januar 2020

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Musiker sein heisst nicht, sich dem applaudierenden Publikum zeigen, sondern sich viel Arbeit zu unterziehen – sonst ist man höchstens eine brauchbare Maschine, die Beifall produziert. (A.B. Michelangeli)

Erster Tag im Funkhaus Saarbrücken (auf dem Berg im Schloss Halberg) gut gelaufen. Abends hatte ich noch das Interview oben mit dem SR2 Kulturradio, es war schön: Wir haben über die Tiefe in der Musik geredet. Es wird Samstag um 11 Uhr gesendet und in die Mediathek gesetzt.

Es ist interessant, zu erfahren, wie ein Funkhaus funktioniert; die Mitarbeiter, die helle, schöne Kantine, die Orchestermanagerin, die Orchesterwarte (beide sehr nett), Tonmeister, Lichttechniker, Musikvermittler, und dass man plötzlich “in Frankreich” per SMS begrüsst wird (nach Paris ist es nur ein Katzensprung). Das große Dirigentenzimmer mit Espressomaschine, Sofa, Schreibtisch und dem alten Steinway, in dem ich sein darf. Daneben das kleine Solistenzimmer mit Klavier ohne alles weitere.

Der Sendesaal ist angenehm (ich habe automatisch nach der Orgel gesucht, die es nicht gibt), der Flügel blühend und schön; das weiße SR thront über allem. Erst wurde diskutiert, wo der Flügel steht, dann, ob das Orchester amerikanisch oder deutsch aufgestellt wird (unser Dirigent ist Wiener), wo die Bläser sind, wer den Flügel auf und zumacht, dann alle schauspielerischen Einlagen für die Musikvermittlung, dann das Klavierkonzert.

Roland Kunz und Azis aus Wien sind sehr nett. Die Deutsche Radio Philharmonie besteht aus Musikerinnen und Musikern aus zwei Bundesländern.

Ich habe aber auch Orgel geübt in der kleinen Kapelle neben dem Hotel. Saarbrücken an der Saar ist etwas größer als Würzburg. Wir sind dann noch durch die Innenstadt gebummelt… die Stengel-Kirchen, Rathaus, Theater, Brücken, St. Johanner Markt, Schloss. Empfehlen kann ich den dramatischen Film Queen & Slim (zwei Schwarze auf der Flucht vor der rassistischen Justiz), ein wenig erinnernd an Bonnie and Clyde. Ich muss sagen, dass mich das Zusammenhalten der Schwarzen sehr berührt.

Wer singen will, findet immer ein Lied. Und Musikerin sein bedeutet mehr als horrende Arbeit. Sondern Herz. Geist. Seele. Gefühl. Sonst ist man nur eine Maschine. Genauso die Orgel: Ohne Herz ist sie nur ein Apparat. Mit Geist und Seele aber ein Kraftwerk: Soli Deo Gloria. Sie veredelt und verwebt, perlt und singt, schweigt, bereitet vor, beeinflusst, spricht von Eindrücken. Aber Musik ohne Geist – da ist nichts mehr. Nur Geschwätz und Geplapper. Lästerei. Da ist nur Schmeichelei und Einschläfern.

Ich bin froh, dass ich mit Unbefangenheit an die Orgel herangetreten bin. Wenn ich gewusst hätte, wie konservativ und ungläubig die Orgel-Welt ist, hätte ich mich von der Orgel ferngehalten.

Warum sind Menschen eigentlich gemein? Das frage ich mich manchmal. Da ist so ein Hübner, der in Seniorenheimen für Spottgelder Frauen spielen lässt, dafür 60 Euro Provision einkassiert und aggressiv wird, wenn man dagegen vorgeht. Und “Studentensprecher”, die vor Neid und Hass geradezu blind sind.

20. Januar 2020

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Lese-Konzerte und Recitals und Saarland

Die intensivste Beziehung, die wir haben können, ist die mit uns selbst. (Shirley MacLaine)

Und zu Gott. Freue mich auf die Klavierabende in Heilbronn und Böckingen.

Ich bin nun in Saarbrücken, das Hotel ist sehr schön, und abends habe ich die Stumm-Mayer-Orgel in St. Josef Wehrden (Schleiflade) und die katholische, pneumatische, historische Späth-Orgel in Lauterbach (Kegellade) kennengelernt (Reißer-System) mit einer Sexquialter (für Organisten unter 18 nicht geeignet), dazu eine Klosterflöte. Und in St. Josef rauchiges, streichendes, weiches 16-Holzprinzipal im Pedal (Prinzipalbass 16 aus Holz). Und ein extra Spieltisch für das zweite Manual direkt unter den Pedalpfeifen. Das Saarland ist schön, das Theater übrigens von Hitler gebaut, Stahlwerk Saarland, verpeilte Priester, gutes Essen.

Warum ich Orgel spiele? Orgel ist meine Verlangsamungstherapie. Man kann sie auch als Kur verschrieben bekommen. Orgel ist mein Pilgerweg.

Ich bin gespannt, morgen den Dirigenten kennenzulernen.

19. Januar 2020

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Wie wunderbar ist es, dass niemand auch nur einen Moment warten muss, bevor er oder sie anfängt, die Welt zu verbessern. (Anna Freud)

Freue mich auf die Konzerte in Wiesbaden. Empfehlen kann ich die (Klavier)schulen Karl Philipp Emanuel, Martienssen, Neuhaus, Feldenkrais, Gellrich, Barlow. Heute fahre ich nun nach Saarbrücken.

Ich mag die alten Musikfilme gern, zum Beispiel Die Deutschmeister mit Romy Schneider; diese Filme sind so unschuldig, reizend, witzig und lieb. Wie von einem anderen Stern.

Wenn ich über das Leben von Musikern nachdenke: Da sind also Menschen wie Mozarts Vater, der einsam und allein stirbt, obwohl sein Sohn tatsächlich ein “Star” geworden war – aber der Vater wollte etwas anders: einen Menschen, der agierte wie er, und eine königliche, sichere Anstellung.  Und da sind Menschen wie Salieri, der tatsächlich ein “Star seiner Zeit” geworden war, aber voll Gram und Neid, denn er wollte Mozarts Gabe haben. Und da sind Menschen wie Mozart, der wie ein Besessener komponierte, ähnlich wie Reger, und kindlich blieb. Stabile Genies scheint es nicht wirklich viel zu geben. Jemand, der mir einfällt, ist Bach.

18. Januar 2020

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Das Unendliche im Endlichen, das Genie in jeder Kunst ist die Musik. (Bettina von Arnim)

Widor, Vierne, Franck…

Begrifflose Begeisterung für Musik –

Dass das Beste an Musik Melodie ist, wie E.T.A. Hoffmann schrieb, dies stimmt meiner Meinung nach nicht. Mir gefallen Franck, Vierne und Widor dennoch sehr gut, ich habe Feuer gefangen für französische symphonische Musik, besonders die Suiten und Fantasiestücke von Vierne, Feux Follets, Clair de Lune, Impromptu, Westminster gefallen mir, aber auch die Symphonien 3 und 6 und Widors wunderschöne Fünfte. Was mich etwas wundert ist, dass wir bei Olivier Latry lernen, wie man französische Musik französisch (und eben nicht typisch deutsch) spielt, aber auf der anderen Seite spielt er selbst Bach französisch und nennt dies kühn. Seine Bach-CD ist Bearbeitung und Transkription, sicher gewollt, er verändert die Musik, erfindet Töne hinzu usw. Würden wir dies mit Franck oder Widor machen – oh, da wäre die Kritik groß. Wie kann dies sein? Ist Bach so universell, dass er jedem gehört? Sicher, aber warum gibt es dann starke Gesetzmäßigkeiten in der französischen Musik, die nicht kühn erneuert werden dürfen? Sehr schön ist die virtuose Kuhnorgel in der Kulturkirche Altona Ost (St. Johannis). Ohja, sehr laut, aber auch mit wunderschönen zarten Farben. Was ich ebenfalls liebe, sind die vielfältige Orgelkünstler*innen aus ganz Europa, die zusammenkommen.

Sehr mag ich die Musik von Sofia Gubaidulina, besonders Seven Words mit Akkordeon. Und sehr gut gefallen mir die Renaissance-Bußpsalmen von Melchior Franck und die italienischen Lamentationes von Durante. Ob Bach ihn kannte?

Nett, aber etwas steif finde ich die Musik für Orgel von Vincent Lübeck, ich mag seine Musik nicht so gern wie Bruhns, Buxtehude oder Muffat. Jedoch das Praeambulum G-Dur gefällt mir; und seine Cembalowerke. Den Kreuzweg von Dupré finde ich interessant – um kreuz und quer gegangen zu sein.

Es fällt mir auf, dass nur wenige Menschen andere Menschen führen können. Sie wenden nur einen Führungsstil an (und den auch noch unabänderlich); als würde ein Mensch nicht unterschiedlich weit entwickelt sein und wachsen in verschiedenen spezifischen Gebieten und Zielen. Es ist kontraproduktiv, dort Boss zu sein, wo jemand schon weit entwickelt ist, und dort im Stich zu lassen, wo Direktive gebraucht wird. Man muss den selben Menschen unterschiedlich führen können und immer wieder prüfen und diagnostizieren. Viele sogenannte Leiter aber behalten eine fixe Meinung, die meist sogar noch von Anfang an falsch ist. Warum? Aus Unwissenheit, Bequemlichkeit oder aus Mangel an Interesse. Es ist Arbeit, sensibel zu sein, richtig zu bewerten, zu delegieren, zu loben, zu trainieren und zu wissen, welcher Führungsstil in welcher Situation angebracht ist. Es ist leichter, zu herrschen, zu kontrollieren (Günstlingswirtschaft) und nicht zu wollen, dass der anvertraute Mensch wirklich richtig gut wird.

Der Film Amadeus über Mozart (oder besser über Salieri) ist recht vulgäres, dramatisches Entertainment, aber gut gemacht und berührend. Es ist wie bei Astrid Lindgren: Die Kunst fröhlich, das Leben voll Schmerz. Und: Realistisch ist, dass es im Leben oft um Neid, Mittelmaß, Genie und Wahnsinn geht.

Ganz süß finde ich den dänischen Laden Sostrene Grenes mit Gewürzen, Deko, Marmelade.

17. Januar 2020

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Make organ alive!

Stabilisiere den Wind.

Musik ist in dem Haus nötig wie die Orgel in der Kirche. (Elise Polko)

Wenn der Flügel anders steht, zum Beispiel diagonal, hat dies schon zunächst eine Auswirkung auf mein Spiel. Die Stellung des Flügels ist also wichtig.

Gern mag ich immer noch die einfachen, hellen Upright-Klaviere, aufgrund meiner Kindheit und des Klaviers in meinem Zimmer, das ich immer sah, wenn ich aufwachte. Ich mag den Touch dieser Klaviere. Meist sind sie hellbraun.

Ich habe gehört, es gibt Laien, die nennen Organisten Orgelnisten oder Orgler, und sie fragen, “wann man seine eigene Orgel baut”. So etwas alles ist mir allerdings noch nie passiert. Ich habe nur das Gefühl, ich habe Orgelfüße bekommen und kann selbst dann, wenn der Bus oder der ICE schräg stehen, immer noch gut mit Halt stehen.

Traurig ist, dass überall, wo man geht und steht, eine Verwahrlosung und ein Verkommen der Sprache, des Rhythmus und der Musik geschieht. Man findet kaum noch einen Hinweis oder ein Schild mit Aufdruck, geschweige denn handschriftlich, was grammatikalisch richtig ist und alle Kommas aufweist. Teilweise 3-5 Fehler in einem Satz. Und gedudelt wird aus jedem Ohrstöpsel.

Bald geht es nun nach Beethoven zu den acht… nein, nach Saarbrücken zu den acht Beethoven-Konzerten, nach Kaiserslautern, dann nach Wiesbaden (Orgelkonzert), Heilbronn (Klavierabend), vorher Hannover, Hamburg… Ich darf nicht vergessen, mein Airdrop auszuschalten, denn es gibt Leute in ICEs oder anderen Verkehrsmitteln, die sofort iPhones finden. Dann erhält Phönchen seltsame Foto-Angebote.

Nachtzug nach Lissabon zumindest als Film kann ich nicht empfehlen, im Grunde ist es eine abstruse Vermischung aus Politik, unchristlicher Philosophie und plakativer Liebesgeschichte. Gott wird mit immer denselben Vorwürfen bombardiert, während applaudiert wird, und die grauenvolle, melancholische Filmmusik plätschert dazu pausenlos mit Terzengeklimper vor sich hin. Treulosigkeit, dienende Frauen, die sich dauernd schuldig fühlen (“Gar nicht für”), ältere Männer von jungen Frauen umspült, Frauen, die nur dazu da sind, um Männer in deren Seele zu führen, und die typischen Dialoge: “Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle.” “Ach, ich bin so fasziniert von Ihnen.” Wer halt wohl was gesagt?

Ich finde, es klingt niedlich, wenn Europäer Scheiße sagen. Besonders bei Franzosen.

Katie Meluas Stimme gefällt mir.

16. Januar 2020

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Spielen ist Ausdruck der Seele. Singen ist Berührung mit Sehnsucht. (AHS)

Zu viel üben sollte man natürlich nicht, sonst wird man noch ein Einsiedlerkrebs.

The Choice – ein schöner Film, auch wenn die Tränen immer genau an der richtigen Stelle kommen, alle ewig jung, ewig schön, das Blumenwasser immer sauber und immer jemand da, der tröstet; auch hier wird an Sterne und an den Mond geglaubt, was absurd ist. Hat der Mond das Universum geschaffen oder die Sterne sich selbst?

Ab und zu kommt eine Kirche oder ein Pastor vor, damit (weit entfernt) noch etwas Christliches in der Geschichte dabei ist.

Wir alle suchen alle nach Geborgenheit. Die, die am unabhängigsten erscheinen (wollen), am meisten. Das Leben wird von Entscheidungen aneinandergehalten. Eine nach der anderen. Man muss auf sein Herz hören und dies akzeptieren. Es ist keine Schande, ein zerbrochener Mensch zu sein. Es trifft oft die Tapferen. Sie sammeln ihre Teile wieder ein.

Kurzgeschichten von Les A. Murray kann ich heute empfehlen. Und Die Katze auf der Orgelbank. 

15. Januar 2020

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Ich hatte bei anderen oft das Gefühl, ich muss mir etwas vormachen. Doch nein.

Singen ist Ausdruck der Seele. Singen am Instrument. Wenn du singst, kommst du in Berührung mit deiner Sehnsucht und Freude auf dem Grund deiner Seele. (Ann-Helena Schlüter)

Indem wir singen, wird auch die Stille hörbar. Hören führt in die Geborgenheit, ins Ewige-Gehören.

Die Orgel ist sängerisch. Die Orgel atmet, ich auch. Sie ist Gesang. Man darf sie also nicht abwürgen. Da sie ein Blasinstrument ist, soll man nicht zu viele Abschlüsse spielen, also nicht zu früh in einen abschließenden Modus geraten, Phrasen offen lassen, immer weiter. Die Traktur muss man im Spiel überwinden, sie arbeitet an sich gegen einen, auch dann, wenn sie edel ist, sie zieht immer wieder zurück nach oben. Dort, wo ich mich in den Flügel hineinfallen lassen kann, dort muss ich an der Orgel das Gefühl mit Kopf übersetzen, die Traktur überwinden, Reserven halten.

Das Grundprinzip ist: An der Orgel bestimme ich die Länge der Töne. Ich muss sie bestimmen, denn die Schönheit kommt an der Orgel nicht von allein wie am Flügel, sondern die Impulse und die Länge der Töne muss ich bestimmen. Sonst bleiben Welten zwischen linker und rechter Hand. Jeder Impuls, den ich gebe, betrifft Anfang und Ende des Tones und den Zusammenhang zwischen rechts und links und auch die Impulse zur Fortsetzung. Besonders in der Katharinenkirche in HH habe ich dies gespürt, bei der Armore im Rückpositiv. Die Keller-Stimmung, die 520 originalen Pfeifen, Loslassen. Umarmen. Regenerieren. Reserve. Mir gefällt, dass man an der Orgel Bogenführung vollzieht, Aufstrich, Abstrich, Violine. Tastentornado Ann-Helena.

Frankophil bin ich nicht. Auch wenn ich die klassisch französischen Orgeln sehr mag, das silbrige Plein Jeu, aber auch die Clarine, das zarte Krummhorn, das sprechende, deutliche Solo-Cornet V im Récit. Jeder Franzose spielt zudem anders. Daniel Roth wieder ganz anders als Latry. Ich mag nur nicht, wenn es durchgehend zu laut ist. Manche Organisten müssen einen Hörschaden haben.

Wissbegierig ist nicht unbescheiden. Das Schöne an der Musik: Es ist kein Geschäft. Es ist eines, und doch keines.

Die Orgelbewegung wurde wohl erst nach dem zweiten Weltkrieg bedenklich: Seitdem können viele Deutsche nichts Deutsches mehr stehenlassen geschweige denn lieben und schätzen. Ich denke nicht, dass Albert Schweitzer jemals so etwas gewollt hatte, was dann alles geschah an Zerstörung. Der Hass auf “typisch deutsch”. Was ist das eigentlich, typisch deutsch? Ist Bach nicht ein großes Geschenk? Ist er typisch deutsch? Müssen Videos alá Walt Disneys d-Moll-Toccata die Zukunft sein?

Empfehlen kann ich heute den Film Irina Palm, ein Film, der zeigt, wie weit eine Frau geht, da sie liebt. Im Grunde sind alle Filme, in den Frauen in der Hauptrolle sind, Frauen, die aus Liebe zu Kind oder Mann oder Menschen allgemein Torturen der Männerwelt auf sich nehmen.

Ich weiß nicht, was ich von Leonard Cohen halten soll; seine Musik ist sehr düster und melancholisch, fast unchristlich, besonders das Album You want it darker. Natürlich spüre ich sein Ringen, die Wahrheit und den Sinn des Lebens zu entdecken; jedoch bleibt er bei sich selbst stecken, was schade ist, da er einen sehr interessanten Stil hat.

Was mir immer wieder auffällt: Tiere haben so etwas Unschuldiges; sie strahlen mehr Unschuld und mehr von Gott aus als die gesamte Menschheit. Ich erinnere mich, dass mich einmal ein Igel streifte, als ich etwas unglücklich im Grünen saß. Er kollidierte mit meinem Bein. Es war eine so zärtliche Begegnung, die mich sofort getröstet hat. Die Streifung des Igels.

In dem Film To the Wonder erkennt man das süchtige Verhalten von Frauen deutlich: Viele Frauen leben nur für die Liebe und Anerkennung eines Mannes, als wäre dieser Gott. Nur dafür, ihm zu gefallen. Und was sagt und tut der Mann? „Es ist schwer, wenn man weniger liebt und stärker ist.“

Und spielt mit ihr. Sie wird seine Geliebte, keine Ehefrau. Es geht nur um körperliche Liebe. Um Lust. Benutzt zu werden gefällt der Frau. Sie hofft, ihn damit zu binden. Aber auch das ist keine Liebe. Es ist Masochismus. Die Frau in dem Film bleibt ein Kind. Sie tanzt und hüpft vor ihm herum, lässt sich herumtragen, anfassen und herumziehen, ist niedlich, verzettelt, schwach, hilflos, hektisch, arm. Kichert, quietscht. Dreht sich im Kreis. Spielt mit dem Rock. Andauernd mit dem Haar. Schwingt, tanzt. Und denkt, dies sei die Rolle der Frau? Das ist sie nicht! Überhaupt nicht. Völlig verfehlt. Die Rolle der Frau ist nicht die einer Abhängigen eines Mannes, der sie benutzt.

Die Rolle der Frau ist die einer Königin und einer Macherin mit Würde, wie schon in den Sprüchen der Bibel steht. Und die Rolle des Mannes ist, sie zu lieben und ihr sein Leben zu widmen, für sie zu atmen, sein Leben zu geben und ihr dies ein Leben lang zu beweisen und sie nie allein zu lassen. Das sind die Rollen. Nicht umgekehrt.

Die Welt aber lebt eine Lüge, lebt das Gegenteil. Wenn die Frau diese Rollen auf den Kopf stellt, wird der Mann sie weder lieben noch sein Leben ihr widmen. Im Gegenteil, er findet es „schwer“, sie „weniger zu lieben“. Das bedeutet, er bemitleidet sich auch noch selbst, während er sie selbstgefällig benutzt. Nennt sich selbst stärker, dabei ist er schwach und erbärmlich.

Und die Frau ist alles andere als schwach. Sie macht sich schwach, um zu gefallen.

Sich gegenseitig benutzen und binden, ist das Liebe? Die Rollen dürfen nicht vertauscht werden, es kann nur pervers werden. In To the Wonder wird nur an die “Liebe” des Menschen geglaubt. Als ob nicht die meiste Paar-Liebe egoistisch ist. Etwas, das man versucht, zu kontrollieren. Mit Nacktheit, Macht, Geld oder Schönheit. Busen, Bedürfnisse oder Beine. Die Frau wird wie ein Paket aufgeschnürt. Ist untreu. Unsicher. Als ob eine Frau sich nur weiblich fühlen könnte, wenn ein starker Mann in der Nähe ist und über sie herfällt und ihr ein wenig Angst macht. Als ob das Leben nur Charme und Gefühl ist. Hingabe an falscher Stelle.

Nun zurück zu Mozart an der Orgel und Beethoven am Flügel.

 

14. Januar 2020

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Musik ist flüssige Mathematik. 

Nur in einem weiten Herzen kann Musik wohnen. Das eigene enge Herz muss deswegen verlassen werden. (Ann-Helena Schlüter)

Das Abschlusskonzert von Latry in der Kulturkirche Altona war spannend.  Auswendig hat er diesmal nicht gespielt. Ich mochte, dass die Kirche warm und schön beleuchtet war und gut besucht. Franck vielleicht etwas zu französisch gespielt. Alle Kursteilnehmer aus allen Ländern super nett.

Sehr mag ich sowohl von Vierne als auch von Widor die Sechste. Ich schätze von Vierne zudem: Impromptu, Arabesque, Berceuse, Carillon, Westminster, Irrlichter (Feux follets), Wassernymphen (Naiades), Mondschein (Clair de lune), Toccata, Abendstern. Aber auch alle (Final)sätze der Symphonien. Einfach diese Vorstellung, dass die Orgel wie ein Orchester atmet und fließt und rubatiert, die Einheit der vielen Pfeifen und Gruppen – so viel mehr Pfeifen, als ein Flügel Tasten hat. Dass ich die Orgel umarme. Dass die Tasten meine Finger sind. Ich habe viel gelernt. Man muss sich an diese französische Romantik erst gewöhnen. An die Lautstärke. An die Linien. Das Springen von Beethoven am Flügel und Bach an Cembalo, Orgel und Klavier hin zu Vierne und Widor – groß – aber ich bin froh, diese vielen Welten zu schmecken. Sie schmecken gut.

Sehr empfehlen kann ich heute den französischen Film Die Eleganz der Madame Michel. Ein berührender (herzzerreißender) Film mit wunderschöner Filmmusik. Und den schönen und traurigen schwedischen Film Astrid (ebenfalls mit sehr schöner Filmmusik). Über Astrid Lindgren und die Schwierigkeiten einer hochbegabten Frau in dieser heuchlerischen Welt. Und wie sagt der, der sie (minderjährig) geschwängert hat? “Ich musste für Unzucht nur 1000 Kronen zahlen und nicht ins Gefängnis. Ich bin mit einer Geldstrafe davon gekommen. Es ist offenbar ein billiges Vergnügen, ein Lustbold zu sein.”

Deutlich ist Astrids Berufung zu erkennen. “Wage es zu springen durch den Tod in das Leben, durch die Dunkelheit ins Licht.”

Berufung. Hätte ich keine eigenen Instrumente, könnte ich so viel üben? Käme ich nicht aus einer Musiker-Familie, wäre ich so gefördert worden? Hätte ich kein wunderbares Team und Berater und Ermutiger, hätte ich so viele Konzerte? Hätte ich keine Unterstützer und Förderer, könnte ich so viel reisen, lesen, wissen? Was aber machen all die begabten Menschen, die kein Geld und Unterstützer haben? Wo sollen sie üben, wer unterrichtet sie, wer bereitet sie vor, wer ermutigt sie? Wer bezahlt ihre Ausbildung?

In a world full of people, only some want to fly, isn’t that crazy? singt Seal. Allerdings.

Übrigens, das Wort vermasseln finde ich lustig. Es gibt lustige deutsche Worte.

Französisch scheint automatisch katholisch zu sein. Meine Vierne-Noten von Bärenreiter sind innen geziert mit Wasserspeiern von Notre-Dame (Chimère), die wie Teufel aussehen.

Next concerts:

Mittwoch 22.1. um 9.30 und 11.30 Großer Sendesaal, Funkhaus Halberg Saarbrücken, u.a. Beethoven Klavierkonzert Nr. 3

Donnerstag 23.1. um 9:00 und 11:00 Großer Sendesaal, Funkhaus Halberg Saarbrücken, u.a. Beethoven Klavierkonzert Nr. 3

Freitag 24.1. um 9:30 und 11:30 SWR Studio Kaiserslautern, Emmerich-Smola-Saal, u.a. Beethoven Klavierkonzert Nr. 3

13. Januar 2020

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Musik tröstet.

Meine Seele weigerte sich, getröstet zu werden.

(Psalm 77)

Schmerz hat tiefe Wurzeln. Musik ist Lebendigkeit und Handwerk.

Ja, ich muss oft bei Musik aufseufzen, als würde durch sie Sauerstoff und Entspannung in mich kommen.

Das Hin-und Her-Wechseln von Orgelspiel und Klavierspiel ist mehr als Switchen.

Denn: Staccato, Non Legato, Legato, Anschlag, Rubato, Tempo – alles ist anders.

Was denkt wohl Bach über den französisch interpretierten Bach von Latry und Dupre und Widor? Manche Deutsche mögen diesen französischen Bach lieber und nennen ihn… sensibler. Andere sagen, dass man diese Interpretationen einem Star wie Latry verzeihen müsse, aus Respekt.

Selbst bei Bachs Musik hört es also nicht auf mit Show und Business. Geht es um Spektakuläres aus menschlicher Sicht? Mehr um Future als um Bach?  Aber wer weiß schon, was Bach dazu sagen würde. In Latrys Bach höre ich mehr Latry als Bach. Und in Widors Bach nur Widor, der aus Bachs Tränenstücke Triumphstücke macht. Wäre Bach sonst zu… langweilig?

Musikantentum und Dilettantismus. Oder positiv ausgedrückt: Bach bearbeitet.

Katholischer Bach. Klingt nicht immer so. Was ist ein Superstar an der Orgel? Spielen nicht alle Pianisten auswendig? Was ist an einer Vierne 6. Symphonie schwerer oder besser als an einer Chopin-Sonate…?

Wenn man Bachs Leben mit dem von Vierne und Dupre vergleicht, Viernes inszenierten Tod oder Selbstmord, seine Feindschaft mit Dupre, Neid, Wut, Eifersucht… Hier erscheint mir “das Katholische an hoher Stelle” Bach-fremd.

Im Latry-Kurs waren wir Evangelischen die Evangolen. (Das habe ich ja auch noch nie gehört.) Meine Freunde sind dennoch oft Katholen.

Heute las ich die Kunst des Sterbens – über Geheimnis, Schweigen, Begegnung, über Scheingeborgenheit (Verwöhnung), “Magentypen” und Symptome, jedoch keinerlei Antworten auf die Ewigkeit.

Schlimm finde ich, dass in dem Buch Auf der Tonleiter zum Himmel. Anekdoten zur Musik (benno-Verlag) nur Männer-Sprüche zu lesen sind, als hätten Musikerinnen zum Thema Musik nichts zu sagen, ja, als gäbe es gar keine Musikerinnen. Dies ist eine Tonleiter des Sexismus direkt in die Hölle.

Dass es heute noch immer solch “normale Diskriminierung” gibt!

Manchmal schaue ich auch gern romantische Liebesfilme wie The Best of me. In all diesen Filmen gibt es immer einen Plan, nichts ist Zufall, alles geführt, genau das, was ich im wirklichen Leben so vermisse. Es ist in diesen Filmen wie früher als Kind, als ich mir Geschichten ausgedacht und alle Figuren geführt habe.