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Tourblog

30. August 2009

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Darmstadt

Es war schön, in Darmstadt zu spielen. Es war ein kleiner, aber guter Yamaha-Flügel in schöner Akustik. Roh Kudus. Es ist erstaunlich, was eine Sprache über sein Land aussagt. Ich habe ein Angebot, in Jakarta zu spielen, der Hauptstadt Indonesiens. Dabei kann ich sicher einen Abstecher oder Urlaub in Bali machen. Aber zuerst werde ich in Ägypten sein auf der Kreuzfahrt, dann auf den Philippinen. Ich mag die asiatischen, indonesischen, thailändischen, feinen Menschen, sie haben so etwas Zartes und Feinfühliges, ich fühle mich wohl und bekomme bei ihrer Feinheit Gänsehaut, wohlfühlend, obwohl ich vom Aussehen völlig heraussteche.

In den USA habe ich sehr viel mit Asiaten zu tun gehabt. Aber es ist sicher anders, sie in ihrer ursprünglichen Heimat zu erleben. Viele von ihnen sind auch hin- und hergerissen zwischen Welten, sogar zwischen Kontinenten. Ich traf auch einige kleine Kinder und Erwachsene, die ‘Halbe’ sind wie ich, halb afrikanisch oder halb indonesisch; vielleicht fühlen sich Halbe instinktiv zueinander hingezogen. Mit einem Amerikaner habe ich anschließend Schach gespielt. Er hat an der Arizona State University gearbeitet, dort, wo ich 2 Jahre studiert habe. Er kommt sogar aus Arizona, aus der Wüste, hat auch an der Arizona State studiert, arbeitet nun in Deutschland. Ich habe das erste Mal auf Englisch Schach gespielt. Er hat mich während des Spiels über alles mögliche ausgefragt, über mein Leben, und Schach lief bei ihm nebenbei, nur als Mittel zum Zweck, während ich mein 31. Schachspiel gewinnen wollte. Er verlor im Gespräch viele wichtige Figuren, zumindest im Tausch, aber es war ihm egal. Ich habe niemanden so schnell spielen sehen. Plötzlich aber war seine Dame ungeschützt in dem empfindlichsten und gefährlichsten Teil meines Spielfeldes direkt an meinem König, es war Abzugs-Schach in Greifweite, und ich bekam seine lästige Dame nicht weg, während er sich einfach weiter mit mir unterhielt und völlig nebenbei gewann. Ich dachte mir, es ist unfassbar, wie manche Menschen Schach spielen. Irgendetwas mache ich verkehrt. Es läuft alles sehr gut, bis ich plötzlich eingekeilt bin. Ich spiele noch zu defensiv, ich vergesse symbolischerweise oft, dass es um den König geht. Ich bin zu sehr mit der Dame beschäftigt, mit der ich mich identifiziere.

Roh KudusBagi Mu Tuhan, Penuhi kami dengan RohMu. Kurindu kan selalu dalam hidup ku.

21. August 2009

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Meisterkurs Saarbrücken

Der Wald hier ist herrlich, alles hängt voll Brombeeren und Himbeeren und Rehkitze springen furchtlos um einen herum. Die Probe lief sehr gut, ich übte in der Gnadenkirche. Die Mischung aus Improvisation und Komposition ist einmalig, auch gerade vierhändig, das Vierhändige an der Orgel. Es kommen mir dabei so viele Ideen, dass ich anschließend erschöpft bin.

Mein Schachspiel habe ich leider verloren. Kollegen und ich spielten im Speisewagen des ICE nach Frankfurt. Ich muss sagen, dass ich im Blitzschach besser spiele: Je schneller, spontaner und mutiger, desto besser für mich. Je länger, strategischer und schweigsamer, desto schwieriger für mich. Speisewagen in ICEs sind für mich ein sehr gemütlicher Ort, vor allem, wenn man darin einen Eintopf ißt, wie früher, als ich klein war und mit meinem Vater auf Konzertreise unterwegs.

Ohne Intuition fehlt etwas Entscheidendes. So möchte ich nichts auslassen, nicht Mathematik durch Sprache ersetzen.

Auch der Meisterkurs Bach in Saarbrücken war sehr interessant: Es ist schön, mit anderen aus Frankreich, Asien und Deutschland zusammen über Bach zu meditieren und sich vorzuspielen und zu lernen. Mittlerweile vergleiche ich fast alles im Leben mit Schach, selbst das Klavierspielen. Ich frage mich jedoch, wie ich das Intuitive verbinden kann mit kühler Logik, Konzentration, Erfahrung, Wissen, Brillanz und Mathematik — es muss sich verbinden lassen; ich bin mir sicher, diese Dinge schließen sich nicht aus.

20. August 2009

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Konzerte in Süddeutschland

Symbolik ist Logik. Da ich auf einer Trommel Gedichte schrieb, machte ich beim Schreiben ungewollt Musik und Rhythmus, und da ich vorher gemalt hatte, waren meine Arme und Finger voller Farbe. Der Klavierstimmer hat auf meinen kleinen Wink hin meinen Kawai im Kirchsaal gestimmt, nicht nur den Flügel, dafür bin ich sehr dankbar.

Heute ist der heißeste Tag des Jahres; ich werde gleich zum Zug gebracht, bin aber morgen abend wieder zurück. Ich weiß: mein Leben ist manchmal von Ausnahmen durchdrungen.

25. Mai 2009

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Bremerhaven

Von den bulgarischen Sängern erfuhr ich, dass Russland ihr Alphabet übernommen hätte und dass wir Deutsche in Wien Piefke heissen. Um uns herum lag ein ruhiges internationales Bremerhaven, dass offensichtlich nicht daran interessiert war, 60 Jahre Grundgesetz zu feiern.
Am nächsten Tag besuchte ich das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven. Ich verbrachte dort fast drei Stunden und hätte beinahe meinen Zug verpasst- es war ein Wunder, dass ich ihn noch erwischt hatte — ich kam 12:32 am Bahnhof an, und mein Zug ging um 12:28.

Aber dieses Museum zeigte mir, was der Sinn eines Museums ist, da Fernweh, Heimweh und die Suche nach Heimat an persönlichen Einzelschicksalen aufgezeigt wurden. Atmosphäre und Stimmung mischten sich mit Information. Über sieben Millionen Menschen sind bis heute ausgewandert oder geflüchtet, in grossen Emigrations-Schiffen, aus Bremerhaven auslaufend. Noch nie hatte ich das Ausmaß des Zweiten Weltkrieges so deutlich verstanden wie an diesem Morgen, obwohl ich mich nun so eingehend jahrelang mit den Weltkriegen und Deutschlands Geschichte beschäftigt hatte. Ich musste drei mal weinen in diesem Museum, vor allem, als ich ankam in der Neuen Welt, in den USA, und Dvoraks Sinfonie Neue Welt lief. Ich bemühte mich, alle Schicksale zu hören; es dauerte sehr lang. Ein Leben berührte mich besonders, das Leben einer jungen Ärztin, die 1933 alles verloren hatte und um das Leben ihrer Kinder bangen musste. Sie hatten kein Geld, obwohl sie reich war; die Nachbarsländer und Grenzen waren zu und selbst, als jedes Jahr lebensgefährlich wurde, bestand die USA auf Wartezeiten, Papiere und Bürgschaften zur Einreise. Dennoch hatten sie es geschafft nach Jahren der Qual, und sie standen vor dem Nichts, als sie endlich in den USA ankamen. Selbst die Schiffsüberfahrt war ein Tortur. Auf der Freiheitsstatue stand: Willkommen, ihr Massen an Sehnsucht, ihr, die keiner sonst will. Ich war berührt von dem Mut dieser Frau. — Ich kann nachvollziehen ein Stück weit, was es bedeutet, alles zu verlieren, machtlos zu sein, loslassen zu müssen, vor dem Nichts zu stehen, keine Vergeltung fordern zu können, keine Gerechtigkeit zu spüren und dennoch das Land zu lieben, zu brauchen. Und dabei war es noch das Leben, mit dem sie davon kamen. Andere verloren selbst das. Wer war diese Frau? Da ich keinen Stift hatte, wollte ich mir ihren Namen merken — dann stellte ich fest, dass zufällig genau ihr Name auf meiner Eintrittskarte stand — denn, das hatte ich vergessen, jeder war einer bestimmten Person von damals zugeteilt worden. Ihr Name ist Hertha Nathorff.

19. Mai 2009

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Augenbeute

Es ist schön, Konzerte in meiner nahen Umgebung, in meiner Heimat zu geben: Konzert-Blumen, die ich direkt mitnehmen kann, nach dem Essengehen gleich heimfahren können, nachbestellte CDs abgeben, wenn ich nicht genügend dabei hatte — sehr entspannt. Allerdings bin ich auch gern Gast in grossen Städten wie Berlin. Übermorgen nach meinem Vormittagskonzert treffe ich den Chef der Stadthalle Bremerhaven. Anschließend bin ich in Stuttgart bei meiner Schwester und besuche Kollegen, schaue mir eine TV Sendung hinter den Kulissen an. Danach spiele ich Filmmusik mit Schauspielern vom Bayerischen Fernsehen ein. Aber all dies läuft nebenbei, da ich für Wettbewerbe übe und nach einem Jahr meine Magisterarbeit für Musikwissenschaft schreibe. Die Analyse der Werke habe ich meistens in den Fingern, als ob diese mein Mund wären und sprechen könnten. Analyse ist Mund. Hören ist wichtig.

Meine Augenfarbe wechselt je nach Licht und Stimmung.

29. April 2009

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Lettland

Lettland ist sehr interessant. Einerseits hoere ich, dass 60 Prozent der Bevoelkerung Russen sind oder zumindest russische Eltern haben, und andererseits ist es nicht richtig, wenn ich Osteuropa sage, sondern wenn, Nordosteuropa. Was ich aber weiss, ist, dass Riga eine wunderschoene Hauptstadt ist, in der fast die Haelfte der Menschen Lettlands wohnt, dass die Menschen gastfreundschaftlich, interessiert, liebevoll sind und dass ich mich nach einem Tag wie zuhause fuehle. Besonders die Akademie, die Musikhochschule, ist ein ruhiger, gleichzeitig kreativer Ort, in dem die jungen Kuenstler nicht hip sind oder gestresst, sondern einfache und hart arbeitende Leute mit beiden Beinen auf dem Boden.
Überall auf den Straßen ist Straßenmusik in Riga (ich schreibe nun wieder an meinem eigenen Laptop: so habe ich die Umlaute mitgenommen. Diese Laute brauche ich ja auch). Das Institut der Musikwissenschaft ist interessant, vor allem, weil die Musikwissenschafter an der Akademie studieren, nicht an der Universität; in Deutschland ist Musikwissenschaft nur an der Uni möglich, und leider herrscht zu oft Konkurrenz anstatt Zusammenarbeit zwischen Universität und Musikhochschule. Eine persönliche deutsche Stadtführung durch Erasmus-Studenten der Musikwissenschaft hat mir die Stadt nahe gebracht.

Auch der wunderschöne Dom mit der weltberühmten Walcker-Orgel ist evangelisch.

22. April 2009

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Wiesbaden

2 Uhr 15. Die Nacht hier in Wiesbaden vergeht schnell, gleich geht es zum Flieger. Wir schneiden und mischen gerade noch Stücke von mir.
Musik ist Erinnerung, sogar ein Erinnerungsraum. Fort vom ausgesuchten Unglück der Welt.

Es ist doch etwas anderes, nicht als Dozentin in Vorlesungen zu sein, sondern Neues auf sich wirken zu lassen. Denn ein Künstler ist tatsächlich auf der Bühne eine Vermittlerin  — und das geht weit über das Klavierspielen hinaus. Die künstlerische Welt der Musikhochschule ist dennoch für mich wie ein Zuhause.
Morgen Probe mit Uwe Steinmetz (Sax) aus Berlin für ein Konzert in Wuppertal, um abends wieder zurückzufahren nach Würzburg, da wir am Sonntag dort gleich zweimal spielen.

Reutlingen. Die Tontraube

Bedingungslose Kreativität? Jedes Mal, wenn wir anfangen zu reflektieren, wollen wir Wahrheit.

Ich unterrichtete in Reutlingen Improvisation. Mit meiner Nichte war ich in der Philharmonie, um Peter und der Wolf von Prokovief zu hören.

Ich spüre die Musik, von Heimweh ausgebrannt. 

09. März 2009

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Erfurt und Lehrjahre

Gestern spielte ich mit Uwe Steinmetz in Erfurt in der Ägidienkirche an der Krämerbrücke mitten in der Stadt. Wir haben Daves Grusins durchkomponiertes Jazz-Klavier-Stück Memphis Stomp spontan auch mit Saxophon gespielt — dazu drei neue Stücke von mir. Es war in jeglicher Hinsicht eine Uraufführung. Heute habe ich das Augustinerkloster von Martin Luther besucht. Als Martin Luther damals 1505 in das Kloster kam, wurde die Biblothek gerade gebaut. Heute, 2009, ist wieder diese gleiche Bibliothek an derselben Stelle eine Baustelle, ja, ist wieder große Baustelle an derselben Stelle, als ich kam, da sie erneut aufgebaut wird nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Martin in das Kloster kam, hat niemand gewusst, dass jemals so von ihm die Rede sein würde. Den Kreuzgang zu sehen, der auch im Martin Luther-Film gezeigt wird, war ein schöner Moment. Ich hatte zufällig eine Einzelführung, da es Montag war, und durfte in dem einzig wirklich erhaltenen Raum die kleine, zarte Soli Deo Gloria-Orgel spielen. Auch die Akustik der Augustinerkirche ist dadurch, dass sie klein, breit, hoch und aus Holz ist, umwerfend. Der Ton fliegt zur Decke.

Insgesamt spüre ich dort Zeit, Geschichte, Ringen mit sich und Gott. Ich hatte einen Schauer nach dem anderen. Bach hat die Orgel in dieser Kirche inspiziert. Man kann sich kaum vorstellen, dass Bach noch nach Martin Luther lebte. Beide haben die Welt verändert. Martin Luther schrieb: Das Leben ist nicht ein Sein, sondern ein Werden. Nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Nicht Gesundheit, sondern Gesundwerden. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles. Ich muss leiden und stillehalten, dass Er mich schaffe.

Das Fotoshooting im Luisengarten Würzburg und der Improvisations- Workshop haben Spaß gemacht, da die Leute durstig danach sind, sich frei ausdrücken zu können, mit geschlossenen Augen zu spielen, sich zu trauen und angeleitet zu werden. Wer sind die Dienstherren? Die Dienstfrauen?