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Musikpädagogik

31. Dezember 2015

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Konzertjahr 2015

Gott nytt år!

In die Flügeldecke eingewickelt wie ein Kleid.

Es war wieder ein aufregendes Jahr. Mozart Klavierkonzerte im Gewandhaus zu Leipzig, Piano-Salon Dresden, Barocksaal Rostock, Dom Berlin, Recitals Klosterkirche Oberndorf, Orgelkonzert zum Deutschen Orgeltag, Lesung in Pinzette versus Kneifzange Leipzig, Rysum, Metzingen, Nettersheim, Dozentin Konservatorium Magdeburg, Videos mit Zugabe-TV und Markus Reinheckel, Allianzkonferenz, Spring-Festival, Konzerte für die Adenauer-Stiftung, Holocaust-Remembrance Bad Blankenburg, Soundcheck von TV Touring, Konzert Alte Wache Lauenburg, Bethlehemskirche Hannover, Bad Karlshafen Rathaussaal, Notenspur-Konzerte Leipzig, Mauerfall-Konzerte, Recitals in Schloss Gohlis Leipzig, Schlosskonzerte Hurlach, Landesakademie Hessen, Lesung mit Volly Tanner… Fotos für Yunolia, Donata und Wim Wenders… Meine Schwester heiratete…

Music is dreaming.

21. April 2010

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ERF und Werthe Gäste

Meine CD Jeden Augenblick wurde heute im Radio ERF vorgestellt, gespielt und sehr gelobt von Jürgen Werth und anderen.

Hatte heute das erste Mal Gesang bei Frau Ulmer, die am Theater singt. Sie sagte, ich hätte eine wunderschöne, hohe Kopfstimme, für Klassik perfekt, sogar meine Sprechstimme sei sehr hoch, fast Kopfstimme, doch meine Bruststimme bricht schon beim eingestrichenen e, und durch Atmung arbeiten wir nun an meiner Brust- bzw. Sprechstimme. Manchmal denke ich, meine Stimme ist so hell wie meine Haare hell und meine Hände klein sind, ich kann da gar nicht viel dagegen tun. Trotzdem sagte sie, ich würde sie an Joni Mitchell erinnern. Ich hörte sie mir auf youtube an. Die erste Chorprobe vom Kammerunichor in der Residenz war sehr interessant mit Max Reger.

Antje Hagen sagte, ich hätte selbst unter Stress eine wunderschöne hohe Stimme. Eine Stimme ist ein Lebensprojekt. Das Festival junger Künstler in Bayreuth hat mich angefragt. Ich glaube, ich muss den Schluss des Romans nicht erfinden.

Es gibt nur viele Wege, wie er enden könnte, ich muss mich entscheiden. Habe heute in der Kompositionsklasse von Prof. Winbeck gespielt, er kannte noch meinen Vater und sagte, er wäre ein toller Pianist gewesen. Es ist seltsam, wenn mich jemand auf meinen Vater anspricht, da ich mich manchmal kaum erinnern kann.

28. Februar 2010

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Haiterbach, Altensteig, Schwarzwald, cap-music

Ich gewöhne mich an die Studio-Situation und Studiomusikerin zu sein — das eigene Projekt zu gestalten. Mein kleines Zimmer hier im Glaskasten im Schwarzwald ist schön, von Sonne und Sturm umgeben. Manchmal höre ich nachts Geräusche und erschrecke mich. Aber dann erinnere ich mich, dass ich von Kreativität, Büchern, CDs, dem bunten Laden cap-music und Gott umgeben bin und dass das Dach knackt.

28. Januar 2010

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Politische Kunst

Es ist erstaunlich, wie politisch Kunst in seinem Wesen ist, wobei mir das Wort politisch nicht gefällt, es müsste ein anderes Wort sein, geschichtlich vielleicht. Wie sonst könnte ein rothaariges, rebellisches Mädchen wie Pippi Långstrump in einer Zeit von 1945 weltweit so berühmt werden, in einer Zeit des Elends und Machtmissbrauchs in Europa? Und automatisch wird eine Künstlerin auch ein Gesamtkunstwerk, wie man an Astrid Lindgrens Leben sehen kann, zum Beispiel der „Skandal“ mit ihrem unehelichen Sohn Lasse. Dies hat sicher sehr dazu beigetragen zu den Inhalten ihrer Kinderbücher.

Es lässt sich dennoch nicht, wie es Musikpädagogen oder Musikwissenschaftler versuchen, kontrollieren, herausfinden, wie ein Welle rollt oder eine Bombe einschlägt in der Kunst. Der neugestartete kleine Verlag Rabén & Sjögren konnte nicht wissen, was für eine Erfolgswelle er starten würden mit dem Risiko Pippi Långstrump.

In Schwedisch ist es natürlich noch mal etwas anderes, sich öffentlich frei über seine Gedanken zu äußern.

Sprache ist für mich so ein wichtiges Mittel. Ich fühle mich hilflos ohne. Das Film-Festival hier zeigt viele internationale Filme, auch schwedische, darauf freue ich mich. Bisher habe ich israelische, spanische, zwei finnische und türkische Filme gesehen auf dem Festival. Mir fiel auf, dass alle Filme, die ich gesehen habe, eine Suche nach Gott waren, je atheistischer, desto suchender. Ich glaube, ich habe nun endlich den objektiven Maßstab für Kunst gefunden: sie besteht aus vier Themen: Kreativität, Liebe, Unsterblichkeit und Gott. Ich glaube, Kunst ist eine Person, man kann sie kennen lernen. Man kann sie nicht erwissenschaften.

Nächste Woche werde ich mit Michael Ende proben, ich bin gespannt auf Duo E-Bass und Klavier.

Kreativität und Nüchternheit

Wie eine Asphaltstraße scheint manchmal die Realität, immer grau, egal ob in Hitze oder Kälte. Eine Wiese aber ist Kunst. Kreativität braucht Leben. Doch auch Struktur, Ordnung, Willen, Wege. Eine Wiese hat auch ihre Regeln, auch wenn dies nicht so aussehen mag. Jedoch sind ihre Regeln nicht hart, tot und grau. Die Jahre der Ablehnung scheinen den Willen von Künstlern nur anzuspornen.

Juist

Kunst und Musik brauchen ein stabiles Fundament.

Falls Kunst mit Süchtigkeit einhergeht anstatt mit Charakter, dann ist Armut im Leben, denn wer sich nicht mit Mangel beschäftigt, sondern sich dort, wo es um tief innere Dinge geht, in Begabungen flüchtet, mit Leistung ausweicht, sei es passiv oder aktiv, wird die künstlerische Beschäftigung mit Süchtigkeit einhergehen… bei Künstlern sogar zu einer Kreuzung von gleichzeitig stoffgebundener und nicht-stoffgebundener Sucht führen, da Kunst körperlich und geistig ist.

Kunst an sich aber baut keine Gegenrealität, sondern spiegelt. Die Auswirkungen von Kunst als Sucht, von Kunst als rettendes Fantasiegebäude, führen zu ruhelosen Illusionen.

Musikhochschule Riga

das lettische Instrument ‘Kokle’

14. September 2009

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Bechstein-Center Frankfurt am Main

Das Konzert in Frankfurt war sehr gut besucht, der Bechstein-Flügel in seiner hellen Akustik fast zu scharf gestimmt. Ich war die letzte Viertelstunde vor dem Konzert ruhig und abwartend. Ich ringe gern mit Klang. Bisher war ich nur Seele und verschmolzen mit Klang. Es ist erstaunlich, wie sehr man mit Musik Menschenherzen erreichen kann. Aber auch diese Facette der Liebe hat ihre Grenzen. Es gibt Dinge, die man außerhalb der Kunst suchen muss. Ich hätte nie gedacht, dass Liebe eine solche Macht und so viele Gesichter hat. Musik ist nur ein Gesicht der Liebe.

23. Mai 2009

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Ich höre Erschaffung

An Materialien für Kunst liebe ich Seide, Gold, Leder, Haar, Acryl und Öl. Morgen besuchen wir das Auswandererhaus in Bremerhaven und heute Abend die Operette Vogelhändler, die Ara dirigiert: die Abschlußvorstellung von dem Bassisten Klaus Damm, die dernière (letze Vorstellung).

Abends ging ich erst einmal auf Uhrenjagd. Anna sagte, sie könne es nicht glauben, dass ich noch die Uhr aus dem Badezimmer höre. Es gibt Geräusche, die ich sehr gerne höre beim Schlafen: Wind, Sturm, Regen oder das gleichmässige Schnurren in Autos und Zügen.

Linie 1 ist ein berührendes und schockierendes Musical. Die Theatermaler malten in den Werkstätten des Theaters Graffity-Wände, die Techniker bauten eine U-Bahn mit Licht und Geräuschen aus Berlin, der Tonmeister nimmt die Geräusche auf — das allein, all die Requistiten sind Kunst und Kreativität pur.

Die Menschen hier haben Theaterwissenschaften, Kulturwissenschaften und Medienwissenschaften studiert.

In der Pause saßen wir mit der Band des Musicals in der Theaterkantine. Ich mag den Nachgeschmack von Balisto. Viele Schauspielerinnen haben einen Gastvertrag. Ara hat das meiste mit den Schauspielern einstudiert, die auch singen und tanzen müssen und oft keine Noten lesen können.

Die Männer spielen gerne Frauen. Es ist unheimlich, wenn eine solche ‘Frau’ riesig und geschminkt auf mich zukommt. Sie verlieren sich im unendlich Weiblichen, sagen sie, und sind sehr erfreut, eine Frau zu sein.

Es gibt einige Schauspieler, die noch mit 65 in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. Für Neue Kunst, egal, welche Form, ist es oft nicht leicht, die richtige Grenze zu finden zwischen Provokation und Pornographie. Manchmal braucht es aber auch einen mutigen Schritt aus dem Alten heraus. Überhaupt braucht es unbedingt Mut zur Kunst. Seine Hände tropfen mit Geschichte. Und auch ich suche. Dadurch ist mir die Mathematik sehr sympathisch geworden. Sie ist Musik. Sie entfaltet sich erst im Rhythmus, wenn sie den Herzschlag schlagen kann. Und besonders im menschlichen Gesang findet sie Erfüllung, im Weichen, Persönlichen, Verletzlichen. Mathematik ist nicht dazu da, unpersönlich und abstrakt zu sein.

Klaipeda und Nida

Der Bus von Klaipeda über Siauliai nach Riga brauchte fast 5 Stunden. Ich schlief die ganze Strecke. Nur als wir über die Grenze fuhren, wachte ich auf. Dabei kenne ich die kleine Grenze ja längst. Gestern abend zeigte mir Dace (Daze ausgesprochen) das Opernhaus in Riga. Es ist groß, weiß und wunderschön. Dace spielt im Orchestergraben in der Gruppe der ersten Geiger. Die Pianistin Ilze, die aus Cesis kommt, und ich wohnen bei ihr. Dace führte mich in die Künstlerkantine, wir tranken etwas zusammen mit der Pianistin des Opernhauses, die sehr gut Deutsch spricht. Beide haben früher hier in der Akademie in Riga studiert. Es erinnerte mich an das Nürnberger Opernhaus, in dem meine Schwester Violine spielt. Sie ist auch Geigerin der ersten Geiger. Ich sah gestern das russische Ballett The Fountain of Bakhchisary von dem Komponisten Boris Asafjev. Eine traurige, aber ergreifende Geschichte; eine Legende.

Als mich Dace während der Pause in den Orchestergraben führte, sah ich all die großen und dünnen Tänzerinnen, die für den zweiten Teil als Bauchtänzerinnen gekleidet und sehr geschminkt waren. Sie machte ein Foto von mir, als ich auf das Dirigier-Podest kletterte und ein unsichtbares Orchester dirigierte.

Gestern noch bin ich auf der Kursiu Nerija aufgewacht (Kurische Nehrung), der Halbinsel-Zunge im Baltischen Meer, oder für uns Ostsee, die sich bis nach Russland hinstreckt, so nah an der Russischen Grenze. Die große Sanddüne, die Parnidener Düne in Nida, früher Nidden, alles ehemalig deutsches Gebiet, ist nur zwei Kilometer von der russischen Grenze entfernt, allerdings vom winzigen, verstreut liegenden Teil von Russland: Kaliningrad. Ich dachte noch kurz daran, ob ich vielleicht über die Sanddüne heimlich nach Kaliningrad wandern könnte.

Nach Nida zu kommen, ist eine Art Odyssee. Zuerst fuhr ich von meinen Verwandten früh mit dem Zug von Telsiai nach Klaipeda. Dann mit der kleinen Fähre über den Fluß Dane, der bereits zum Meer gehört, auf die Kurische Nehrung. Es ist noch nicht Saison und es war unterhalb der Woche, so dass ich die einzige war. Keiner spricht dort Englisch. Man kommt mit Deutsch etwas besser voran. Der Strand in Smiltyne war menschenleer. Es war trotz Sonnenschein sehr windig. Ich legte mich in den Sand, mit dem Gesicht in die Sonne. Ein langer, menschenleerer Strand um mich rum und rauschende Wellen im Wind, der meinen weißen Rock aufblähte.

In Smiltyne traf ich zwei Russinnen, die in Oslo Kunst und Journalismus studieren. Sie fuhren nach Hause. Sie hatten Ferien. Die eine fuhr nach Minsk und die andere nach Kaliningrad. Der Bus nach Kaliningrad stand neben meinem nach Nida, zum Greifen nah. Eine Minute lang dachte ich, ich wechsle den Bus und fahre mit ihnen nach Kaliningrad. Ich fühlte wieder die Sehnsucht nach Russland. Von Kaliningrad war es nur ein 40-Minuten-Flug nach Weissrussland. Ich bräuchte also zwei verschiedene Visa. Sie sprachen Schwedisch-Norwegisch mit mir, und ich antwortete in Englisch. Verstehen ist leichter als Sprechen. Wie schön klingt Schwedisch auch mit russischem Akzent! Wie schön muss es sein, eine Weile in Stockholm zu arbeiten!
Von Smiltyne fuhr ich mit dem Bus in die größte Stadt der Kursiu Nerija (auch Landbrücke genannt), nach Nida — über Preila und Pervalka, vorbei an den ‘toten Dünen’. Das berühmte Dolphinarium hatte leider geschlossen.

Nida selbst erinnert mich an die Nordseeinseln Langeoog und Juist, auf denen ich mit meiner Familie als Kind jedes Jahr gespielt habe. Die kleine Stadt mit circa 2000 Einwohnern liegt direkt am Kurischen Haff, einem Teil der Ostsee, mit Sandstränden, niedlichen bunten Häusern, frischer Luft, wenigen Autos, dafür Pferdekutschen, schwedische rot-weiße Häuschen mit Sauna, viele Fischerboote, große Sanddünen, viele Kiefernwälder.

Thomas Mann war hier in Klaipeda 1930-1932. Ich habe sein Haus besucht, froh, dass es geöffnet war außerhalb der Saison. Eine Frau zeigte mir persönlich alles, sprach fließend Deutsch. Sie erzählte mir viele Dinge, die ich noch nicht wusste. Er war verheiratet mit einer Jüdin und verließ schon 1933 Deutschland, emigrierte nach Amerika. Ich wurde plötzlich traurig. Hätten das doch alle gemacht! Es bedeutete, dass sie alles zurücklassen mussten und erst 13 Jahre später heimkamen. Thomas Mann hat sein Haus in Nidden nie wieder gesehen; es war fast zerstört worden. Es gehört nun Litauen und wird als Museum genutzt. Ich sah seine Fotos und Schriften. Sein Schreiben ist im Vergleich zu meinem maskulin. Mein Schreiben dagegen kommt mir feminin, hungrig vor im Vergleich. Es kam mir vor, als würde ich erneut einen wichtigen Teil der deutschen Geschichte erspüren. Selbst hier, in einer Gegend, die mir überhaupt nicht deutsch vorkam, sah ich Spuren der deutschen Geschichte. Hätte es auf dem Plateau nicht angefangen zu regnen, hätten mich einheimische Frauen nicht zufällig mit dem Auto nach unten genommen, hätte ich das Thomas Mann-Haus verpasst.

So verpasste ich aber die letzte Fähre zurück aufs Festland. Es wurde bereits kühl. Als ich das Plateau der Sanddüne erklommen hatte, fing es bereits, kaum dass ich oben war, zu regnen an. Ich wusste nicht, wo ich übernachten sollte. Alles war geschlossen. In einem Cafe erzählte ich, was passiert war. Als erstes wurde an mir herumgezupft, ich bekam gegen meinen Willen eine Tasse Kaffee und einen schwarzen Tee nach dem anderen, und ich wusste, dass ich jetzt sowieso nicht mehr würde schlafen können. Schließlich fand sich ein nettes goldiges russisches Ehepaar, bei dem ich übernachtete. Dafür war ich sehr dankbar. Leider waren die Umstände für mich so, dass zuerst an Schlafen nicht zu denken war. Durch die Wand hörte ich lautes russisches Fernsehen, der Kaffee hielt mich wach, und es tickte eine Uhr laut und immer lauter in meinem Ohr. Eine tickende Uhr ist nachts für mich das Schlimmste. Sie wird immer lauter und rhythmischer. Schließlich begab ich mich auf Uhrenjagd. Kaum hatte ich eine von der Wand genommen und eliminiert, indem ich die Batterie herausnahm, hörte ich irgendwo eine andere. Schließlich hatte ich alle Uhren entfernt, der Fernseher schwieg und allmählich ließen der Kaffee und mein Heimweh nach, und ich schlief ein. Irgendwo in der Ferne hörte ich die rauschenden Wellen des Meeres und etwas Regen an meinem Fenster.
Nachts kann ich manchmal meine Hände fühlen. Ich spüre ganz deutlich, dass sie da sind, schwer wie Blei, obwohl sie klein sind. Besonders, wenn ich viel geübt habe.

Um 7 Uhr früh wollte ich nach dem Frühstück noch einmal auf die Sanddüne steigen und den Sonnenaufgang sehen, falls es einen gab, bevor ich mit dem Bus zurück nach Klaipeda und dann zurück nach Riga fuhr. Der russische Mann sprach etwas Deutsch. Er erzählte mir, seine Frau sei litauisch, und er selber habe keinen russischen Pass mehr. Um seine Geschwister in Kaliningrad zu besuchen, nicht weit von hier, müsse auch er ein Visum kaufen. Das fände es so absurd, dass er sich keines kaufen würde. Es sei auch zu teuer. Ich sagte ihm, er solle doch, um seine Familie zu sehen, wenigstens einmal im Jahr das Visum kaufen, auch wenn er es nicht gut fände (für mich kostet das Visum um die 70 Euro und ist einen Monat gültig). Aber egal, in wievielen Umschreibungen ich dies sagte, er ‘verstand’ plötzlich mein Deutsch nicht mehr. Ich sehe, dass das Zusammenleben von Russen und den Balten, so nah aufeinander, nicht leicht ist. Die Russen fühlen sich nur in Russland oder in ihrer russischen Familie zu hause. Und das russische System ist noch immer unsichtbar in der Luft. Auch ich muss manchmal daran denken, dass mein Vater in russischer Gefangenschaft war während des Krieges. Ich frage mich, obwohl ich wenig darüber weiß, ob das nicht unbewusst einen gewissen Widerwillen manchmal hervorruft in mir, selbst in mir, trotz meiner Sehnsucht und meiner Liebe der russischen Musik, der Opern und Ballette, der Texte, der Kunst, der Leidenschaft, der Geschichte Russlands. Kaliningrad war früher Ostpreußen und ist damit auch Teil ‘meiner deutschen Geschichte’, wenn auch so lange vor mir.

Meine Verwandten in Telsiai zu besuchen, ist für mich ein wichtiger Punkt meiner Reise.