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Tourblog

Orgelkonzert Zülpich, Köln (Weimbs-Orgel)

Die besondere und große, moderne, romantische dreimanualige Weimbs-Orgel mit 47 Registern von 2014, Schleiflade (mit sehr geringem Druckpunkt), elektrische Traktur, Automatikpedal, Tuba, Doppel-Orgel (3. Manual Chororgel rechts), frei verschiebbarem Spieltisch, auch versteckten Pedalpfeifen, Tastenfesseln, Winddrossel, freien Koppeln, Windregler ist das ganze Gegenteil von der Walcker-Orgel Hoffenheim, die frühromantisch und historisch ist. Der Vergleich haute mich um!

An beiden habe ich Liszt B-A-C-H gespielt – und es kam mir vor, als spielte ich ein völlig anderes Stück! Bei dem einen konnte ich in kurzer Zeit alles selbst “einstellen”, vor allem durch das teilbare Pedal und die Schweller, bei dem anderen sind Stunden von Einregistrierung nötig und mind. zwei Registranten. Dennoch oder gerade WEIL muss ich sagen, lebt bei historischen Orgeln ein anderer Wind, als würden die Pfeifen das Stück erküssen. Bei dem einen kann ich durch Setzer alles automatisieren, bei dem anderen muss ich in Zusammenarbeit mit den Pfeifen und sehr viel Geschick (allein, dass man den Physharmonik-Schweller immer einklappen muss, um an das Pedal zu kommen) das Instrument sehr gut kennen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Diese Intimität mit der Orgel ist in Hoffenheim auf eine geradezu mystische Art und Weise da. Sie ist ja auch direkt hinter dir, du sitzt in ihr. 

Jedoch, jede Orgel ist faszinierend, vielleicht bin ich ein Orgel-Junkie geworden. Jedenfalls bin ich eine Art Konzert-Junkie. 

Schön waren auch Messiaen, Mozart, Bach und meine eigenen Werke. An dieser Orgel konnte ich wirklich wild sein. Ich habe fast alles genutzt, “was geht”. Holger Weimbs sagte, es hätte Klänge gehört, die würde er von seiner Orgel noch gar nicht kennen. Ich komme mir vor wie eine Malerin mit einem riesigen Farbkasten, und hinterher bin ich und alles andere und alle anderen bunt und vollgespritzt.  

Hinterher waren wir im Rathaus essen. Zülpich mit seiner Stadtmauer, der römischen Strasse und mitten im Karneval ist ein sehr hübscher Ort. 

 

Hauptwerk-Orgel, 3 Manuale (Os-Organum)

Ich freue mich sehr, dass meine Hauptwerkorgel eingetroffen ist. Nagelneu, aus Hessen, schwarz, 3 Manuale, Pedal, Setzer, Fußsetzer, viele schöne Orgel-Samples, auch aus Kirchen, in denen ich schon konzertiert habe. Es duftet nach Holz und Leim, wenn ich nach Hause komme. Die Hauptwerkorgel hat natürlich sehr gute Boxen, einen Kopfhörer, Computerbildschirm und eine niedrige Bank (für mich). Sie steht gegenüber meinem Flügel, und die beiden beschnuppern sich, der Steinway und das Virtuelle. Natürlich ist die Orgel nur zum Training gedacht, besonders für abends und nachts. Sie ist ja keine Pfeifenorgel. Aber meine Nachbarn würden sich bedanken. Natürlich kann man gewissen Anschlag, gewisse Artikulation, gewisses Reagieren NUR mit Pfeifen lernen – das wichtigste also. Aber um das Wichtigste zu lernen, habe ich ja meine Kirchenorgel (Klais) und andere. Besonders an historischen Orgeln lernt man, wie die Komponisten damals an ihnen komponiert haben – wie, was, welche Klänge und warum.

11. November 2019

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Italienische Orgeln, italienischer Stil, Durezze e ligature und Frescobaldi

Ich mag ihn sehr, den italienischen Stil, den Prototyp für die Orgel aufgrund der immer durchklingenden Dissonanzen, die auf der schweren Zählzeit, der Eins erklingen: Durezze e ligature (Durum und Überbindungen), wobei es um die Dissonanzen in dem Dur geht. Die Toccaten stehen in prachtvollem glänzenden Dur (oder lösen sich in die piccardische Terz am Schluss auf), der Anfang ist frei. Das strenge Taktmaß des vierstimmigen Satzes verschwindet, fängt an zu schweben. Diese Dissonanzen sind die Wunde in der Musik. Ich mag das Schwingende, die Mediation, die Ruhe, die Gravität, die Schatten der Dissonanzen, das Spirituelle und Mystische: Die (Ver)wandlungs-Toccaten, in denen die Dissonanzen für die Wunden Jesu, für das Kreuz stehen (Elevation, wenn die Hostie hochgehalten wird). Die Toccaten, die mit ihren schwer-leicht-Gefällen, den Dissonanzen auf der Eins (unterschiedlich zu gewichten und zu behandeln) oft Elevations-Toccaten sind, im weichen Prinzipalsound gespielt. Gedackt gab es nicht. Es gibt kein Legato, kaum freie Triller (Verniedlichung), keine Deko, aber Chromatik und Dissonanzen und den Kairos (griechisch: das göttliche Zeitmaß) in der Freiheit, und das Spontane, Lebendige und Unberechenbare (und das in Rom!): Frescobaldi ist eine Art Vorstufe zum Stylus Phantasticus und zum Rezitativ allerdings hat bei Frescobaldi der Takt natürlich eigentlich keineswegs Feierabend. Wenn man das Notat sieht, könnte man nicht auf die Idee kommen, das Stück würde frei schwingen. Die Zeitgestalt ist das Spannende, ihre Relationen.

Dur ist hart, Moll ist weich- hier ist es gut zu hören. Bach mochte den italienischen Stil auch und kannte ihn gut (siehe auch das Italienische Konzert mit seiner Sarabande (Abendmahl, Liebeslied)). Drei Bäche vom Urbach Ambrosius ausgehend waren auch in Italien gewesen. Davon werden sie sich in bächischen Zusammentreffen berichtet haben. Bach hat auch Frescobaldi abgeschrieben, besonders Fiori Musicali, den musikalischen Blumenstrauß.

Für Bach ist Tanz innerlicher Tanz, kein körperlicher, sondern Andacht, ein Tanz von Seele und Geist, ein verinnerlichter Tanz, ein Schwingen. Bach ist zudem der einzig perfekte Musikwissenschaftler, denn er hat alle Gattungen, Stile und Formen durchdacht, präsentiert, unterschieden und künstlerisch umgesetzt. Auch seine Passacaglia c-Moll ist eine Sarabande, eine Verbeugung vor 1 und 2 (Gott und Mensch, und die 3 schwingt: der HG).

Leider wurde die Bach-Abschrift von Frescobaldis Fiori im Zweiten Weltkrieg verbrannt.

Man spürt bei Frescobaldi schon den Übergang zu Drama, Oper, als das strenge Taktmaß sich zu verschieben und zu verabschieden begann, als man anfing zu fragen: Wer bin ich? und nicht nur: Wer ist Gott? (wenn man sich das wirklich gefragt hat) und zum Wechsel hin zur Gefälligkeit auf der anderen Seite, den Jahrhundertumschwung, die Revolution. Bei Frescobaldi ist das Schwingen des strengen Taktmaßes also keine Weltlichkeit.

Die italienische Orgel ist eine labiale Orgel mit angehängtem Pedal (aber mit Pedalpfeifen), keine Mixtur, eine helle Orgel, mi Voce Umana (Schwebung), keine Streicher, manchmal Zungen (Trompete), keine Gedeckten, eine Reihenstil-Orgel (Ripieno), mit Flöten und Quinten (aber keine 2 2/3 Quinte). Italienische und spanische Orgeln sind zwar keine “bachfähigen Orgeln” (wie die Orgelbewegung sagen würde), jedoch absolut wichtig, auch für Bach. Sie gehören zu unserer Orgelgeschichte.

10. November 2019

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Hoffenheim: Romantische, historische Walcker-Orgel (1846)

Ich bin begeistert von dem Denkmal der Frühromantik, der Walcker-Orgel in Hoffenheim (bei Heidelberg). Eine schöne durchlässige Kegelladenorgel von Eberhard Friedrich Walcker in der evangelischen Kirche Hoffenheim (die sogar einen kleinen Flügel besitzt),  opus 62 von 1846 (Restaurierung 2012 von Orgelbau Lenter, Sachsenheim). Sie besitzt eine schöne brüchige, exotische Holzharmonika (offener Streicher aus Holz) im zweiten Manual, die dem Gedackt, Dolce und der Flute d’amour besondere Würze und Helligkeit gibt, und eine Physharmonika mit Windschweller (durchschlagene Zunge) – mit Akkordeon oder Mundharmonika haben beide nichts zu tun. Es geht eher um die Harmonie, um Idealklänge, um neu erfundene, kreative, eigene Instrumente. Besonders die Physharmonika ist eine eigene kleine “Maschine” mit Klangplättchen. Beide sind sehr zart im Klang und im Pianobereich. Sehr schön ist auch die Gambe im ersten Manual. Calcant (Windmotor).

Die Orgel ist ein Wunder. Sie vermittelt einen pianistischen und dynamischen Klang, ihre Klänge und Register blühen nach oben auf und wechseln innerhalb einer Tonleiter von Flöte zu Streicher. Albertibässe sind absolut möglich, wie beim Flügel. Hier ist also der Flügel in der Orgel. Das, was man mir sagte, dass es nicht ginge. Ja, es geht: mit Flöten und Streichern.

Man muss den Anschlag jedoch stets sehr anpassen. Nie zu hart sein. Eher sehr zurückhaltend. Ihre leisen Klänge sind die inspirierenden. Nicht das laute Plenum. Es ist ja eine verhältnismäßig kleine Orgel, zwei Manuale, die Pedalpfeifen versteckt, ohne Schweller, ohne Setzer. Den Holzschweller zur Physharmonika muss man hochklappen, sonst kann man das Pedal drunter nicht mehr gut erwischen.

Liszt B-A-C-H hier zu spielen eine Herausforderung, um nicht zu sagen, sehr schwer. Jede Pfeife, jedes “Pult” muss man im Blick haben, wo was ist, auswendig kennen. Auch, dass das Pedal oben ist. Man braucht zudem sehr fite Registranten auf beiden Seiten und saubere, frische Noten. Warum? Die Registerzüge sind aufgrund der Kegellade komplex, sie machen Lärm, müssen sanft gezogen und eingehängt werden, verhalten sich bei jedem Register anders, und beim Abregistrieren noch mal anders. Zudem müssen sie in einer Art Griff gezogen werden, da man oft 3 oder mehr gleichzeitig braucht. Es ist ganz schön Arbeit. Die Holzharmonika und die Physharmonika (und die Traversflöte) waren ebenfalls Vorbild für die Bossert-Klais-Orgel im Saal Würzburg. Andreas Saage wurde von Christoph Bossert nach Hoffenheim geschickt. Viele kennen Hoffenheim gar nicht, außer vom Fußball. Auch die Orgelfirma Lenter wird von Herrn Bossert unterstützt. Ich muss sagen, dass ich die Lenterorgeln mit Kegellade ebenfalls sehr mag. Sie haben sogar eine labiale Klarinette. An der Walcker-Orgel in Hoffenheim kann man Klarinetten- und Hornklang herstellen – auf kreative Art und Weise. Es ist schön, wenn man Flöten, Streicher, Zungen, Prinzipalchor, Schwebung, konische Pfeifen vorfindet. Die Unterscheidlichen. Die Ehrlich-Orgel in Bad Wimpfen besitzt sogar eine konische Pfeife aus Holz, eine Spitzflöte. Wo sind in heutigen Orgeln solche Besonderheiten?

Wie wichtig Streicher sind, war mir lange nicht bewusst. Bach liebte wohl Gambe und Quintatön. Rieger (aus Österreich) und andere heutige Orgelbauer scheinen oft nicht die exotischen schönen Flöten- und Streicherstimmen mehr zu treffen. Es ist natürlich traurig, dass manche aus der Orgelbewegung meinten oder noch immer irrtümlicherweise meinen, Walcker-Orgeln seien “Fabrik-Orgeln” gewesen. Das ganze Gegenteil ist der Fall. Das Poetische der Orgel ist wichtig, nicht so sehr das Kühle, Professionelle. Den Keysound finden. Früher hatte Walcker Orgeln mit 100 Registern gebaut – alles zerstört.

Die Orgel ist sehr schön geeignet für Brahms, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Ritter, sogar für Bach und Liszt.

Wunderschöne Hoffenheim Orgel Walcker

Musikinterpretation

Die Partitur ist nur ein Notat – natürlich wichtig, aber eine Krücke; in den Noten steht nicht das, um was es eigentlich geht. Man muss zwischen den Zeilen lesen, wie die Musik gemeint ist und klingen soll. Nach einer Weile liest man sozusagen die Musik aus dem Notat heraus. Aber eigentlich ist dies das Geheimnis, das verinnerlichte künstlerische Geheimnis, der Klang, das Herz, die Vision – wie die Pfeifen das Kernstück einer Orgel sind.

Interessant ist es, den Würzburger Abbe Vogler und seine Präludien zu spielen. Man kennt ihn kaum. Mozart kannte den Älteren, der mit Walcker zusammenarbeitete (Effekte statt Pfeifen). Ich bin übrigens schon immer fasziniert von der Orgelgeschichte Eberhard Walkers und Eberhard Friedrich Walckers. Es war nicht nur der Zweite Weltkrieg und seine Bomben, sondern die sogenannte “Orgelbewegung” (die noch heute in den Köpfen vieler herumgeistert), die bedeutende romantische und frühromantische Orgeln verstümmelte und zerstörte. Dies hat natürlich Walckers Orgeln besonders betroffen. Walcker war der Pionier, noch vor Cavaille-Coll, er war der Genius; dennoch reden seit ca. 30 Jahren alle nur von Cavaille-Coll und haben den deutschen Genius vergessen, den selbst Cavaille-Coll (als der Jüngere) größte Ehre aufwies und ihn nachahmte. Walcker wurde missverstanden und vergessen. Dabei ist er wirklich etwas Besonderes, wie man allein in Hoffenheim erkennen kann. Es ist leider typisch für Deutsche, andere Länder wie Frankreich zu feiern als ihr eigenes. Als hätte Deutschland nicht wunderschöne romantische Orgeln gebaut!

Kadenzen, Harmonisierung, LO (Liturgisches Orgelspiel)

Pianisten haben eine ganz andere visuelle Lesekraft von Musik als Organisten. Ich erarbeite mir beides. Vierstimmige Sätze sofort zu lesen gehört in die Kategorie der Organisten. Auch der Umgang mit Kadenzen und Stimmführungen ist ein anderer im Orgelleben sowie der Umgang allgemein mit der linken Hand. Wie spielt man Abbe Vogler (Würzburger Komponist!) aus dessen “schiefen” Partitur? Durch die Orgel lerne ich nicht nur ein Hören von Kadenzen, sondern auch ein aktives Kennen; ein bewusstes “Arrangieren” der linken Hand. Da bei der Orgel meine Art von Virtuosität wegfällt, kann und muss ich mein Augenmerk hier auf andere Dinge lenken, die mir natürlich auch für das Klavier Rendite bringen.

Es mögen Basics sein, aber Basics sind vielleicht doch das Entscheidende. Auf der einen Seite spielt man das Virtuoseste, auf der anderen Seite Kadenzen. Natürlich braucht man hier Lehrer mit viel Erfahrung, Geduld und Respekt, einen geschützten Raum, in dem man Fehler machen darf, und Lehrer, die Hochachtung vor Pianisten haben und Pianistinnen nicht hassen. Gruppenunterricht hilft. Und Kadenzen sind nicht langweilig. An ihnen übt man auch Registrierung, Manualwechsel, Artikulation (Gambe…), Transponieren, Improvisieren, Konzentration.

Das Improvisieren von barocker Musik braucht viel Erfahrung und Wissen. Wie erkennt man Tanzsätze von Suiten? Wie ist das harmonische Gerüst?

Lagen, Stimmführungen, Erweiterungen. Wie vermeide ich Parallelen? Und es kann Spaß machen. Natürlich habe ich viel aus dem Bauch und aus Instinkt und Kreativität getan, aus Intuition. Das muss ich nicht üben. Ich übe die andere Seite meines Gehirns. Und diese braucht Training. Tonleiter harmonisieren und Kadenzen artikulieren ist schön. Jedenfalls sage ich mir das jeden Tag.

Durch die Orgel ist meine ganze Auffassung von Dynamik, Harmonien und Artikulation revolutioniert worden.

Besonders gut sind natürlich immer die Stücke, die sowohl auf der Orgel als auch auf dem Flügel als auch auf dem Cembalo gehen: zum Beispiel Bachs Italienisches Konzert, das perfekte Stück. Und auch am Cembalo kann man Farben einstellen: Vierfuß, Koppeln oder nicht, Manualwechsel.

7. November 2019

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Lutherkirche Leer, Ostfriesland, Ahrend-Orgel von 2002

Die Lutherkirche mit niedriger Decke ist sehr besonders. Die dreimanualige Ahrendorgel thront mit Rosen, Girlanden und Rosengirlanden verziert über allem. Goldene Rosen auf den silbernen Pedalpfeifen an den Seiten! Es gibt Zungen (Trompete, Posaune, die berühmte Ahrend-Spezialität: die fünffach geöffnete Vox Humana), Flöten, die konischen Pfeifen wie Gemshorn 16, Nasard, die Spitzigen, Streicher (eine schöne Gambe), Schwebung und alles, was das Herz begehrt. Die sogenannten Unterscheidlichen. Dazu Vogel und Stern – beides die schönsten Zierdeklänge. Man kann ein wunderschönes Cornett zusammenstellen aus Rohrflöte 8, Spitzflöte 4, Nasard 3, Gemshorn 2 und Terz. Ich glaube, dass man hier sehr wohl auch Muffat spielen kann, da Gambe und Gemshorn wunderschön sind und genau die Farben haben, die man braucht. Außerdem stehen Ahrend-Orgeln auch in Süddeutschland. Farben können Gebiete einnehmen und ändern. 

In jedem Werk eine Mixtur 4-fach. Im Brustwerk ist diese allerdings in separat zu registrierende Reihen zerlegt, wie man das auch in alten italienischen Orgeln findet (dort “Ripieno” genannt). 

Natürlich bin ich wieder in das Innenleben der Orgel geklettert und habe mir die Vox Humana (Zunge) genau angesehen und vorsichtig in Händen gehalten. Die Vox Humana (mit ihren fünf Öffnungen) ist natürlich nicht zu verwechseln mit der Voce Umana oder Piffero (Schwebung).

In der Orgel sieht man die Posaune im Pedal (Holz), den Subbass (Holz, gedackt, mit Stöpsel) im Pedal, die tiefe Hohlflöte aus Holz gedackt mit Stöpsel, ebenso den Bordun aus Holz gedackt mit Stöpsel, und wenn die Hohlflöte höher wird, ist sie aus Metall (zugelötet mit Seitenbärten), immer kleiner werdend; und je höher und kleiner, bekommt sie auch noch ein Rohr. Die schmalen Gamben (Reihe) aus Metall gehen etwas konisch auf.

Auf der anderen Seite die sehr kleinen Pfeifen aus Metall, die kleinen Spitzigen und kleinen Gedeckten: Hier sieht man das Gemshorn (oder Spitzflöte) 4, Nasard 3, Gemshorn 2 und dahinter die kleine Terz (flötig), ganz hinten Rohrflöte 8: ein wunderschönes Cornett (immer aus Flöten): Horn. 

Draußen scheint die Sonne. ps: Sehr empfehlen kann ich: Biofit von Dr. Schaette, wenn einem nach dem Üben die Arme wehtun.

Orgelbau Ahrend Ostfriesland

Die Werkstatt hängt voller Fotos schöner Orgeln (bald ist Jubiläum). Hendrik Ahrend zeigte mir die Pfeifenwerkstatt (Kernstück, Geheimnisse….), die Orgel, die für die Hochschule in Tübingen gebaut wird (man kann diese mitteltönig und wohltemperiert einstellen, Klaviaturteilung auf die Windladenteilung anhand einer Welle, um die Abstrakten dranzuhängen; die Regler gehen hierzu nach rechts und links; eine schöne Jugendstilorgel mit Blattgold-Verzierung) mit schöner Hohlflöte. Eine Orgel mit zwei Stimmsystemen ist eine absolute Ausnahme (nur noch Fisk in den USA und Wegscheider in Ostdeutschland). Realisiert mit 18 Pfeifen statt 12 pro Oktave. Daraus ergibt sich, dass 6 Pfeifen pro Oktave doppelt genutzt werde, also in beiden Stimmsystemen. Es sind im Grunde zwei Orgeln in einer. Der Manualumfang in der Mitteltönigkeit nur bis c3. 

Ich konnte auch die durchschobene Lade sehen, die Ventile gehen zum selben Ton.

Gesellen arbeiteten in einem Nebenraum, in dem es nach Holz duftete. Hier sah ich viele Skizzen und Pläne an den Wänden, die Hendrik mir erklärte, Werkzeug, Poster, auch die Schleifladen, die ausgebreitet dalagen (das Prinzip), die Pfeifen in einem extra Raum – sie sind das Herzstück, hier braucht es Geschick, Ruhe, Erfahrung, Kunst und Klangidee; die breiteren Gedeckte und die schmaleren Quintadena… 

Die Firma liegt in weiter Natur idyllisch inmitten roter Schwedenhäuser und Herbstbäumen.

Ich kann gar nicht genug hören von Klangfarben und Pfeifen und Registern, von den verschiedenen Orgelbewegungen und ihren Zielen, Irrtümern und Motiven, von Wind und Farben. Habe Ideen für neue Pfeifenformen. 

5. November 2019

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St. Marien Leer, Ostfriesland: Ahrend-Brunzema-Orgel

The Red Organ – die wunderschöne, dreimanualige Schleifladen-Orgel in perfekter Akustik, nachträglich bemalt (vorher Holz), besitzt zart-brillante Prinzipale, “spanische Trompeten” und Mixturen, eine Schalmei (Zunge), Bourdon (gedackt), ästhetische, griffige Manubrien, etwa lauten Wind, gold verzierte Prospektpfeifen, schönes Rückpositiv mit den Manubrien direkt hinter mir. Man kann hier ein wunderschönes Cornett (Hornklang) bauen. Leider keine Klarinette, da es keine Streicher gibt. Obwohl doch die Kegellade (ohne Druckpunkt, durchlässig) dem Klavier näher ist, muss ich sagen, dass ich die Schleiflade mit Druckpunkt auch sehr gerne spiele. Ich mag den Widerstand. Zudem ist jede Schleiflade anders; machmal ist der Druckpunkt stark (Maihingen), manchmal sehr leicht (Klais). Man muss auch an der Kegellade (Lenter) den Ton formen, vor allem beim Weggehen. Alles resoniert nun mal anders als beim Klavier. Die Pfeifen dürfen ja nicht einfach nur spucken. Das Cembalo hilft, dieses neue Formen herzustellen und schnell zu switchen.

Konzertlesung Frei wie die Vögel in St. Michael/Hermann Lange-Kirche in Leer, Ostfriesland 

Es war sehr schön, in Leer aus meinem Roman Frei wie die Vögel zu lesen, die kleine zweimanualige Führer-Orgel (ohne 8-Fuß-Prinzipale) war die musikalische Einleitung. Auch Musik mit Gitarre und Flöte rundeten den Abend ab, so dass ich viermal Pause machen konnte in der Lesung und Wasser trinken.

Manchmal ist es schon so, dass man sich dem Publikum ein Stück weit ausliefert. Aber es ist für mich schon “normal” geworden. Auf dem Marktplatz holte ich mir geräucherten Heilbutt, sah den Hafen, fühlte mich ganz wohl im “360-Grad”-Hotel. (Ich freue mich auf meine Hauptwerk-Orgel, die nächste Woche kommt.) Ich beobachte gern die Vögel – so wie daheim, wenn die kleinen Vögelchen und Meisen auf meinem Balkon futtern. Frei wie die Vögel.

Es waren viele Leute da in der Lesung, obwohl es eine solche Art Lesung noch nie dort gab, auch noch lebende Zeitgenossen und Angehörige der Märtyrer saßen im Publikum. Hinterher gab es eine Runde für Fragen und Antworten, ich habe alles von vorn mit Mikrofon beantwortet, der Pfarrer Robben unterstützte. Schön ist die Gedenkstätte der Märytrer und des damaligen Pastor Schniers, der im KZ umgebracht wurde (von ihm schrieb ich auch), und das originale Taufbecken Hermann Langes.

Die Kirche ist nun modern, mit einem wunderschönen Märtyrer-Kreuz in der Mitte. Aber es hält sich mit der Vergangenheit und der Geschichte die Waage, und diese Geschichte ist heilig, das konnte ich deutlich spüren: Denn zwei Männer dieser Kirche haben für die Wahrheit ihr Leben gegeben. Das hat uns alle zum Nachdenken gebracht. Ein Filmteam der Lübecker Märtyrer-Stifung filmte die Lesung und interviewte mich anschließend. Ich soll sehr schön vorgelesen haben, auch wenn es über 90 Minuten ging – und wenn mich etwas begeistert, spreche ich gern darüber leidenschaftlich und frei.