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10. November 2019

Hoffenheim: Romantische, historische Walcker-Orgel (1846)

Ich bin begeistert von dem Denkmal der Frühromantik, der Walcker-Orgel in Hoffenheim (bei Heidelberg). Eine schöne durchlässige Kegelladenorgel von Eberhard Friedrich Walcker in der evangelischen Kirche Hoffenheim (die sogar einen kleinen Flügel besitzt),  opus 62 von 1846 (Restaurierung 2012 von Orgelbau Lenter, Sachsenheim). Sie besitzt eine schöne brüchige, exotische Holzharmonika (offener Streicher aus Holz) im zweiten Manual, die dem Gedackt, Dolce und der Flute d’amour besondere Würze und Helligkeit gibt, und eine Physharmonika mit Windschweller (durchschlagene Zunge) – mit Akkordeon oder Mundharmonika haben beide nichts zu tun. Es geht eher um die Harmonie, um Idealklänge, um neu erfundene, kreative, eigene Instrumente. Besonders die Physharmonika ist eine eigene kleine “Maschine” mit Klangplättchen. Beide sind sehr zart im Klang und im Pianobereich. Sehr schön ist auch die Gambe im ersten Manual. Calcant (Windmotor).

Die Orgel ist ein Wunder. Sie vermittelt einen pianistischen und dynamischen Klang, ihre Klänge und Register blühen nach oben auf und wechseln innerhalb einer Tonleiter von Flöte zu Streicher. Albertibässe sind absolut möglich, wie beim Flügel. Hier ist also der Flügel in der Orgel. Das, was man mir sagte, dass es nicht ginge. Ja, es geht: mit Flöten und Streichern.

Man muss den Anschlag jedoch stets sehr anpassen. Nie zu hart sein. Eher sehr zurückhaltend. Ihre leisen Klänge sind die inspirierenden. Nicht das laute Plenum. Es ist ja eine verhältnismäßig kleine Orgel, zwei Manuale, die Pedalpfeifen versteckt, ohne Schweller, ohne Setzer. Den Holzschweller zur Physharmonika muss man hochklappen, sonst kann man das Pedal drunter nicht mehr gut erwischen.

Liszt B-A-C-H hier zu spielen eine Herausforderung, um nicht zu sagen, sehr schwer. Jede Pfeife, jedes “Pult” muss man im Blick haben, wo was ist, auswendig kennen. Auch, dass das Pedal oben ist. Man braucht zudem sehr fite Registranten auf beiden Seiten und saubere, frische Noten. Warum? Die Registerzüge sind aufgrund der Kegellade komplex, sie machen Lärm, müssen sanft gezogen und eingehängt werden, verhalten sich bei jedem Register anders, und beim Abregistrieren noch mal anders. Zudem müssen sie in einer Art Griff gezogen werden, da man oft 3 oder mehr gleichzeitig braucht. Es ist ganz schön Arbeit. Die Holzharmonika und die Physharmonika (und die Traversflöte) waren ebenfalls Vorbild für die Bossert-Klais-Orgel im Saal Würzburg. Andreas Saage wurde von Christoph Bossert nach Hoffenheim geschickt. Viele kennen Hoffenheim gar nicht, außer vom Fußball. Auch die Orgelfirma Lenter wird von Herrn Bossert unterstützt. Ich muss sagen, dass ich die Lenterorgeln mit Kegellade ebenfalls sehr mag. Sie haben sogar eine labiale Klarinette. An der Walcker-Orgel in Hoffenheim kann man Klarinetten- und Hornklang herstellen – auf kreative Art und Weise. Es ist schön, wenn man Flöten, Streicher, Zungen, Prinzipalchor, Schwebung, konische Pfeifen vorfindet. Die Unterscheidlichen. Die Ehrlich-Orgel in Bad Wimpfen besitzt sogar eine konische Pfeife aus Holz, eine Spitzflöte. Wo sind in heutigen Orgeln solche Besonderheiten?

Wie wichtig Streicher sind, war mir lange nicht bewusst. Bach liebte wohl Gambe und Quintatön. Rieger (aus Österreich) und andere heutige Orgelbauer scheinen oft nicht die exotischen schönen Flöten- und Streicherstimmen mehr zu treffen. Es ist natürlich traurig, dass manche aus der Orgelbewegung meinten oder noch immer irrtümlicherweise meinen, Walcker-Orgeln seien “Fabrik-Orgeln” gewesen. Das ganze Gegenteil ist der Fall. Das Poetische der Orgel ist wichtig, nicht so sehr das Kühle, Professionelle. Den Keysound finden. Früher hatte Walcker Orgeln mit 100 Registern gebaut – alles zerstört.

Die Orgel ist sehr schön geeignet für Brahms, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Ritter, sogar für Bach und Liszt.

Wunderschöne Hoffenheim Orgel Walcker

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