Startseite Nach oben

Schweden

31. Januar 2010

Schlagwörter: , , ,

Kommentar verfassen

Nobelpris 

Allmählich kenne ich mich in Stockholm bestens aus, die Svenska Akademie von 1785, dort, wo die 18 schwedischen Wissenschaftler und Schriftsteller noch immer zusammenkommen und einmal im Jahr den Nobelpreis für Literatur vergeben. Mein Herz klopfte, als wir das alte, holzvertäfelte Gebäude betraten. Von den 18 Schriftstellern waren nur 5 Frauen laut den Fotos innerhalb des Gremiums, und zwei davon kommen nach einem Streit nicht mehr. So etwas macht mich traurig. Der Wissenschaftler Nobel, der herausfand, wie man Dynamit, bzw. TNT bindet, hatte in jungen Jahren bei seinen Experiementen seinen Bruder verloren, der tödlich verunglückte bei einer Explosion. Ich merke, dass wenn man das an etwas dran ist, dann kann man selbst bei höchstem Verlust nicht mehr aufhören, zu suchen.

Traf mich heute mit zwei Sängerinnen, es war schön, sich über das Leben mit Musik, gemeinsamen Projekten, Welt, Glaube und Männern auszutauschen.

11. Januar 2010

Schlagwörter: , , ,

Kommentar verfassen

Nordhelle

Es war eine seltsame Erfahrung, im ‘Elefantentreffen’ (Leitertreffen) von Nordhelle dabei gewesen zu sein. Die Elefanten tragen Verantwortung. Einer sagte, ich wäre ihm vorgekommen wie ein Flamingo, bunt und künstlerisch. Aber ein Flamingo trägt anders, kommt dahin, wo ein Elefant nicht hinkommt, er ist schön, sensibel, kann schwimmen und fliegen, er ist nicht so träge wie ein Elefant. Dennoch bin ich oft sprachlos und entsetzt über den ‘Wald an Männern’, den ich vorfinde, kaum eine Frau.

Spannend fand ich den Persönlichkeitstest für Künstler, und ich bin ENFP, das ist extrovertierte Intuition mit introvertiertem Fühlen (manchmal introvertiertem Denken, das ist dann ENTP). Ich war da etwas hin- und her gerissen zwischen beiden Typen. Der Test hieß MBTI. Die ENFPs oder ENTPs sind schlau, kreativ, phantasievoll, energiegeladen, spontan, begeistert, bestimmend, hinterfragend und neugierig — und normalerweise kooperativ, freundlich, warm und unterstützend. Werden sie aber verletzt, können sie rebellisch, übermäßig nonkonformistisch und frustriert werden. Na, das ist doch erstaunlich. Es gäbe viele berühmte ENFPs und ENTPs. Sie müssen lernen, Intuition, Denken und Fühlen besonders zu entwickeln. Ich kann leider nicht wirklich sagen, ob ich eine Denkerin oder eine Fühlerin bin. Ich bin eine Kämpferin und clever, das spricht wohl für den Denker, aber so viele Dinge treffen ganz klar auf den Fühlmenschen bei mir. Jetzt ist die Frage, wer ich im Kern bin und was antrainiert wurde. Der Denker ist scharfsinnig und kann gut mit Worten umgehen, bei mir ist das Analytische vom Gefühl geprägt. Wenn ich aber darüber nachdenke, bin ich aber wahrscheinlich doch tatsächlich eher der ENTP, der Denker. Daher sind Gefühle für mich oft doch ziemlicher Stress. Manchmal bin ich eindeutig ENFP, der Herzmensch, ich treffe Entscheidungen mit dem Herzen.

Nun fällt mein Geburtstag am 14.2. mitten in das Rad-Treffen. Naja, es ist Sonntag, es ist Fasching, es ist Valentinstag, es ist das Rad. Zwei Tage vor meinem Geburtstag erscheint die neue klassische CD PianoLyrik bei cap-music. Am 16. Januar ist erst mal das CVJM Treffen für die Kreuzfahrt, anschliessend bin ich bei Jonny und seiner Familie in Nürnberg. Ich war noch nie bei der Planung einer Schifffahrt dabei. Hoffentlich werde ich nicht seekrank. Ich kenne bisher nur die Fähren über die Ostsee, in Deutschland und Skandinavien, und die Fähre nach Griechenland. Ich mag Schiffe sehr. Mein Vater spielte regelmäßig auf der MS Europa.

26. Dezember 2009

Schlagwörter: , , , , ,

Kommentar verfassen

Mantorp und Linköping

Mein zweites, schwedisches Gedicht geschrieben.

Leider hat es heute so sehr geschneit, dass wir nicht nach Jönköping fahren konnten. Auch gestern fuhren wir nicht nach Mantorp, da es einfach zu gefährlich war wegen den Schneemassen. Am Montag geht mein Flug zurueck, Göran und Christina fahren mich nach Linköping, und von dort geht der Zug nach Stockholm Arlanda Flughafen. Ich komme etwas zu frueh an. Ich hoffe, dass wir morgen nach Jonköping fahren können, da es mein letzter Tag ist, ich hoffe, dass es nicht mehr schneien wird und die Strassen bis nach Mjölby befahrbar sind. Göran fuhr hinter dem Schneepflug her, und doch war es kaum möglich, zu fahren, nach den Feiertagen kommt die Stadt kaum dazu, den Schnee zu räumen, es werden sogar die Bauern gefragt, zu helfen. Ich habe zuerst den Nachnamen meiner Vorfahren mit Elmgren verwechselt, weil so mein Ururgrossvater hiess, der die Buecher geschrieben hat, aber meine Oma hiess dann Lindblad; die Frau am Telefon half uns sehr, eine Dame der Skattverket oder der Folkbokförring, es hat aber 20 Minuten gedauert.
Ein freundlicher Mann in dem Antiquariat hier in Vadstena versprach, nach weiteren Buechern meines Urgrossvaters Clas Elmgren zu suchen, der ein Missionar in Schweden und ein Prediger war in der evangelischen Kirche in Jönköping. Ich finde es spannend, danach zu suchen und dabei ein schwedisches Gespräch zu fuehren. Heute spielte ich wieder in einer befreundeten Familie Klavier, es war ein seltsames, verstimmtes Klavier, eines, das fast nur aus Tastatur bestand; es lag ein schlafendes Baby daneben, das während der ganzen Goldberg-Variationen nicht aufwachte, aber aufwachte, als ich aufhörte zu spielen. Die Eltern konnten nicht fassen, dass das Baby nicht aufwachte, da es sonst bei jeder Radiomusik sofort aufwacht, und es hatte schon eine Stunde geschlafen. Aber gerade die Goldberg-Variationen sind zur ‘Gemuetsergötzung’ geschrieben worden, auch fuer Laien, und es ist fuer mich eine Ehre, wenn Menschen dabei einschlafen zum Beispiel, also in einen friedlichen, angenehmen Schlaf fallen, dazu ist das Stueck auch gedacht.
Meine Freunde zeigten mir ganz Vadstena, sie kennen fast jeden Menschen dort. Sie zeigten mir das Kloster Vadstena, die Einkaufsstraße, das Schloss von Gustav Vasa, das Archiv, das Antiquariat, ihr Kontur (Büro) in der Stadt, wir besuchten einen schwedischen Männerchor, den Cantuskören — und ein schwedisches Weihnachtsmusical. Trotz allem kam ich ein bisschen zur Ruhe. Die beiden Filme Flickan som lekte med elden und Män som hatar kvinnor habe ich auf schwedisch gesehen und konnte nicht mehr einschlafen.

Das Julklappspel war sehr lustig, auch die schwedischen und englischen Original-Krimis im Fernsehen, wir tranken Wein und Julmust und Skogs Glögg und Milch mit O`Boy und aßen Köttbullar mit Kryddpeppar und Gräddsås, Janssons Frestelse und Sockerkakan med Safran und dem typischen schwedischen Vaniljsocker. Auch Niklas, der Freund von Hannas Schwester Maria, fragte mich, ob ich an Gott glaube, einfach so. Wir aßen Havregrynsgröt, also heiße Haferflocken, gekocht mit Wasser, mit schwedischer Milch, und Filmjölk (Buttermilch mit etwas saurer Milch). Filmjölk ist in jedem Haushalt. Niklas legte sich snus unter die Oberlippe, das ist typisch schwedisch, aber verboten in Deutschland. Die snusdosen liegen im Kühlschrank und sind pro Portion 6x so stark wie eine Zigarette. Viele sind davon abhängig. Ich wollte es unbedingt probieren, aber das Zeug, wohl zurecht gedreht von Niklas, war so scharf in meinem Mund, das ich dachte, ich müsste mich übergeben, ich spuckte es sofort wieder aus, während Niklas lachte. Ihm tat es sicher leid um das schöne snus. Ich hatte noch Stunden später diesen bitteren Geschmack im Mund, der mir alles wegätzen wollte. Niklas hatte jede Stunde neuen snus in seinem Mund.

Vadstena

Ich bin nun in Vadstena, in Östergötland, am gefrorenen Vätternsee. Es schneit noch immer dicke Flocken, aber die Schweden fahren sehr sicher, kein Problem, auf Eis und Schnee zu fahren. Der Kaffee ist so stark hier, dass ich ihn nicht trinken kann, er ist wie Gift, selbst mit Milch und Zucker. Die Julklappar heissen deswegen so, weil Tomte vor langer Zeit geklopft und die Geschenke dann hineingeschmissen haben soll, deswegen heissen die Geschenke nicht Presenter. Jultomte, der schwedische Weihnachtsmann, kam wahrscheinlich von dem schwedischen Troll, oder von dem lieben schwedischen Vätte, den Jenny Nyström eines Tages mit roten Kleidern gemalt haben soll. Santa Claus oder Nikolaus oder Weihnachtsmann…. Morgen werden wir nach Jönköping fahren. Dorther kommen meine schwedischen Wurzeln. Ich bin gespannt, ob wir das ehemalige Haus meiner Oma finden werden. Vielleicht treffen wir meinen Onkel Otto und meine beiden Cousinen. Mein anderer schwedischer Onkel wohnt in Litauen mit meinem Cousin. Jönköping ist ungefähr 2 Stunden entfernt und liegt schon in Småland, dem vielleicht beruehmtesten Teil Schwedens. Vor ungefähr 2 Monaten war ich in Skåne gewesen mit der Uni Würzburg.

In den beiden unteren Teilen Schwedens, Götaland und Svealand, war ich schon, aber noch nie so richtig in Lappland oder in Norrland allgemein, also dem wunderschönen Norden Schwedens. Umeå ist die Partnerstadt Wuerzburgs, dies sei eine sehr moderne, radikale Stadt im Vergleich zum kleinen konservativen Wuerzburg, obwohl Umeå nur 80 000 Einwohner hat. Kein Wunder, dass es fuer Hanna und die anderen schwedischen Erasmus-Studenten und schwedischen Germanisten ein ‘Schock’ war in Wuerzburg. Ich habe einige gute Gespräche gefuehrt mit meinen neuen Freunden hier, an zwei erinnere ich mich besonders, einmal in einem kleinen Coffeehaus in Stockholm, kurz bevor wir nach Norrköping fuhren mit dem Zug, und eines nachts am Fluss von Norrköping, dem Mutala Ström, der von Mutala nach Norrköping fliesst. Die meisten wollen genau wissen, wie mein Erlebnisse waren und denken darueber nach. Ich spuere dann, dass sich die Atmosphäre ändert. Manchmal aber werden Gespräche auch schwer und nehmen eine wilde Wendung. Obwohl ich meist nur einen Bruchteil sage und so vorsichtig ich kann, passiert es doch, dass Menschen im Innersten getroffen sind, vor allem dann, wenn ich ueber mich berichte und dem, was ich gelernt habe. Sie weinen dann manchmal, und ich muss sie umarmen und beruhigen und kann vieles Gefuehl nachvollziehen. Ich habe dabei vor allem ein Herz fuer Kuenstlerinnen und Kämpferinnen, aber auch fuer Kuenstler und Kämpfer.
Der Mutala Ström in Norrköping ist wunderschön gelegen und war von schneebedeckten Bäumen und schweren, vereisten Ästen umgeben; er floss halb erfroren langsam dahin, in den Weihnachtslichtern der Stadt, etwas kleiner als Wuerzburg, badend, mit schwarzen Enten hier und da, und der Weg in tiefem Schnee fuehrte an Lauben und Ausruheplätzen vorbei. Der grosse Göta Kanal fliesst ausserhalb nach Göteborg. Man kann segeln von Stockholm nach Göteborg wegen dem von Baltzar von Platen gegrabenen Kanal und kreuzt den zweitgrössten See, den Vättern, eventuell auch den grössten, den Vänern. In Göteborg war ich noch nie. In Norrköping liegen Teile der Universität von Linköping. Wir besuchten das Arbeitsmuseum von Norrköping; es war sehr interessant zu sehen, wie sich Schweden aus Zeiten der Armut der 30er Jahre zu solch einem schönen Land entwickelt hat. Vor allem die Entwicklung der Frau, ihre Leistungen und Erfindungen wurden gewuerdigt und gelobt. Das tut mir gut. Ich leide noch immer mit der Geschichte der Frau auf dieser Welt. Ein Teil des Museums zeigte auch Fotographie in Suedafrika. Kunst macht Augen. In der Bibliothek des Arbeitsmuseums gab es ein braunes Klavier ohne Namen, auf dem ich spielte. Leute kamen aus ihren Zimmern, setzten sich, sassen am Boden und lasen und hörten zu. Ich habe fuer Schweden gespielt. Hanna sagte, sie findet es schön: Wo immer wir hinkommen, wir finden ein Klavier. Sie ist eine Kuenstlerin aus der Kunstschule, sie schneidet Bilder und schreibt und illustriert Kinderbuecher. Dann kam mein erstes schwedisches Gedicht: Så vackert är Sverige.

Nun bin ich schon ueber eine Woche im tiefverschneiten Schweden. Das Wetter ist mild und trocken. Sogar die Sonne scheint manchmal. Ich verstehe immer besser. Schwedisch kommt mir als Sprache und auch in meinem Gehirn vor, als wuerde Deutsch und Englisch miteinander gemischt worden sein in einem Mixer — und heraus kommt Schwedisch. Ich weiss noch, dass sich manche Deutsche frueher ueber mein Sing Sang Deutsch lustig gemacht haben, aber das Sing Sang kommt von meinem Gehör, in dem das Schwedisch meiner Mutter sitzt, deswegen habe ich als fränkisches Kind in Sueddeutschlnad, in Bayern, kein Fränkisches gesprochen. Im Vergleich ist Schwedisch eine sehr singende Sprache. Das war so auffällig, dass alle dachten, ich käme aus dem Norden. Kann man eine schwedische Fränkin sein?

Die beruehmte Klosterkirche in Vadstena hatte einen alten schwarzen Fluegel, auf dem ich spielte. Vor mir stand der grosse Tannenbaum, der geschmueckte Weihnachtsbaum. In Schweden gibt es hauptsächlich Glitter, was ich schöner finde als Lametta. Ich spielte Bach, und durch die hohe Akustik des Klosters der Heiligen Birgitta zogen die Klänge.

Als wir im Zug gesessen waren nach Frankfurt, habe ich einen alten Mann bettelnd gesehen, wie er durch den Zuggang ging. Seine Nase war kaputt, seine Augen rot, er hinkte. Er tat mir so furchtbar leid, dass ich dachte, mir dreht sich der Magen um. Ich nahm Geld und lief ihm hinterher. Seine Unsicherheit konnte ich körperlich fuehlen. Ich gab ihm das Geld in seine grosse, steife Hand. Dann ging ich auf die Toilette und weinte. Ich war unglaublich versucht, ihm mein komplettes Reisegeld zu geben. Warum habe ich es nicht getan? Ich war betäubt von mir selbst und hatte nur den Wunsch, ihn zu umarmen. Es war aber eigentlich nicht das Geld oder Nichtgeld, was mich bewegte, sondern ich dachte, dieser Mann könnte ich sein. Denn Elend ist meist innerlich.

22. Dezember 2009

Schlagwörter: , , , ,

Kommentar verfassen

Sverige

Nun bin schon vier Tage in Schweden. Es ist eine märchenhafte Kulisse hier, ich bin nun in Norrköping, Berge von Schnee, ich komme mir vor wie in einer weissen Sahara, an einem weissen Strand. Als wir mit dem Flugzeug ueber Stockholm flogen, dachte ich zuerst, da ich muede war und es dunkel, es sei Sand unter mir, warum die Tannenwälder in Sand stehen, bevor ich erkannte, dass es Schnee war. Die weihnachtlichen Lichter der Hauptstadt funkelten uns entgegten. Hanna und ich flogen mit der SAS, da konnte ich auch Meilen sammeln, da die Schwedische Airline mit der Lufthansa kooperiert. In Stockholm fuhren wir dann mit dem beruehmten Arlanda Express in die Innenstadt, in die City.
In Stockholm sind die U-Bahnen so abgeschottet wie in London, aber man kann die Tickets ueber Handy kaufen. Es war unglaublich, meinen roten, in Windeseile gepackten Reisekoffer durch den Schnee zu ziehen. Die Rollen des Koffers weigerten sich. Ich dachte, ich träume, als wir aus der U-Bahn auf die Strassen traten: es war mittlerweile 23 Uhr, die Lichter der Stadt lagen in einem Nebel aus Schneeflocken und Nacht, der Wind bliess uns den Schnee ins Gesicht, links und rechts tuermten sich die Schneeberge, gemischt mit Matsch, Strassendreck und Feuchtigkeit, wir liefen auf der Strasse, da kaum noch Autos fuhren. Ich genoss die Schneeflocken in meinem Gesicht. In Wuerzburg hatte es minus 15 Grad gehabt, als wir losgeflogen sind, es war so kalt in Deutschland wie kaum zuvor, dass mir die Nase einfror auf dem Weg zu meinem Fahrrad, mein Fahrradschloss nicht mehr aufging. Stockholm war nur minus 5 Grad, aber dafuer Schnee ohne Ende. Hanna sagte, so viel Schnee sei Luxus, das sei etwas Besonderes, ich hätte Glueck gehabt. Stockholm oder ganz Suedschweden und Mittelschweden hätten selten so viel Schnee. Auf der anderen Seite liebe ich diese Schneewelt, alles ist in dieses verträumte, ruhige, Geräusche abdeckende Weiss eingetaucht, als wuerde die Stadt den Atem anhalten. Als wir am Ziel ankamen, traf ich auf eine grosse Gruppe junger schwedischer Leute, ab da war es nicht mehr so leicht fuer mich, zu folgen, wenn alle schnell und laut und durcheinander Schwedisch sprechen und lachen. Sprache ist doch fuer mich eine wichtige Sache, ein Geschenk, eine Waffe, ein Schutz. Aber es war auch wichtig, kennenzulernen, wie es ist, ohne diese Sprache zu sein, zuzuhören, ohne Worte und ohne Musik zu sein und doch zu sein. Denn ich bin dennoch Sprache.
Es war eine besondere Gruppe, vegan essende, politisch links orientierte, liberale, teilweise homosexuelle junge Schweden, viele Mädchen feministisch, Tierschuetzerinnen, eher radikal-kuenstlerische, suchende Menschen, gegen Religion und Kirche; ich tauchte ein in eine andere Welt. Es gab gleich eine Kostprobe ihres Essens: brauner Reis mit Kohl, Tofu, Knoblauch, Brokkoli, rote Beete, es schmeckte sehr lecker, etwas scharf. Wasser trinken fast alle hier einfach aus dem Wasserhahn, das ist normal. Viele von diesen jungen Leuten trinken weder Kaffee noch Tee, natuerlich auch keine Milch, essen keinen Käse, keine Butter, sondern alles Soja. Ich dachte, okay, mal sehen, wie das alles so schmeckt.
Ich trinke Berge von Schnee.

Unsere Wohnung im Herzen der Stadt liegt so, dass ich vom Fenster den runden Musikdom sehen konnte, blau angestrahlt, in der Form eines Golfballs, Globen genannt, eines der grössten Stadions fuer Musik und Hockey in Europa, von Schnee und Nebel bedeckt, ähnlich dem Musical Dome in Köln, den ich ja neulich wiedersah (von den Kölnern liebevoll blauer Muellsack genannt), in dem ich leider noch nie war, und den Kölner Weihnachtsmarkt am Dom. Wir gingen spazieren in Gamla Stan, der Altsadt von Stockholm, bis zum Weihnachtsmarkt in Stockholm am Hauptbahnhof. Bei einer Freundin spielte ich Klavier, nachdem wir dort alle zusammen gegessen hatten und es draussen schneite vor den Fenstern. Es war eine wunderschöne Wohnung in der Innenstadt. Zum Schluss spielte ich schwedische Weihnachtslieder, alle sangen.

Lucia und Weihnachten

Singend durch Ikea Würzburg zu laufen als Lucia mit schwedischen Weihnachtsliedern mit dem Chor, das war schon ein Erlebnis. Ich muss sagen, dass ich Lieder wie Stille Nacht noch nie so intensiv gesungen und gefühlt habe wie auf Schwedisch. Es kam mir wie eine Proklamation gegen Nikoläuse und Kommerz vor, oder auch bei Nu tänder tusen juleljus. Bei der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft später beim Julbord, wo ich auch eigene Lieder gesungen habe, spürte ich, wie die süße schwedische Weihnachtsgeschichte mit den Wichteln und Tomtar etwas kollidiert mit der Bibel. Später sagen mir die Leute oft, sie haben eine Gänsehaut bekommen bei meinen Liedern, “obwohl es christliche Texte sind”. Eine junge Schwedin sagte, sie findet es schön, dass ich unkonventionell und anders sei.
Beim schwedischen Weihnachtsessen gab es Rentierfleisch, Elchfleisch, Köttbullar, Janssons Frestelse mit Anjovis, jede Menge Heringssalat, also Sill, Lachs in Wodka eingelegt, schwedischen Schinken mit Soße und weichem, süßen, dunklen, schwedischen Brot, leckeren typischen schwedischen Salat aus Apfel, rote Beete, Zwiebel und Kartoffel, schwedische, salzige Butter Bregott, schwedischen Käse, revbensspjäll, das sind Fleischrippen, Gans, Braunkraut, Blaukraut, Sherry-Sill, Schweinefleisch mit Honig und Soja, Glögg, schwedischen Kaffee, Kanelbullar, Lussekatter mit Safran und Rosinen, Reisbrei mit Obst und noch vieles andere mehr, alles Dinge, aus Schweden mitgebracht wurden. Im Reisbrei, den ich mit nach Hause nahm, hatte ich die berühmte, drin versteckte Mandel, das bedeutet, dass man nächstes Jahr heiratet. Na dann!
Auf dem Markplatz am Weihnachtsmarkt zu singen, war besonders schön für die Kinder, die dachten, dass wir Engel seien. Es blieben sehr viele Menschen stehen und hörten zu. Ich hatte manchmal Sorge, dass im Wind meine Luciakrone mit den Lichtern herunterfällt. Es war ziemlich kalt. Es muss wohl in der Zeitung gestanden sein, da einige Schweden da waren und mitsangen. Es waren sehr viele Kinder mit ihren Eltern insgesamt. Einer hat dann erzählt, wer Lucia war, dass sie sich früh zum Christentum bekannt hatte und getötet wurde.
Am besten gesungen aber haben wir im Matthias-Ehrenfried-Haus. Allerdings tropfte das Wachs der echten Kerzen der schweren Krone auf meine Haare, Augenbrauen und Wangen. Trotzdem war es schön, da alles um uns ganz dunkel war. Himlen hänger sjärntsvart lief besonders gut diesmal. Die Atmosphäre macht’s! Danach spielte ich noch Weihnachtslieder und Bach.

Meine Kaninchen haben die ersten Schneeflocken auch schon erlebt.
Meinen ersten Schnee Winter habe ich vorgestern im Schwarzwald erlebt. Leider war dies um 6 Uhr morgens, als ich vom Studio Beihingen bei Nagold auf den Parkplatz ging, um eilig zurück nach Würzburg zu fahren aufgrund des nächsten Konzertes. Mein Beetle war zugeschneit, die Tür fast zugefroren, der Kofferraum ging nicht auf, ich versuchte irgendwie mit Mantel und Handschuhen, die Scheiben freizubekommen, fuhr nach langsam los auf den serpentinenartigen Straßen abwärts. Immer, wenn ich es warm haben wollte, beschlug meine Frontscheibe, und ich musste wieder umstellen, fröstelnd. Dennoch genoss ich die Schneeflocken. Später auf der Autobahn war im milchigen Licht alles frei und in Ordnung, aber ich war schon spät dran, raste 160 mit meinem kleinen Motor, ich hatte das Gefühl, mein Beetle macht eine Grätsche mittendurch. Aber das Schneiden der klassischen Musik hat viel Spaß gemacht. Es ist aber einfach genauso viel Arbeit wie das Einspielen. Zum Beispiel, dass der Steinway immer wieder mal zwischendurch gestimmt werden muss, lernte ich dazu. Das ist natürlich bei einer Nachtaufnahme eine heikle Sache. Andreas ist der Profi, aber ich muss hören, wo wir sind, wo die Wolken und Bäusche auf dem Display die Musik sind, die wir wollen. Hören ist eine anstrengende Sache, vor allem, wenn man seine eigenen Sachen hört: dennoch unemotional und willig zu bleiben. Als ich im Studio für zwei Stunden ins Gästebett fiel, hörte ich pausenlos Musik, ein Drehen von einer Stelle Klavier im Ohr, vor lauter Hören und Aufnehmen. Aber dann schlief ich in diesem Strudel ein.
Das Schneiden muss man schon mit jemandem machen, den man mag, finde ich, da man gelöst und entspannt hören sollte, konzentriert, aber mit einem Lächeln auf den Lippen.
Aber glücklicherweise habe ich ein gutes Gedächtnis, ich wusste noch 4 Wochen später, wann ich was gespielt hatte. Es ist nicht das Gedächtnis meines Verstandes, sondern das meines Körpers und meiner Seele, wie ich mich wann wo wie gefühlt habe.
Mittendrin fanden wir noch eine Improvisation, die ich einfach so, um mich zu beruhigen, gespielt hatte, um mich wieder zu motivieren gegen 14 Uhr nachmittags nach einer durchgespielten Nacht. Ich nannte sie Nachtgedanke und fand sie schön. Sie wird auf einer der beiden CDs drauf sein.
Das nächste Mal, wenn ich wieder ins Studio fahre, wird es 2010 sein, für die CD, die meine Lieder trägt.

Da ich nun zuerst nach Holland und dann nach Schweden fahre, wird es Januar werden.

10. Dezember 2009

Schlagwörter: , ,

Kommentar verfassen

Lucia

Am Wochenende sind die Lucia-Feierlichkeiten in Würzburg — da die Universitätsstadt Würzburg eine schwedische Partnerstadt hat, nämlich Umeå hoch im Norden, 600 km von Stockholm entfernt, eine noch sehr junge Universitätsstadt, gibt es hier viele, die sich sehr für Schweden begeistern, hauptsächlich deutsche Studenten und Dozenten. Lucia kommt eigentlich aus Sizilien, hat dort das Christentum und Liebe verbreitet und wurde dafür getötet.

Privat und Beruf sind für mich oft eine Einheit. Das Lebenswerk, das ich arbeite, hat oft direkt mit mir zu tun, bin vielleicht ich. Wenn ich nicht glauben würde, dass das, was ich tue, außergewöhnlich ist, warum sollte ich es tun? Es wäre sinnlos und nicht authentisch. Aber genau dieses Denken stört manche Menschen an Künstlern, was ich verstehen kann.

Am 11.12. davor ist wieder Studioaufnahme, ich freue mich.

Schlesien

Es ist schön hier: Ein altes leeres Kloster und seine Ruinen und Säle bei Lubaz, 30 km von Legnica; das Kloster heisst Opactwo Cysterskie. Es soll sehr beruehmt sein. Wir fuhren ueber Chemnitz und Goerlitz nach Liegnitz, alles war bis Breslau einmal deutsch gewesen. 6000 junge Leute, hauptsaechlich Polen, aber auch Deutsche, Oesterreicher, Neuseelaender, Norweger, Amerikaner, Tschechen, Kroaten, Schweizer kommen zusammen, alle Raeume und Wiesen erobert und grosse Zelte aufgebaut haben, um gemeinsam Kunst und Musik zu machen. Ich bin voellig hingerissen, so stelle ich mir ein wenig den Himmel vor. Da sitzen sie alle, malen, jazzen, singen, bauchtanzen, machen Musik, jonglieren, rappen, zeichnen, tanzen, trinken Kaffee, und mittendrin sitze ich und spiele Bach und eigene Songs und Chopin. Im Ausland glaubt man nicht, dass ich Deutsche bin, sie denken sofort an Skandinavien.
Ich genoss die Musik, als wuerde meine Seele an der Zeltwand haengen, als wuerde mein Geist auf meinem Herz liegend die duennen luftigen, gelbgrauen Zeltwaende beruehren.

Das Gefuehl von internationaler Gemeinschaft sensibler Menschen, die suchen, aktiv und leidenschaftlich sind und auf einem Gelaende zusammenkommen und wohnen und essen, und dann gemeinsam singen, erfuellt mich jedes Mal mit Ruehrung, dass das Unsichtbare auf das Sichtbare trifft, und ich kann Unsichtbares sehen und Sichtbares hoeren und fuehlen. Alles nehme ich ueberstark wahr, dass auch meine Haut unter Strom steht. Der juedischen Jazzer Paul Zarecki, der ein weites Herz hat, Bzim, so wie er genannt wird, hat recht: Es gibt c-Moll, und es gibt ein c-Moll-Universum, und ohne Skalen geht es eben nicht. Er sagte mir, ich brauche keine passion, ich brauche patience, und BIBLE sei Basic Instruction Before Leaving Earth. So wie er es aussprach mit seinem Akzent, hoerte es sich fast gleich an. Ich mag Zelte, da ich darin das Gefuehl habe, sowohl drinnen als auch draussen zu sein.

14. Juni 2009

Schlagwörter: , , , ,

Kommentar verfassen

Deutschland

Es war kein Schock, wieder in Deutschland anzukommen, da nach einer Woche Regen in den meisten Teilen Deutschlands, während ich in Korsika war, der Tag, an dem ich am Kölner Flughafen eintraf, der erste sonnige Tag nach sieben Tagen war. Ich wurde abgeholt, meine Mom reiste mit dem Zug nach hause, wir fuhren nach Velbert mit dem Auto, 20 Minuten von Wuppertal und Bochum entfernt, und ich schlief erst einmal ungewollt einige Stunden, am Ziel angekommen. Zwei Wochen Mittelmeer muss sein, sonst ist die Umstellung doch anstrengend, wenn man dort spielt. Das Konzert in Velbert war für mich ein Genuss und nicht so anstrengend wie in Calvi, wo man die Sonne und den Wind noch überall in seinem Körper spürt.
Die FeG Velbert sieht von außen wie eine kleine weiße Villa aus mitten in einer schönen ruhigen Wohngegend. Simone Ramshorn, Bildende Künstlerin, die als Künstlerin im Leitungskreis ist und Leben.live gegründet hat, mich vom RAD Künstlerbewegung her kennt, wo wir beide seit 5 Jahren tätig sind, ich im Bereich Musik, sie im Bereich Bildende Kunst, und eingeladen hat nach Velbert, gestaltete auch den Jugendbereich der FeG innen wunderschön und künstlerisch, zum Beispiel mit Styroporplatten bemalt in Weiß, Acryl in Tönen von hellem Terracotta, feeling aus dem Mittelmeerraum verbreitend, an die Wand geklebt, dass sie wie Gestein wirken an der Wand. Der kleine brandneue schwarze Kawai Stutzflügel, den ich einweihte, klang schön und nicht eng, wie ich (bei einem Stutzflügel) befürchtet hatte. Ich bekam einen riesigen Strauß Pfingstrosen und hellrosa Rosen, die Köpfe haben dick wie Pfirsiche. Die Pfingstrosen, die ihre Farbe ändern.

Nach dem Konzert saßen wir noch gemütlich unter der Marquise von Ramshorns im Garten und tranken Rotwein. Von Korsika war ich leider bereits gewöhnt, Wein (wie Wasser) zu trinken, glücklicherweise meistens Rosé. Freunde waren eingeladen und erzählten von ihren Reisen nach Neapel, Indien, Neuseeland. Für mich ist der Bruch zwischen klassischen Stücken — ich spielte Bach, Chopin, Franck und Haydn — und eigenen Stücken, Songs, die ich singe und spiele, Improvisationen und Lyrik vom Flügel aus gelesen mittlerweile normal geworden. Für viele Menschen aber ist dies ganz neu und sehr überraschend, für beide Seiten: für die Klassiker und auch für die, die sich kaum mit Klassik oder Musik beschäftigen. Morgen sind die Kinder dran. Ich freue mich vor allem über die vielen Kinder, die kommen werden mit Schlagzeug, Querflöte, Bongos, Cachon, Gitarre, auch klassischer Gitarre, und natürlich die kleinen und großen Pianisten. Natürlich bin ich auch gespannt auf Simones Atelier in der Stadt. Es macht mir Freude, zu Kunstwerken Lyrik oder Songs zu schreiben oder dazu frei zu improvisieren wie bei der KunstwerkWoche in Lungern, Schweiz, wo wir als Band spielten. Vielleicht werden wir uns nochmal in Schottland in einem Turm treffen und kreativ sein, abgeschieden vom normalen Leben wie im Künstlerdorf La Pigna bei Calvi.