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16. Juli 2019

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Orgelsommer Rügen – Musiksommer 

Kinden-Orgel in St. Michael Sagard – wunderschöne Orgel! Mit einer Trompete im Oberwerk – und Vorsicht, drei Sperrventile! Ich wohne in Sassnitz direkt am Meer und habe eine Traumaussicht auf den Hafen und die Ostsee, auf die Kutter und Boote und Segler. Das Konzert gestern Abend war sehr schön. Und bald spiele ich in Sassnitz. Es ist doch kaum zu fassen, dass Johann Sebastian Bach im Grunde den Ton h erfunden hat. Das war seine Erfindung, sein Ding. Und dass die Orgel im Grunde den Stereo-Sound erfunden hat. Ach, ich würde Bach so gern einmal fest umarmen. Für alles, was er geleistet hat. Die ICE-Fahrt von Regensburg nach Rügen war eine ziemliche Odyssee. Aber wenigstens hatte ich in den übervollen Ersatz-Zügen immer einen Platz. Ich saß mit im Kleinkind-Abteil, und die Kleinen haben mit mir geflirtet. Während ich schreibe, singen die Möwen. Dies Tag und Nacht. Manchmal wache ich davon auf. Dazu roter Vollmond gestern Abend. Die Seeluft macht angenehm müde. Eine Möwe hat mich auch schon an der Tür besucht. 

Bei manchen Menschen habe ich das Gefühl, deren Gesichter sind seelenverwandt mit meinem. 

 

15. Juli 2019

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Regensburg, Rügen

Das Konzert in St. Wolfgang Regensburg war sehr schön, ein Boston-Flügel; jetzt unterwegs nach Rügen zu den Orgelkonzerten. Die ICEs sind sehr voll. Auffällig ist, dass bei Tische und Stühle verstellen in Kirchgemeinden oft nur Frauen helfen, keine Männer. Aus “Emanzipationsgründen” (?) habe ich eine Flasche Wein bekommen. Am meisten aber freute mich die Schokolade 🙂

Faith is actually sometimes the opposite of performance.

Ich freue mich auf die Konzerte im Ruhrgebiet. Mir fällt auf, dass manche Menschen meinen, es sei vor allem Talent, von Gott, nicht in erster Linie viel Arbeit, als würde man einen Klavierabend oder ein Orgelkonzert mal eben aus dem Ärmel schütteln.

Schwedische Nationalhymne gerade in Deutsch gesetzt:

Du altes, du freies, gebirgsvolles Land,

du leiser und wunderschöner Norden.

Ich grüß dich, so freundlich lädt ein deine Hand:

deine Wiesen sind lieb mir geworden.

Du thronst auf Erinnerung…

14. Juli 2019

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Würzburg – Venedig am Morgen

Heute Klavierabend in Regensburg, dann von dort nach Rügen, Orgelkonzerte. Rügen und Hiddensee erinnern mich an die Fischerdörfer in Norwegen. Ich liebe das Meer.

Eine träge Fliege balancierte auf meinen Tasten herum, während ich übte. Habe ich sie träge gespielt oder war sie ein hartnäckiger Fan?

Herzklopfende Stille, hingehalten. 

Ich bin sehr beeindruckt von Bruder Lorenz.

mein Kindheits-Blüthner mit bauchigen Beinen

Orgel: Spiegelbild der Seele. Technik an der Orgel 

Es ist wichtig, das Pedal wirklich zu hören. Der Bass setzt die Zeit. Das Mass. Durch meine Geschichte bin ich daran gewöhnt, das Helle, Obere als Lead-Voice wahrzunehmen. Der Bass war höchstens der Butler, der den Tee bringen durfte.  Jedoch ist er ein wahrer Gentleman, ein eleganter Diener, der eigentlich der Boss ist, aber gern dienend und tragend ist, wie ein Hirte die hellen Stimmen zusammenhält, zu edel, um sich wichtig zu tun.

Es ist sehr wichtig, ihn wahrzunehmen und zu formen.

Es gibt nicht viele gute Orgelpädagogen. Das Pedalspiel ist zunächst vom Sitz her eine rein pragmatische, sehr körperliche Angelegenheit, die nichts mit Musikalität zu tun hat. Das mag großen Männern nicht so vorkommen, die autodidaktisch Orgel gelernt haben. Aber zunächst mal ist es körperlich ungewohnt, gerade und mittig und nicht zu weit nach hinten zu sitzen und dennoch frei mit den Fußgelenken, mit den Beinen zu sein, gerade außerhalb der Comfort-Zone – ohne ein schwer arbeitender Hampelmann zu werden, oder besser eine kleine Hampelfrau. Das heißt, Bauchmuskeln sind hier angesagt. Was haben Bauchmuskeln mit Musikalität zu tun? Nichts.

Mittig. Ruhig. Fußgelenke. Wissen, was wo wann bewegt wird. Statik. Das stark machen, was noch schwach ist. 

Dann kommt die Musikalität: Die Orgel singt ganz anders als der Flügel. 60 Prozent der Orgelmusik ist wortbezogen. Ganz anders als beim Flügel. Die Orgel spricht. Sie singt sprechend! Der Flügel brilliert. Das geht so bei der Orgel nicht, im Gegenteil,  ist verheerend. Gewisse Vorteile vom Flügel helfen mir bei der Orgel nicht: Virtuose Finger, schnelle Triller (“Sie trillern einfach zu gut”), Überlegato, meine “übergerüstete” Technik, selbst meine Gabe, Obertöne am Flügel hervorzuheben und mit dem Handgelenk Klang zu schaffen – bei der Orgel sinnlos. Nicht nur sinnlos, sondern falsch. Diese unterschiedlichen Parameter muss man ganz genau kennen, die müssen ins Blut übergehen. Ganz pragmatisch. Das Singen an der Orgel erfolgt ganz anders. Es wird auch anders artikuliert.

Es mag widersprüchlich klingen: Auf der einen Seite nicht übergerüstet sein, sondern so wenig wie möglich geben, sich tragen lassen, auf der anderen Seite hoch aufgerüstet in allen Facetten der Artikulation sein, und wissen, wie. Das Ohr allein hilft nicht. Man braucht das ganz pragmatische Handwerkzeug, Zeit und Erfahrung. 

Daher ist das Orgelbüchlein so wichtig. Die Orgel kennt und spricht und verkündet, sie ‘tutet’ und dröhnt nicht.

Bei ihr muss der Ton geschnitten und gelüftet werden, nicht wie beim Flügel möglichst gezogen. Gravierende, faszinierende Unterschiede. Bach wusste dies ganz genau. Er wusste, wie er durch seine introvertierte d-Moll-Triosonate lyrisch seufzen und Ton verpuffen lassen kann, um dennoch eine dramatische Linie zu halten bis zum Höhepunkt. Bei ihm ist nichts wie am Fließ band wie bei Händel, dem Könner (jedoch die Händel-Perahia-CD ist schön). Jede Triosonate Bachs ist anders vom Charakter.

Zudem ist die Orgel imitierend. Sie ist eine sprechend-singende, imitierende, predigende Frau. Vielleicht sogar eine schwarze Frau. Eine mit dem Blues.

Bach ist der Weg zur Orgel. Blues und Bach sind ganz nah. 

12. Juli 2019

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Poesie an der Orgel – meine Seelenverwandte

Die Orgel: She’s like the wind … 

Es ist doch erstaunlich, dass manche Organisten glauben, es ginge hauptsächlich um die Größe der Orgel. Ich finde, ein solches Denken ist das Gegenteil von Musikalität. Natürlich ist es eine Zeitlang sehr spannend und verlockend, die großen und größten Orgeln der Welt zu bestaunen und zu spielen. Aber irgendwann sollte man damit einigermaßen gesättigt sein und nicht dort stehenbleiben. Dann geht es schließlich wieder um die Musik. Hierbei geht es um den schöpferischen Klangwillen. Dabei ist die Größe der Orgel nicht entscheidend. Darum geht es nicht.

Bachs Trio-Sonaten haben mit “der Größe der Orgel” nichts zu tun. Auch nicht mit “raffinierten” Setzeranlagen oder “geschickten” Registerkombinationen oder einem “Maschinendenken”. Immer neue Gebilde entwachsen aus den Triosonaten, Vereinigungen, Einheiten. Hier muss man einfach sehr gut spielen können, gut hören, musikalisch sein. Durch nichts wird der Mangel hier “verdeckt” oder kompensiert.

She’s taking me to moonlight, only to burn me with the sun…

Natürlich muss man sich auch mit der Wucht und der Größe einer Orgel und ihrer enormen Komplexität identifizieren. Das tue ich. Ich habe oft das Gefühl, die Orgel ist mir sehr ähnlich: komplex, variierend, voller Power und Schönheit, in gewisser Weise geheimnisvoll, überbordend, sowohl introvertiert wie auch extrovertiert, gewaltig. Dennoch ist – und ich habe oft das Gefühl, danach lechzt die Orgel – der sanfte, lyrische, virtuose, pianistische, kammermusikalische Zugang sehr wichtig, die Poesie an der Orgel, das Weibliche.

Manche meinen, je größer und komplexer die Orgel ist, desto männlicher wäre sie. Ganz im Gegenteil. Frauen sind ja nun eindeutig wesentlich komplexer als Männer und auch viel runder :).

Einige traditionelle Kirchenmusiker blocken, wenn es um Organistinnen geht, tun sich selbst aber keinen Gefallen damit: Es geht um die Zukunft der Orgel.

She’s taking me to moonlight, only to burn me with the sun…

Die Orgel ist wie eine Freundin, eine Seelenverwandte für mich. Der Flügel ist wie ein scheuer, brillanter Liebhaber, ein Lover, oder besser, wie ein Ehemann, die Orgel wie meine große Schwester.

Sie ist eine sprechend-singende, imitierende Verkündigerin.

Im August wird meine neue Bach-CD bei Hänssler Classic im Saarländischen Rundfunk vorgestellt: am 6.8. um 11.20.