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Schwedische Orgelmusik

29. Februar 2020

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Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand. (Blaise Pascal)

Es ist ja eigentlich seltsam, dass manche meinen, es sei schwer, beides, Orgel und Klavier, gut unterzubringen. Nun, zeitlich sicher. Aber war nicht auch Marcel Dupré Pianist gewesen, Organist und Komponist? Natürlich lernt man erst mit der Zeit, welche Orgel und welche Klänge zu welchem Stück passen. Aber noch später kommt man, wie ich hörte, dahin, dass man gerade das, was traditionell nicht passt, passend macht oder gerade deswegen schön findet, weil es anders und nicht-traditionell ist – ich habe sozusagen das Normale übersprungen und bin schon dort :).

Was mir auffällt: Viele Organisten sind eher gemütlich, eher langsam und haben es gern gemütlich. Ich komme mir vor wie ein Rennwagen, der mit 250 um die Ecke schießt, oder ein Rennpferd, und die Organisten springen empört zur Seite. Anfangs hat mich das irritiert, dieses Langsame. Ich scharrte mit den Hufen. Aber jetzt merke ich, dass es mir und meinem Spiel gut tut, wenn etwas Ruhiges hineinkommt. Wie wichtig das für mich ist. Ich bin dankbar für die geduldige Ruhe, die manche ausstrahlen, immer wieder – es erreicht mich seltsamerweise vor allem zuerst durch die Ohren – ich muss es hören, dass das Ruhige anders klingt. Ich bin ein Sample-Set, ein Schwamm, ein Spiegel, ein Stempelkissen.

Ich habe ein neues Stück an der Orgel kreiert: Tempelruf. Eigentlich krass, ein Muezzin auf der Orgel. Aber ich meine es eigentlich anders: Ich meine ein jüdisches Tempelgebet.

Empfehlen kann ich (bin dort neu) Pipes and Posts – eine Community für Organistinnen, MusikerInnen und Liebhaber der Musik.

Am Sonntag um 18 Uhr ist mein Konzert in Heiligkreuz Würzburg.

Anbei das neue Video vom SR-Sendesaal Saabrücken: Beethoven “Für Elise”.

Sich des Lebens zu freuen, ist die beste Kosmetik. (Rosalind Russell)

Es war spannend, die wunderschöne, dreimanualige Walcker-Schuke-Orgel in der evangelischen Versöhnungskirche Völklingen/Saarbrücken an der Saar zu spielen, eine der klangvollsten Orgeln, die ich bisher kennengelernt habe. Die Kirche hat eine edle, hohe, oval wirkende Decke durch ein majestätisches Deckengemälde “über die Siegkraft des Evangeliums”, die Kirche ist jedoch oben nicht rund, es scheint nur so. Die unten thronende Orgel mit den ca. 55 Registern und den Löwenköpfen ist optisch sehr ansprechend angelegt. Ich liebe die Farben dieser Orgel und das Rückpositiv. Man kann hier alles spielen, Bach, Liszt, Neue Musik… Ich war von Anfang an eine Verehrerin von Walcker und Schuke. Hier in dieser Orgel von 1930 findet man beide Künstler vereint.

Man ist ab hier ganz nah an der Grenze zu Frankreich, ganz nah an Forbach. Überall gibt es schon französische Bäckereien und französische Lidls. Es gibt auch das Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Es ist interessant, Industrie als Kultur zu bezeichnen, und Saarstahl. Am Anfang, als ich das Wort Hütte ständig im Gespräch mit mir hörte, dachte ich, es wäre ein Slang, der hier für Haus verwendet wird, nach dem Motto Bude. Vielleicht fehlt es mir trotz meiner Reisen doch an Weltgewandtheit für andere Dinge als Musik. Onkel Toms Hütte? Oder Die Hütte, in der Gott eine schwarze Frau ist?

Die Saar fließt in die Mosel. Ich wurde dann ins französische Forbach gebracht. Dort gibt es in der großen, gotischen katholischen Kirche Eglise Saint Remi eine beeindruckende monumentale Orgel mit ca. 60 Registern, über 3000 Pfeifen und vier Manualen, eine Haerpfer-Orgel. Sie thront ganz weit oben, klingt mächtig ins Kirchenschiff hinein und besitzt im Prospekt viele Kupferpfeifen. Hier klingt vor allem französische Musik gut, französische Romantik und französischer Barock. Mozart und Bach eher weniger. Es war spannend, sie zu spielen, denn sie hat heftige spanische Trompeten und andere (scharfe) Zungen, als hätte man eine Ladung Chili in die Orgel gekippt. Die 32-Füße und eben dieses Chamade-Register machen die Orgel ohrenbetäubend laut. Mein erster kleiner, musikalischer Auslands-Ausflug 2020.

Das kleine Saarland ist eine beeindruckende Orgellandschaft. “Gehst du an einer Kirche vorbei und hörst du Orgel darin spielen, so gehe hinein und höre zu. Wird es dir gar so wohl, dich selbst auf die Orgelbank setzen zu dürfen, so versuche deine kleinen Finger und staune vor der Allgewalt der Musik” (Robert Schumann).

Außerdem kann man hier wunderbar shoppen, obwohl ich nun wirklich kein Shopping-Typ bin. Aber mir wurden zwei besondere Läden schmackhaft gemacht, die es sonst nicht gibt, süße Läden alle rund um den St. Johanner Markt, dort habe ich mir in YaaYaa einen Samtschal von Monk & Anna gekauft, eine Stola, weich, in einem rauchigen hellen, etwas glitzernden Blau. Ein Blau, das sehr gut zu meinen Augen passt. Die Stola kann man sehr gut an der Orgel in Konzerten tragen, wenn es kalt ist. Es gibt Schalbinde-Apps auf dem Handy. Und man kann sich hineinkuscheln. Es gibt Leute, die behaupten, dass ich mich gern “verstecke”, hinter meinen langen Haaren oder in langen Ärmeln und Pulswärmern und daheim mit Kissen – und dieser Schal eignet sich ebenfalls hervorragend. Und warum sollte man sich nicht vor dieser Welt ein- und wegkuscheln?

Außerdem kaufte ich mir ein neues schwarzes Konzertkleid, zart-glitzernd, und ein rotes Tüll-Jäckchen von der israelischen Designerin Alembika in Autre Chose. Ich wurde sehr liebevoll von allen Seiten beraten und bekam am Ende dazu eine schöne grüne Tasche. Ich liebe zwar mein altes Samtkleid aus den USA, das ich auf allen Konzerten trage. Aber…

Essen waren wir im Luuc in der Türkenstrasse und in der Kartoffel, in der es typisch saarländische Kartoffelgerichte gibt, aber auch Lachsauflauf, den ich genommen habe. Es gab auch leckere Waffeln mit Mascarponecreme. Das Saarländisch ist ein lustiger Dialekt.

Es hat Spaß gemacht, die Mittagsmusik mit Mozart an der großen Beckerath-Orgel in der Ludwigskirche (1762-1775  von Stengel erbaut) zu spielen. Danach waren einige Kinder oben an der Orgel, denen vor allem mein eigenes Werk gut gefallen hat. Sie haben in Snö (Schnee) ein Stück gehört, in dem sie sie eine Maus erkannt haben, die in der Orgel herumgelaufen ist. 🙂 Die Erwachsenen haben den Schnee gehört, sie sagten, sie hätten “das weiße Rauschen” und das Nordlicht erkannt, und wie unterschiedlich Schnee fallen kann und dass Schnee unterschiedliche Temperaturen hat. Das hat mir sehr gefallen. Das Stück ist eine Kompensation dafür, dass wir leider keinen Schnee mehr haben.

Danach waren wir auf dem Markt hinter der Ludwigskirche, auf dem ich zum ersten Mal saarländischen Mispelbrand probiert habe (ich konnte ihn nicht trinken, schon gar nicht “kippen”) und Bliesgau (Kirschbrand), der schon besser geschmeckt hat, da er süßer war. Der Mispelbrand wird aus Riesenmispeln hergestellt, erklärte man mir, und diese würde man “Hundsärsch” nennen. Es gab auf dem Markt aber auch Eier, Wurst, Obst, Oliven… Es gibt auch ein Restaurant in Saarbrücken, das eine englische Karte hat, in der bestimmter Wein als “furzdry” angekündigt wird (=furztrocken).

Es war natürlich auch sehr schön, in der Basilika St. Johann direkt am Johanner Markt die herrliche, fünfmanualige romantische Mayer-Orgel zu spielen. Sie hat ganz besondere Solostimmen, man kann unzählige Farbkombinationen zusammenstellen, und besonders Spaß macht es, Register zusammenzuziehen, die eigentlich nicht zusammengehören. Man kann hier wundervoll ausprobieren und improvisieren. Allein die vielen zarten Vierfüße, die es gibt… auf jedem Manual mindestens einen. Wenn ich eine neue Orgel kennenlerne, probiere ich momentan immer erst Mozarts Flötenuhr mit den Vierfüßen und arbeite mich von dort nach außen. Anhand der Vierfüße kann ich sofort erkennen, “wie die Orgel klingt und tickt”. Wir waren auch kurz in der Schlosskirche und in der schönen HfM und in der Musikschule. Es gibt noch einige tolle Orgeln, die hier kennenzulernen sind, die englische Orgel und die Orgel in St. Michael, der Silbermann-Nachbau in Forbach, den der Niederländer Koopmann einweihte, die Kuhn-Orgel in St. Arnual… Der Tourblog hilft mir, meine Gefühle und Erinnerungen zu reorganisieren für einen Gesamtsinn im Leben. Vermummen und ein-igeln und doch öffentlich sein, das ist kein leichter Gegensatz. Sind Menschen nicht etwas verrückt?

Das Saarland ist eine Erfahrung. Ich habe dort vor langer Zeit schon mal gespielt, jedoch war ich noch keine intensive Woche dort, und kenne nun mehr Orgeln und Kirchen als die meisten Saarbrücker. Interessant sind auch die Kompositionen von Theo Brandmüller.

Die Orgelpfeifen brauchen den Luftstrom genauso wie die Welt den Geist Gottes. Die Orgel steht zwischen Himmel und Erde wie wir.

2. Januar 2020

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Eisberg

Jede Gabe ist eine Aufgabe. (Käthe Kollwitz)

Tun. Loslassen. Aufgeben. Machen. Opfern. Erarbeiten. Angehen. 

Die Konzerte sind schön gewesen, wenn auch das Instrument einmal etwas bedenklich war. Silvester war lecker gewesen, ich liebe französischen Raclettekäse. Ich denke, man muss die Pfännchen oben und unten mit Käse belegen und dazwischen Gemüse legen. Das Wetter war wunderschön, neblig, sonnig, rötlich, farbig. Meine ersten Tasten 2020 waren im Konzert. Durch die Rhön zu fahren war herrlich. 

Empfehlen kann ich heute den berührenden Film Die Wildente (The Daugther), ein Drama nach einem skandinavischen Theaterstück von Ibsen.

Oft komme ich mir wie ein Eisberg vor: Die Spitze lugt hervor, aber der mächtige Eisberg ist unter Wasser. Ich versuche manchmal, ihn zu verbergen und zu tarnen. Aber gerade dadurch wird er noch mächtiger, wenn er dann gegen meinen Willen doch entdeckt und auf ihn gestoßen wird. Ich werde nicht erst ein Eisberg, da ist er schon. Ich komme mir vor wie ein Eisbrecher, der durch dickes Eis fährt, ein Kursschiff, mit festem Ziel, durchs Eis, eine Grenzgängerin, eine Tabubrecherin. Wie kann ein Eisberg ein Eisbrecher sein? Das Umfeld der Orgel ist in vieler Hinsicht Konservatismus. Die Welt der Pianisten, von denen ich komme, ist und war nie so konservativ. Introvertiert ja, aber nicht konservativ. Aber ich mache mir selbst Mut. Ohne Verpflichtung der Frauenquote hätten viele Führungsgilden von Firmen niemals freiwillig Frauen an der Spitze zugelassen. Es gibt zwar keine Frauenquoten an der Orgel. Aber es gibt Eisbrecher. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die keine anderen Frauen wollen oder die die einzige sein und bleiben wollen. Ich will viele andere Frauen. Wir leben nicht mehr im Neandertal. Es können sicher Heerscharen von Menschen bestätigen, dass ich nicht die Bescheidenste bin, aber es ist ein Irrglaube, den Frauen bis heute haben: durch Bescheidenheit und durch Opfer, durch Zurücknehmen und Bravsein von Männern entdeckt zu  werden. Männer entdecken Männer, aber nicht Frauen. Daher: Volle Kraft voraus! 

19. Dezember 2019

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Musikalischer Impuls 12:

Mozart und Bach

Der Applaus hilft oft nicht weiter, sondern nur noch die Stille in unserem Herzen. 

Wichtig ist es, respektvolle und kluge Mentoren, Begleiter und Supervisoren zu haben, jedoch auch, den eigenen Weg zu finden und zu gehen, nicht auf andere zu hören. Hier die richtige Balance im Leben zu finden, ist nicht leicht, denn beides ist notwendig. Und im geschützten Raum lernen und Fehler machen, Schwächen zeigen zu dürfen. Jeder kommt aus einem anderen Hintergrund. Das Spannende ist gerade der Lernprozess: Erst ist Null, dann Eins, dann Zwei, dann wieder Null, dann Zweieinhalb usw. Was gibst es Spannenderes als das durchzustehen?

Man muss nie aufhören zu lernen. Wir lernen nicht nur für die hundert Jahre hier auf der Erde. Wir lernen für die Ewigkeit. Wir lernen nicht für Geld. Geld wiegt kein Lernen auf. Wir lernen auch nicht, um aufzuhören, zu lernen. 

Ich freue mich auf die Beethoven-Konzerte “Jänner” mit dem Wiener Dirigenten Azis. Und Mozart und Bach an der Orgel

J.S. Bach lief nicht der Mode nach. Man kann die Mode sowieso nicht einholen. Im Gegenteil, Bach wartete, bis die Mode ihn einholte. Es gibt ja geradezu einen Bach-Hype hier und da. Man kann an Mozarts Leben den gravierenden Unterschied zu Bach sehen: Der eine, J.S., auf sich gestellt, allein, auf Gott geworfen, ohne besondere Anerkennung, wachsend in der Stille bis zur Reife; der andere, Amadé, von seinem Vater prostituiert und verwirrt, auf Anerkennung geeicht, auf Mode, Geld, Geschmack, Seifenblasen und bis zum Schluss auf Gefallen bei Menschen und Vorgesetzten; immer auf der Straße. Bach wollte Gott gefallen; Mozart seinem Vater und dem verwöhnten Adel und deren Wunsch nach Zerstreuung. Mozart spielte nach den Spielregeln anderer, hat an die Gesellschaft, dem Vorteil und an Menschen seine Seele verkauft. Bach war kein Balancekünstler. 

Dies alles ist auch in der Musik. Dennoch liebe ich beide Musik. Helle hohe Musik. Besonders am Ende des Lebens beider Künstler ist gut zu erkennen, wem sie dienten. Manchmal ist unmöglich, beiden “Herren” gleichzeitig zu dienen: Menschen und Gott.  

Beethoven, Mozart, Bach. Diese drei gerade in meinem Leben. 

24. November 2019

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Orgelbewegung und Orgelbau

Ob modernen Orgelbau oder historische Orgeln, ich freue mich, daß nicht alle Orgeln gleich sind. Die (Orgel-) Welt ist bunt. Orgelbau sollte insgesamt nicht zu technisch sein in meinen Augen, nicht so viele Kabel-Kunststoffe allgemein, manche Künstler wollen diese weder anschauen, fühlen, riechen noch damit arbeiten, da Kunststoffe Teil einer nach vergleichsweise wenigen Jahren abgängigen Apparatur sind, siehe Computer oder Auto. Der historische Orgelbau bietet in dieser Hinsicht Schönes.

Ich lese viel über die Orgelbewegung. Einen solchen (heftigen) Diskurs (bis heute) gibt es in der Klavierwelt nicht. Eine Orgel muss also immer “bachfähig” sein … ? Daher die Verstümmelung etlicher historischer Orgeln. Eine Schande! Interessant und Hauptkritikpunkt sind für mich die Verlogenheit bzw. Ahnungslosigkeit, mit der die Maßnahmen und Behauptungen begründet und wertvolle Orgelwerke zum Abschuß freigegeben wurden – stets in Begleitung eloquenter Lobhudelei auf alte Instrumente. Diese Zerstörung hat besonders die wunderschönen Walcker-Orgeln getroffen, wenn sie nicht schon durch den Krieg zerstört wurden. Unfassbar, wie Deutschland blind für seine eigenen Künstler war/ist! Walcker war keine Fabrikorgel! Ich liebe romantische Orgeln. Warum sollten diese nicht bachfähig sein? Es ist, als würde man Bach nicht auf einem Flügel erlauben. Ich liebe auch Barockorgeln und neue barocke Orgeln, die in der Barockzeit wurzeln, in der es keine Schwellwerke gab, allenfalls in Spanien. Ich liebe Orgeln mit und ohne Schweller; ich bin in keinem Fahrwasser verhaftet und eingesperrt.

Schöne Einzelstimmen und ein edel glänzendes Plenum sind mir wichtig.

Bei der Registrierung muss man ohnehin auf den Klang, nicht nur auf den Namen des Registerzuges achten: Zum Beispiel kann ein Doppelkegel-Regal etwas sein, das man dann eben “Vox Humana” anstatt “Basson” nennt (was unpraktisch wäre, wenn man noch ein weiteres Register gleichen Namens in der Orgel hätte). In der Herbst-Orgel in Lahm/Itzgrund gibt es ein solches Register, bei dem die Doppelkegel bis zu 1 m lange konische Schäfte haben. Die V. H. findet man in dieser Form in der Schnitger-Orgel zu Hamburg/St. Jacobi. Interessant ist, dass sowohl Mixturenchöre als auch Zungen spitzig sein können.

Das “Nashorn” in Dornum ist übrigens ein Nazard. Die Orgel in der Lutherkirche Leer hat in jedem Werk eine Mixtur 4-fach. Im Brustwerk ist diese allerdings in separat zu registrierende Reihen zerlegt, wie man das auch in alten italienischen Orgeln findet (dort “Ripieno” genannt).

Die 5-Loch-Humana ist Ahrends Spezial-Erfindung. Die anderen Zungen in der Lutherkirche Leer (im Hinterwerk) sind das Fagott 16’ (eine Art Dulzian) und der Basson 8′. Letzteres ist in dieser Form eine Eigenentwicklung Jürgen Ahrends, inspiriert von verschiedenen historischen Zungen, die nicht aus der Silbermann-Schule kommen, trotz des französischen Namens. (Gottfried Silbermann (Silbermanns Zunge Chalumeau), der später sich später in Freiberg/Sachsen (woher auch seine Familie stammte) niederließ, ging bei seinem älteren Bruder Andreas in Straßbourg in die Lehre und lernte dort den französischen Orgelbau kennen.)

Joseph Gabler aus Ochsenhausen (heutiges Baden-Württemberg) stand ebenfalls nicht Pate für Ahrends Zungen. (Gabler wurde durch zwei prächtige Orgeln bekannt, Weingarten und Ochsenhausen. Dabei gibt es eine Anekdote über eine besondere Vox Humana und die Gabler Hautbois aus seiner Hand.) Zum Einen gibt es ja – wenn man so will – “spitzig”, also scharf klingende Pfeifen (sowohl labiale als auch linguale), zum anderen kann “spitz” ja die Form des Pfeifenkörpers beschreiben. Das finden wir sowohl bei Labialen (Flöten: Spitzflöte, Spillflöte, Spitzgedackt, Gemshorn, Hohlflöte, Waldflöte; Streicher: Gambe) als auch bei Lingualen (barockes Krummhorn, Vox Humana, Barpfeife, also sog. “Doppelkegelregale”). Der Phantasie ist ja da ohnehin keine Grenze gesetzt. Auch umgekehrt spitz, d. h. trichter-/dolkanförmig, können sowohl Labiale (Schweizerpfeife, Gambe, seltener: Oktave 4’) als auch Linguale (Trompete, Posaune, Trichterregal) sein. Um einen besseren Überblick zu erhalten, und nachdem Weihnachten vor der Tür steht, darf ich das Buch von Roland Eberlein (Orgelregister) warm empfehlen. Registernamen sind nämlich nicht patentiert, so daß man viele Register an unterschiedlichen Orten und zu verschiedenen Epochen mit verschiedenen Namen findet; nach Shakespeare, “What’s in a name?”.

“Spitzig” kann also den Klang meinen, während andere “spitzig” für “konisch” verwenden. Ich sage lieber konisch für Formen und spitzig für Klang.

3. November 2019

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Grosse Kirche Leer, Ostfriesland: größte, prachtvolle Stadtorgel Ostfrieslands

Die wunderschön restaurierte (historische) weiße, dreimanualige Orgel (Ahrend Hendrik und sein Vater Jürgen) mit den zwei Rückpositiven rechts und links besitzt sehr schöne Zungenstimmen, besonders die kleinen pfiffigen Regale, tragende und zart-brillante Prinzipale – und edel und gebildet präsentiert sie sich, so dass man unbedingt auf ihr spielen möchte. Die Decke der Kirche ist dunkelgrün und spiegelt sich bei schrägem Sonnenlicht auf den Zinnprospektpfeifen wider. Die gesamte Kirche ist dem Altar, also dem Word Gottes zugerichtet. Dieser leuchtete uns weiß-rot im Abendlicht an, als wir eintraten. Ostfriesland ist mit seinen roten Steinen überall ohnehin so wunderschön und reich. Ich liebe die norddeutsche Orgelwelt. Und die süddeutsche auch. Muffat passt hier nicht her in die ostfriesische Luft vielleicht, aber Bruhns, Buxtehude.

Diese große und dennoch zarte Orgel (Schleiflade, Druckpunkt, mechanische Traktur) wirkt wie aus einem Märchen und besitzt wunderschöne Quintadena. Hendrik zeigte mir auch die Orgel von innen, auch die Bälge. Besonders interessant waren der Tremulant im zweiten Stock (Oberwerk) und die großen Holzpfeifen im ersten Stock (Hauptwerk). Die Leiter waren weniger gefährlich als in Wolfenbüttel an der Schukeorgel. Ich traute mich langsam etwas weiter hinauf. Die beiden Positive waren ebenfalls schön, von innen zu sehen, die schönen zugelöteten Pfeifen und ihre Seitenbärte. Das Rückpositiv links ist fest mit dem ersten Manual verbunden, das rechte kann mit dem dritten Manual gespielt werden, wenn das Oberwerk über ein Ventil vom Wind getrennt wird. Beide Positive haben wunderschöne Gedeckte und Flöten. Wunderschönes Crumhorn und Sordun im linken Positiv. Die Schönen schwarzen Registerknöpfe (Manubrien) erinnern mich an die Stellwagenorgel St. Katharinen Hamburg (für mich Bach-Orgel).

Der Wind ist ganz leise, der Windrücken flach.

Bellingwolde-Stimmung (Vorbild Schnitger-Orgel in Bellingwolde). Schönes Dulzian (Fagottklang).

30. Oktober 2019

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Konzert 30 Jahre Sauer-Orgel Thüringen

Baujahr 1989, Konzertsaal-Akustik, wunderschöne Wand- und Deckenbemalung, St. Salvatore Hermsdorf-Klosterlausnitz; Krummhorn, Flöten. Presse Ostthüringer Zeitung. Ich liebe alle Tasteninstrumente, auch Cembalo und Clavichord, Spinett und Hammerflügel. Ich freue mich, in den Museen Hamburgs Musik auf diesen Instrumenten anzubieten; es gibt dort so viele wunderschöne Instrumente: kostbare Spinette um 1710 aus Frankreich, Cembali um 1630, um 1730, Paris 1787; niederländische, englische und italienische Cembali, üppig verzierte und geschnitzte Gestelle… auch Virginale, ein Spinetto, ein Claviorganum, ein gebundenes Clavichord…

Sehr gefallen haben mir die Kunstwerke in der Kunsthalle Hamburgs: Monet 1902, Monet 1880, Boudin 1893, Rembrandt 1649, Dorothea Metzle-Johannsen 1919, Klee, Kandinsky – leider aber sehr männerlästig, das ganze Haus.

Es ist lustig, wenn man von Hamburg aus nach Buxtehude fährt. 🙂

Zur Entspannung höre ich gern Krimis von Jeffery Deaver.

26. Oktober 2019

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Wiegleb-Orgel St. Gumbertus, Bachorgel Ansbach

Wir parkten auf dem Johann-Sebastian-Bach-Platz und gingen zur Orgel. Diese wunderschöne dreimanualige, mitteldeutsche Orgel von 1739 (in der Zeit schrieb J.S. Bach seine Clavierübung III) mit langen Registern  und Goldknöpfen, eine Fürstinnen-Orgel, Schleiflade mit Druckpunkt, eine Crescendo-Orgel, einem Schweller, der am Boden langzieht in der Form eines Bügeleisens, HW unten, OW in der Mitte, OW oben, steht also in Ansbach in der evangelischen Kirche St. Gumbertus, der ehemaligen Hofkirche. Die mächtige Barockorgel mit 45 Registern stammt aus der Tradition der Thüringer Bachfamilie (Erfurt, Arnstadt), die mit Orgelbau auch in den Süden gegangen ist. Lange Zeit stand dann später eine schöne Steinmeyerorgel hinter der Wiegleb-Fassade, bis diese wieder neu konstruiert wurde und die Steinmeyer-Orgel entfernt. Es gab hierzu einen langen Krieg. Nun ist die Wiegleb-Orgel wieder da, und sie ist sehr schön, die vielen edeln Achtfüße sind ein Genuss, und man kann diese auch sehr schön kombinieren, immer wieder Neues ausprobieren mit Flöten, Streichern (Gambe, Salicional) und Zungen: Sogar die Vox Humana blökt fürstlich.

Schön finde ich, wenn Orgeln keine grellen Mixturen und Labiale (besonders Prinzipale) hat. Oder wenn man dann zumindest in delikate prinzipalische Stimmen ausweichen kann wie hier, da es viele Achtfüße gibt, eine schöne Zimbel, auch eine Quintatön 16-Fuß im OW und einen 32-Fuß im Pedal, wie ihn auch Bach hatte. Ich liebe es, wenn man Bach mit 32-Fuß spielt und wenn eine Orgel vom Tenor aufgebaut ist, nicht vom Diskant her, der sonst nur klingelt und zu dominant ist, so dass man die Mittelstimmen gar nicht mehr hört. Ich mag es nicht, wenn das Pedal zu dünn oder zu schwach ist.

Je weniger man koppeln muss, desto freier ist man, wird nicht beschränkt. Leider ist obligates Pedalspiel in Ansbach durch das Durchgekoppelte der Pedalkoppel erschwert. Normalerweise sollte sie nur mit dem ersten Manuel koppeln. Wichtig sind auch Transmissionen, die Verbindungen ohne Koppeln zulassen, so dass beispielsweise Klarinette, Traversflöte und Salicional auch in einem anderen Manual erklingen können, ohne dass man koppeln muss – wie Lenter-Orgeln sie oft haben.

Auch hier tauchte ich wieder ein bis zum Druckpunkt; so kann auch ohne ständigen Registerwechsel das Spiel lebendig und dynamisch sein. In Maihingen war nicht jeder Ton equalized, so dass allein dies schon den Ton schwingen lässt.

1. September 2019

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Schlosskapelle Solitude Stuttgart, Mühleisen Orgel

Vom Pferdesattel an die Orgelbank: Es war sehr schön, gestern wieder einmal auf Schloss Solitude zu sein. Mein drittes Mal. Diesmal mit Schlossführung, einer schönen Hochzeitsfeier mit Würzburger Streichquartett in der Solitude Gastronomie, und vor allem habe ich auf der Hochzeitszeremonie in der Schlosskapelle die schöne weiße, zweimanualige Orgel (mit Musiziergedackt und Transponierzug) und den wunderschönen Zungen gespielt.

Nun ist es schon September.

Sehr gern würde ich einmal an der Orgel in der Liederhalle spielen.

Während der Feier sagte eine Dame aus Cameroon zu mir, sie sei sich sicher, afrikanische Tänze in Bachs Musik und Rhythmus wiederzukennen. Ob hier eine Verbindung bestanden hätte? Ich fand diese Frage sehr spannend. Sie sagte zudem, dass unterschiedliche Länder am Meer oft gleiche Rhythmen und Melodien hätten, die, die das Meer widerspiegeln würden. Anders als die In-Länder. 🙂

14. August 2019

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Kronen-Orgel

Die größte Kraft ist das Pianissimo.

Es wundert mich, dass so viele Orgeltage keine Frauen präsentieren. Gehören nicht schöne Frauen an schöne Orgeln? Jede Frau  ist schön. Gehören nicht Königinnen an die Königin? Der weibliche Orgelklang. Der Sexismus in der Orgelwelt macht mich tief betroffen – noch 2019 in einer patriarchalen Angelegenheit kämpfen zu müssen, in der nur Männer Orgel bauen, Orgel spielen, für Orgel komponieren.