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Pianistin

Gedanke 59: Nachtgedanken

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Nachtgedanken

Der Mond hatte gestern Adern. Die Wissenschaft ist ein sprachlicher Prozess, sogar für meine Ohren. Rhythmus hat viel Power, es macht mich lächeln und tanzen. Meine ganzes Gesicht tanzt mit.

Meine Stimme ist lebendige Tinte aus Klang, Tintenklang. Ich komme mir vor wie eine brennende Kerze, die hier auf Erden alles gibt, die sich ernährt von Kraftvergeudung im positivsten Sinne. Kunst sind ganz andere Kapitalströme als die, die wir so kennen.

Magdeburg

Güte soll wachsen und um sich greifen

“Ein Gedicht ist zur Ruhe gekommene Unruhe.” (Reiner Kunze)

Ich glaube manchmal, Kunst ist eine Person. Man kann sie kennen lernen. Man kann sie nicht ‘erwissenschaften’. Die Konzertsäle lechzen nach ihrer Person, nach echter Kunst. Sonst trifft nur das ‘grosse Professionelle’ auf das ‘große Biedere’: auf die, die das Geld für die Tickets haben.

Residenz Würzburg, Toscanasaal

Gedanke 49: Geprägt.

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Geprägt

Musik ist ein Spiegel der Gesellschaft. Warum sollte das Künstlerische nur leicht und ohne Arbeit zugänglich sein? Ich empfinde Vergnügen darin, dem Geheimnis nachzuforschen; zu ringen, zu verstehen. Niemand sollte der Lyrik vorwerfen, nicht leicht genug zugänglich zu sein. Forschen ist eine Aufgabe für Königinnen und Könige.

Stuttgart

Improvisation

Ich ahne, dass Kreativität große Hände hat, auch wenn ich kleine habe.
Der Moment ist Kreativität. Denn auch der Alltag ist voll Poesie.

Brühl

Seitdem die ‚Gesetzestreue‘ der in Noten aufgeschriebenen Werke immer größere Ausmaße angenommen hat, ist die Improvisation (in der klassischen Musik) immer mehr verkümmert. Doch im 18. und 19. Jahrhundert bereits war die Improvisation ein großer Teil des künstlerischen Lebens.

Sie diente nicht zum Selbstzweck, sondern: Stimmung, Empfinden, Atmosphäre auszudrücken — besonders in den Opernhäusern. Die Bedeutung des Textes, die Bedeutung der Worte wurde durch Fülle von Noten ausgestattet, Momente herausgehoben — es war sogar so: ein Sänger, eine Sängerin wurde umso besser empfunden, desto weniger genau er sang, was da stand.

Das ist nun heute gerade umgekehrt. Früher war die Oper im besten Sinne ein Spektakel, die Improvisation öffnete musikalische Räume, unmittelbar auszudrücken. Ist heute das Konzert ein Abenteuer? Aus sich herausströmen zu lassen, was das Künstlerischste ist: den Moment. Den zeitlosen Moment. Heute ist es sogar in den Kirchen kaum erlaubt, frei zu spielen.

Velbert

Intuition ist eine Kraft

Eine Kraft aus Gesetzmäßigkeit und Gefühl. Es geht nicht um Frequenzen oder Mächte oder Synchronisierung. Allerdings kann man den Sinn des Lebens nicht auf die Art und Weise kennen lernen, wie eventuell süchtige Spieler einen Automaten, in dem sie vor ihm sitzen und sich die Reihenfolge der Lichter und Zahlen merken und die Abstände dazwischen oder Lehrende aus Büchern. Es braucht Beziehung.

Wie viel Intuition braucht unser Land? Das Gegenteil von Intuition ist Unsicherheit. Viele Menschen leiden unter Dauer-Verunsicherung, unter chronischer Unsicherheit.

Musik sucht ja stets nach neuen Kombinationen und Wegen. Manchmal braucht es sehr lange, bis Menschen neue Wege in der Kunst überhaupt verstehen. Viele Künstlerinnen sind ihrer Zeit voraus.

Musik scheint mir wie Schach: es gibt eindeutige Regeln, eine Architektur, und doch Millionen Kombinationsmöglichkeiten: auf dem Fundament allerdings der Regeln. Diese Regeln haben viel mit Ästhetik zu tun: Ästhetik wiederum hat mit dem Herzen zu tun. Aus dem Herzen kommt heraus, wer man ist und was man denkt — im künstlerischen Schaffen mehr als im Interpretieren.

Ästhetik hat viel mit dem Herzen zu tun und damit mit Motivation, eine der wichtigsten Wurzeln von Kunst. Ästhetik ist wichtiger noch als Ethik, wie man allgemein andersherum denkt, mehr als die Kultur einer Nation, die wiederum oft eine Anhäufung von menschlichem Denken ist — denn es geht stets erst um das persönliche Herz, wer man ist.

Glaswürfel, Oberösterreich

Kunst ist Herkunft

Musikerin sein ist ein Seinzustand, lange vor dem professionellen Studium. Später kommt die Frage, wie das konkret aussehen wird im Seiltanz des Lebens mit Beruf, Reiz, Außenwelt, Entwicklung, Entfremdung und der Arbeit, sich dem klanglichen Ideal selbst anzunähern.

Menschen erschaffen aus dem, was sie entdecken — von dem, was bereits da ist. Wir schöpfen aus dem, was geschöpft ist. Das Erstaunliche ist: wenn wir es nicht entdecken, wird es nicht (für uns) da sein.

Lake Victoria, Uganda

“Ich möchte wissen, nicht vermuten. Gott soll sein Gesicht enthüllen und zu mir sprechen. Ich rufe zu ihm in der Finsternis.” (Max von Sydow in Ingmar Bergmans Det Sjunde Inseglet. Das siebte Siegel, 1957: Bergmans symbolische, künstlerische Filme sind ein Ausdruck der Suche des Menschen.)

Es gibt viel Kunst, die um die Wahrheit herumtanzt, ausweicht.

Kampala

Die Realität ist nicht ein Stück hinter, sondern ein Stück vor Musik. Oder besser, die Realität ist nicht nur ein Stück vor, sondern auch in und hinter der Kunst.

Musikalische Analyse, Erkenntnis beeinflusst die mentale Einstellung der Künstlerin positiv oder negativ.

Ich glaube, dass die mentale Einstellung einer Pianistin auf der Bühne erheblichen Einfluss hat auf das Publikum.

Stuttgart

25. Juni 2010

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Macchia

Das Wetter auf Korsika ist wundervoll, ich liebe die Berge hier und die verborgenen Buchten. Es ist nun das dritte Mal, dass ich hier bin und spiele. Es geht schnell, dass man tiefbraun wird, auf den Wanderungen, am Strand, auf der Fähre, auf dem Mountainbike. Es ist manchmal anstrengend, zwischen Urlaub und Dienst, den Andachten und Vorträgen hin und her zu wechseln. Heute abend ist mein zweites Konzert. Vor ein paar Tagen habe ich einen Vortrag mit Musik über Psalme, Klage, Moll und Kunst gegeben. Gestern habe ich ein neues Lied geschrieben. Es tut mir gut, kreativ zu sein. Ohne bin ich wirklich unruhig, als staue sich die Kreativität schmerzhaft in mir an. Morgen fliege ich zurück nach Köln, von dort nach Frankfurt, von dort nach Bangkok und von dort nach Manila.

Ich habe meinen Reisepass nicht mitgenommen, da ich nicht wusste, ob ich vorher noch mal nach Hause nach Würzburg komme. Nun wird mir der Reisepass per Eilpost nach Köln gesendet und dann an den Flughafen Köln/Bonn gebracht. Ohne Reisepass kann ich nicht nach Asien fliegen. Ich hoffe, es klappt alles, da auch meine CDs per Post kommen und mein Flug schon gegen 21 Uhr geht. Ich fliege mindestens 16 Stunden und verpasse einen ganzen Tag und damit auch das Fussballspiel Deutschland gegen England. Den Tag bekomme ich zurück auf dem Rückflug. Ich spiele am Tag nach meiner Ankunft in Manila Konzerte in der Universität Manila. Ich bin gespannt auf die Studenten dort. Ich gebe Meisterklassen in Klavier solo und Improvisation.