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Musik

25. Dezember 2019

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Cuxhaven

Weihnachten an der Nordsee mit Spazierengehen, Baggersee (Gudendorfer See und Franzenburg), Altenwalde (einem Straßendorf), Plätzchenbacken, Herrnhuter Sternen, Power Nap, Musik, Meeresluft, Wein, mit Geschenken (ich liebe Geschenke), Lesen von Romanen, Kuchen, einer plattdeutschen Mitternachtsmesse St. Nicolai in Altenbruch mit der wunderschönen historischen Orgel Klapmeyer 1730, von Ahrend restauriert, und drei mächtigen Glocken im Glockenturm, Lüdingworth, Strand (Döse und Duhnen, klingt ein bisschen wie Dick und Doof), Kurpark mit Pinguinen, Fisch und asiatischem Essen…

Duhnen hat viele Hotels, zum Beispiel das Badhotel. Besonders gut gefällt mir der Strand an der Kugelbake. Dort gibt es Dünen. Dort fließt die Elbe in das Meer. Hinter Deich, Wellenbrechern und Damm wird die Elbe plötzlich 13 Meter tief. Grosse Container fahren dort Richtung Hamburg oder Ostsee.

Und dann gibt es noch Sahlenburg mit Wald direkt am Wasser.

Ich bin sehr empfänglich für Orgeln wie die Nadel eines Kompasses. Irgendwie bin ich zufällig immer in der Nähe toller Orgeln.

Ich mag die Jahreszeiten am Meer. Die Wolken im Winter sind anders als im Sommer.

Die Nordsee mag ich besonders, weil sie tougher ist als die Ostsee, und wegen Ebbe und Flut, Gezeiten (Tiden) und Priel; das Feeling ist einfach anders an der Nordsee.

Die winzige Insel Neuwerk ist sicher auch sehr schön: Dort kommt man nur mit dem Pferdewagen hin, dem Wattwagen, über das Meer, oder mit dem Schiff oder wattandern (mit Führer). Hat einer der wenigen Anwohner auf Neuwerk Zahnschmerzen, wird er mit dem Hubschrauber nach Hamburg geflogen.

Vielleicht sollte ich eine Fischbude aufmachen und werde reich und aberreich? Kaum zu glauben, dass dies alles noch Niedersachsen ist. Einfach riesig.

Cuxhaven hat ca. 50.000 Einwohner, dazu gehören auch Holte-Spangen (ein Pferdeort) und Altenbruch, jedoch mit dem ganzen Gebiet herum, mit allen Dörfern und Orten wie Otterndorf, Stade und Buxtehude ca. 200.000 Einwohner. Ahoi, Weltenbummlerin!

Eine Frau, die in einem Mann die Angst entdeckt, ist auch bereit, ihn zu lieben.

Woran man sieht, dass es keine Evolution in dem Sinne gibt? Leider, nun, Männer sind seit Anbeginn exakt die Gleichen geblieben. Da hat sich nun nichts geändert seit biblischen Zeiten bis heute.

Ist alles im Leben ein Tanz?

Zu Mozart habe ich noch folgendes bedacht: Es kostet sehr viel Kraft und Hingabe, auf Knopfdruck und innerhalb kürzester Zeit von Kreativität zu leben, das heißt, mit Kunst und Komposition Geld zu verdienen. Mit großen Opern in seinem Fall. Ich bewundere ihn dafür. Er dirigierte seine eigenen Werke, obwohl er nie Dirigieren oder Komponieren “studiert” hatte wie wir es heute tun. Hätte es damals eine Art GEMA gegeben, niemals wäre Mozart arm gewesen, denn seine Opern wurden überall schon zu seiner Lebenszeit aufgeführt, doch er selbst sah dabei keinen Pfennig. Genialität kann man nie verurteilen, und auch nicht die, die genial begabt sind – mit solchen Gaben muss man erst mal (über)leben können.

Es macht keinen Sinn, jemanden zu hassen, den man liebt. 

24. Dezember 2019

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Marienkapelle Kevelaer Teil 2

Blessed Christmas

Gesegnete Weihnachten 🙂

Was macht Spaß, an den großen Orgeln zu spielen? Auf die Größe einer Orgel kommt es dabei allein gar nicht an. Natürlich ist es schön, mit der großen, dramatischen, deutsch-romantischen Seifert-Orgel auch entsprechend mächtig zu spielen. Aber das ist nur ein Effekt. Man kann den zarten Streicherchor mit nur einem Knopfdruck betätigen (chooses stops blind), den Flötenchor (puffig wie dicke Kissen oder Puffärmel), den Gambenchor (Streicher, sehr laut, da Hochdruck-Gamben) und den Prinzipalchor.

Das Oberwerk (2. Manual von unten) besitzt brillante Solostimmen, die lauter sind als die entsprechenden im Hauptwerk, dem ersten (untersten) Manual. Beispielsweise ist der Prinzipal 4 im OW viel lauter als im HW (Solo-Devision). Die Flauto Dolce im OW spielt sich wie Creme und klingt herrlich und butterweich, die Flauto Harmonique zusammen mit dem Nasard 2 2/3 (OW) klingt exotisch. Sehr schön ist auch die Clarinette im OW, sie klingt wie eine wirkliche Klarinette, nicht wie ein Fake. Toll ist auch die Schalmei im OW, eine Zunge. Und die Zungenbatterie und das Chamadewerk in französischer Manier von Romanus Seifert.

Von Register-Namen darf man sich nicht verwirren lassen. Manche heißen Horn und sind Flöten, andere heißen Pfeife und sind Zungen.

Mozarts Flötenuhr auf dem Fernwerk (4. Manual) zu spielen ist eine Wucht (Traversflöte 4 eine Oktave tiefer). Die Traversflöte 4 im Fernwerk trillert wie ein Wellensittich, dazu ihr “Mate” Quintatön 8 oder Serafon 8 oder Cor anglais 8. Die Traversflöte 4 klingt zudem sehr schön zusammen mit Celesta oder Waldflöte. Die Traversflöte 4 ist auch allein einfach outstanding.

Die Orgel-Bänke haben hier alle eine Lehne, das gefällt mir. Das Pult lässt sich weit nach vorn verschieben. Ein Rückpositiv gibt es nicht, was ich erstaunlich finde. Das Rückpositiv hat ja wie in der Oper die Solisten nach vorn geholt. Doch hier sind die Solisten auch ohne Rückpositiv sehr präsent.

Doch wie lieblich klingt Mozart auch an der Chororgel, die mal ein Hochaltar war (wie auch die Orgel in der Beichtkapelle) mit der schönen Flöte im Schwellwerk.

Auch Mozarts Orgelwalze klingt hier toll und die Fantasie f-Moll. Ich mag auch sehr, wie Jean Guillou Mozart spielt.

Das Schwellwerk (3. Manual) hat besondere Klänge, Seraphonstreicher und einen sehr schönen Flötenchor: Rohrflöte 8 und 4, Seraphonflöten (Hochdruck, zwei Münder, a lot of Power), Concertflöte 8, Flaut amabile 8, Travers 4, Nachthorn 4 (Flöte), Flautino 2.

Mit das Wichtigste für mich an einer großen Orgel ist, dass die Orgel schöne Prinzipale hat, zudem viele schöne, verschiedene Acht-und Vierfüße und einen Flötenchor im Pedal. Die Prinzipale müssen wie Sprechstimmen sein, nicht schreien. Sie müssen Konsonanten haben, p-k – aber auch nicht zu starke, nicht sch-t. Man muss hören können, wo und wie die Pfeifen ansetzen und beginnen. Der Klang darf nicht zu flach, sondern sollte delikat und warm sein, auch nicht too bright, mit einem Crescendo nach oben.

Mit solch schönen Prinzipalen kann man jedes Bachstück spielen, ja, hier würde schon ein schöner Prinzipal 8 ausreichen. Hat man solche Prinzipale nicht, muss man ausweichen, was kompliziert werden kann. Auch im Pedal braucht es einen schönen Flötenchor, also mindestens einen Flötenbass 8, mindestens einen eleganten Vierfuß (Flöte 4) und einige kernige 16- und 32-Füße (Subbaß 16, Oktavbaß 16). Und man muss gut und schnell alles koppeln können. All dies hat die erstaunliche Seifert-Orgel zu bieten. Ich bin gespannt, Kleuker-Orgeln kennenzulernen.

Interessant: Exakt gerade als ich Guillous Mozartorgelwalze auf YouTube abspielte, sagte Mozart im Spielfilm: “Ich habe sogar für eine Orgelwalze komponiert!” I am a Pipe. Intoniert mich!

Lecker: Hier gibt es süße Pasta mit Birnen und Pflaumen. Und Pasta mit Gamben statt Garnelen. 🙂

18. Dezember 2019

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Musikalischer Impuls 11: Die Kunst der Ausklangs. Der Hammerflügel 

Ich schätze sehr den Hammerflügel, das Hammerklavier. Die Triller sind durchsichtig, und wenn ich mit dem Knie Pedal spiele, wirkt der Klang wie mit einem Schleier unterlegt. Romantisch. Die schwarzen Dämpfer sind fein, manche Hammerflügel erinnern an ein Cembalo.

Historische Tasteninstrumente oder Claviere sind wie eine Art Therapie für Pianisten wie mich, die sehr von Kraft und Virtuosität und Schnelligkeit kommen. Dagegen wirken Clavichord, Cembalo und Hammerflügel (für Mozart, Haydn…) wie zerbrechliche kleine Instrumente. Therapie für Leichtigkeit. Aber so zerbrechlich sind sie gar nicht; sie helfen, wieder zur Basis zurückzukommen, zu den Fingern, zur Ruhe; zurück zu kommen, Ton passieren zu lassen, Ton zu produzieren und zu formen. Differenzierten Klang mit Volumen, ohne unter Strom zu stehen.

Es ist beispielsweise gar nicht so leicht, auf einem Clavichord  einen runden, vollen Klang zu erzeugen, keinen eckigen. Das Training am Clavichord hilft für alle Tasteninstrumente.

Nur auf einem Clavichord kann eine bereits gedrückte Taste noch in Bebung (Vibrato) gebracht werden. Ton formen auch an den leichten, schier schwerelosen Tasten der unterschiedlichsten Hammerflügel, deren Erzeugungsweg zum Klang immerhin noch etwas länger ist als am Clavichord (hier nur die Tangente). Natürlich, der Tastenumfang ist viel geringer, jedoch kann man andere, unterschiedliche Farben kreieren. Ja, die Farbigkeit der historischen Instrumente gefällt mir, die vielen Schattierungen des Pianissimo.

Die Instrumente sind an sich schon Lehrmeister! Ja, ich wünsche mir ein Clavichord (gebunden oder ungebunden), ein (italienisches oder deutsches oder französisches) Cembalo mit zwei Manualen (zwei Achtfüße, oben einen nasalen und unten einen grundtönigen, und die Möglichkeit des Koppelns für einen voller wirkenden Klang; einen Vierfuß, den man dazu nehmen kann, und dass man eventuell ein Manual auf das andere legen kann). Und einen Hammerflügel. “Aber dann ist alles mit Instrumenten bei dir vollgestellt!” Nun ja. Die Instrumente kommen zu einem, sie finden mich. Man braucht nur Geduld. Das habe ich ja selbst erlebt. Der Steinway kam zu mir, die Übe-Orgel…

Wo lernt man besser als an diesen historischen Instrumenten, leicht ohne Arm zu spielen mit sanften, sensiblen Trillern? Dies sind alles Basis-Instrumente, keine Vorläufer. Vollkornbrot. Und dann noch das kreative Continuo-GB-Spiel mit anderen. Praktischer, künstlerischer Generalbass. 

Ich geniesse es, am Flügel ab und zu ganz ohne Pedal zu spielen. Natürlich darf Klang nie wie vier Tage altes Brot klingen oder wie “nichts und wieder nichts”. Der Unterschied ist eben zwischen nichts und etwas

Schön finde ich die dritte Ritter-Sonate an der Orgel. Sie ist eingängig für das Publikum, eingängiger als Reger und Liszt, und auch leichter zu spielen. Wobei ich eine Reger- und Liszt-Verehrerin bin. Oder im Organisten-Sprech: “Ich registrier mal auf.” Und das im Turbo-Studium. 

Empfehlen kann ich heute den Film Maos letzter Tänzer, erst war er der Schwächste, aber er hielt durch; er war inspiriert; dann wurde er der Beste. (Auch wenn der Film fast nur auf Männerkarrieren fixiert ist.) Und den mehrteiligen Film Mozart (ARD, Bluwal), auch wenn dem Wolferl homosexuelle Neigungen und einen höchst aggressiven Vater wohl angedichtet wurden. Sehr sympathisch kommt Amadeus nicht herüber. Seltsamerweise sind immer die Frauen und Mädchen “unmusikalisch” und “dumm” und “intrigant”. Aber seine Flötenuhr und seine Orgelwalze gefallen mir so gut. 

 

 

Euphorie

Die meisten, die (Kirchen-) Musik studieren, üben nur während des Studiums. Sobald sie in ihrem Beruf sind, sind 80 Prozent ihres Tuns Verwaltung, Organisation, Administration (Büroarbeit) und Dienstleistung. Der Beruf hat mit dem Studium kaum zu tun.

Die, die Klavier (oder andere Instrumente) studieren, üben nur während des Studiums. Später in ihrem Beruf unterrichten sie. Sie spielen max. einen Klavierabend pro Jahr, können (auf Anhieb) nicht mehr wirklich spielen, schon gar nicht ein Stück auswendig.

Bei mir ist das Studium und alles, was ich tue, konkret und direkt Teil meines Berufs. Es ist nicht nur so, dass ich die Früchte meines Studiums direkt anwende, sondern die Blüte, unter der Woche aufgegangen, bereits am Samstag und Sonntag blüht. Denn bei mir wird direkt in den treibenden Boden gesät. Alles, was ich jetzt im Unterricht lerne, setze ich schon am nächsten Wochenende im Konzert eins zu eins um. Alles, was ich erfahre, wird schon ein paar Tage später ins künstlerische Depot gelegt und angewendet. Der Teig ist noch heiß und kommt aus dem Backofen; das Publikum bekommt warme Brötchen im Konzert. Das passt natürlich einigen nicht. Besonders neidisch sind Kommilitonen und Kollegen. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Neid und Lästern sind für diese die höchste Form der Anerkennung. (Dabei verstecke ich einen großen Teil meiner Gaben; wenn die alles wüssten, wären sie wahrscheinlich schon vor Neid gestorben).

Ich bin dankbar für alle, die mit viel Respekt meinen künstlerischen Weg unterstützen. 

Klar, auch ich habe Verwaltung, aber sorge dafür, dass Verwaltung (für Konzerte…) maximal 40 Prozent beträgt und möglichst Spaß macht. Mindestens 60 Prozent bleiben Kunst und Musik, Schreiben, Komponieren, Lernen, Repertoire erweitern, Human-Kapital, Bildung, Lesen, Umsetzen. Üben ist für mich Musik machen. Das Besondere an mir ist, dass ich von Konzerten lebe. Dass ich von der Kunst lebe. Dass ich voll berufstätig zudem ein zweites neues Instrument studiere. Trotz Gegenwind. Und mit sehr viel Support. Meist sind bei Männern die Ehefrauen die Armen, die die Verwaltung machen müssen. 

Natürlich ist es kompliziert, da die meisten Professoren gewöhnt sind, 20jährige zu unterrichten, die abhängig von ihnen sind. Sie wissen nicht, wie man mit Leuten wie mir umgeht, die die Rangordnung sprengen und Dinge geleistet haben, die sie selbst nie geleistet haben. Da kommen Hierarchie, Statistiken und Regeln nicht mehr mit. “Sie dürfen dies nicht. Sie dürfen das nicht. Gehorchen Sie. Tanzen Sie nicht aus der Reihe.” Und: Von Konzerten kann man nicht leben, es darf nicht sein… Jedenfalls nicht Sie! Sie sind kein Mann und machen nicht das, was zum System gehört!

Wie könnte und dürfte ich da in meiner außergewöhnlichen Rolle nicht auffallen? 

Auf der anderen Seite wird gejammert, dass es keine neue Orgelmusik mehr gäbe, bestimmte Komponisten und das Instrument an sich untergehen könnten oder links liegen gelassen werden – kein Wunder, wenn das System über alles geht. Die, die Neues bringen, schaffen Neues aus einer anderen Richtung. Dennoch ist es immer wichtig, das System zu kennen. Der Ausbildungsbereich ist hier oft der Gegensatz zum künstlerischen Berufsalltag. 

Ann-Helena Schlüter Herzton

9. Dezember 2019

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Impuls 6:

Einheit, Zweiheit und Entzweiung

Entzweiung ist etwas anderes als Zweiheit. Zweiheit ist Einheit, oder sollte es sein, kann es sein; ist es von Natur her; ich würde von Dreiheit ist Einheit sprechen; jedoch Entzweiung ist das Verabsolutieren von Gegensätzen und Widersprüchen mit dem Ziel der Trennung und der Zerstörung von kreativen Synergien (die durch Unterschiedlichkeiten, Gegensätzen und Widersprüche, durch das Kreuzen von Vertikal und Horizontal im Dialog erst entstehen.)

Wie schreibt Henri Frédéric Amiel: “Doch selbst wenn wir eine ethische Wahrheit auf alle Arten durchdrungen und besessen haben, kann sie sich uns dennoch entziehen.” Wie? Wenn wir Wahrheiten zwar erkennen, aber nicht leben, wenn Wahrheiten nicht in unser Sein eingedrungen sind, sondern wenn wir sie an uns binden wollen, wenn es uns mehr um uns als um die Wahrheit geht, dann werden wir außerhalb von ihr bleiben.

Denn es geht nicht um das Besitzen von Wahrheiten; nicht um Eitelkeit; sondern um das Leben von Wahrheit und das Weitergeben. Um das Vorleben und Lehren. Um Sein von Wahrheit. 

Einheit ist kostbar und zerbrechlich. “Wer sein inneres Gedankengebäude nicht zu verändern vermag, wird niemals die Realität verändern und keinen Fortschritt erreichen.” (Anwar El-Sadat).

Das Evangelium hätte nie die Welt durchdrungen, wenn Jesus sich seine Anhänger ausgesucht hätte: “Bei dir passt mir die Nase nicht.”

Was ich am meisten an Jesus mag: Er hat die typisch vertikale männliche Kommunikation von Revier, Besitz, Bühnenverhalten und Hierarchie verlassen. Er hat die Rangordnung nicht klargemacht. Jetzt erst und heute wird mir bewusst, was er als Mann damit geleistet hat. Wie revolutionär! Das ist ungetoppt! Nie wieder so dagewesen! Und dann noch als Gott! Er wurde nicht unsicher, weil er nicht ständig sagte, dass er der Heiland, Retter und Richter sei. Er sagte es selten. Er wurde gefragt. Er fragte und hörte zu.

Es hat ihn nicht irritiert und verwirrt, dass die Rangordnung ins Wanken kam, dass sterbliche Menschen den ungleich Höhergestellten ablehnten. Er musste nicht “der große Macker” sein. Er drückte nichts durch. Er suchte keine Zeugen und Indizien, er wurde das Lamm. Er ließ sich verurteilen! 

Als Kind hatte ich dies sein Verhalten eine Zeitlang als “Softie-Verhalten” missverstanden. Heute ist mir durch meinen eigenen Alltag klargeworden (und durch das Buch Das Arroganz-Prinzip von Modler, in dem er das vertikale Verhalten von Männern detailgenau beschreibt, was ich täglich erlebe), was für eine enorme Kraft und Power im Verhalten Jesu steckt. Dadurch kann ich mit Erleichterung deutlich feststellen: Das Verhalten Jesu als (Prototyp) Mensch auf dieser Erde ist so dermaßen “unmännlich”, dass es klar ist, dass Gott auf keinen Fall ein Mann ist (was viele behaupten, da er sich Vater nennt). Er ist die perfekte Synergie aus horizontal und vertikal, aus männlich und weiblich. Kreuz. Er ist Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Mensch und Gott. Auch die akademisch-frauenfeindlichen Hierarchien und der “ganz normale” tägliche Alltagssexismus in Hochschulen und Kirchen sind durch Jesus an den Pranger gestellt. Das verärgert viele. Die Rangordnung muss doch ständig für viele Männer klar sein!

Ganz klar verurteilt die Bibel durchgehend das vertikale Machtstreben von Männern. Die Bergpredigt ist das Gegenteil von dem, was heute überall gang und gäbe ist. Unser Auftrag, den wir haben, lautet: das Gegenteil zu sein. Dazu gehört viel innere Kraft, Selbstsicherheit, Demut und Weisheit. Bach war so einer. Erstaunlich ist, dass es auch Männer gibt, die anders sein wollen und anders sind. Gott sei Dank. 

Im Himmel zählt nicht mehr Mann oder Frau. Endlich! Bis dahin ist durchhalten. I love you.

7. Dezember 2019

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Musikalischer Impuls 4:

Erkenntnis, Interpretation, Disposition und Improvisation

Genius ist Obsession. Ob Musik eine Art Droge sein kann?

Ich glaube nicht, da Tiefe, Vernunft und Werte in der Kunst liegen. In dem Buch Die Orgeln J.S. Bachs und bei Klinda lese ich viel über unterschiedliche Dispositionen der Thüringer Orgeln, der Orgeln aus Sachsen und der norddeutschen Orgeln. Ich meditiere über diese, wie was zusammen klingt, was wie begleitet werden kann und wie die Orgeln aufgebaut sind, wo welches Werk positioniert ist, wo die Streicher sind, wo was ineinandergreift, wie aufregistriert werden kann, welche Werke korrespondieren, wie die Orgel proportioniert ist – da mir die Registrierungen zu Bachs Orgelwerken wichtig sind (nicht nur 8-4-2-Mixtur…).

Da sind zum Beispiel die Johanniskirche in Lüneburg, Naumburg, die Kirchen und Orgeln in Dresden und die große Trost-Orgel in Waltershausen bei Gotha von 1730, die Bach eventuell kennengelernt hat (er arbeitete hier bereits 8 Jahre in Leipzig). Es ist für mich spannend, Dispositionen zu meditieren und einen Orgeltyp mit einem anderen (den ich schon kenne) zu vergleichen. Der Unterschied zu den Orgeln Mitteldeutschlands und den norddeutschen (und sowieso süddeutschen) ist groß. In Waltershausen gibt es im Hauptwerk sechs Achtfüße und einige Streicher und Schwebung. Mit diesen Streichern und vielen Acht- und Vierfüßen kann man neue Farben kreiert.

An norddeutschen Orgeln gibt es keine Streicher und keine Möglichkeit, viele Achtfüße zusammenzuziehen, im Gegenteil, dies ist zu vermeiden. Wenn man Dispositionen nicht meditiert, können schöne Orgeln sehr schnell sehr schlecht klingen. Man kann an Dispositionen natürlich nicht alles und vieles nicht erkennen: Man kann beispielsweise nicht ablesen, ob die Mixtur eine Terz hat oder nicht.

Jede Mixtur ist ein Unikat. Waltershausen hat eine tiefe Mixtur. Jedoch erst am Repetieren einer Mixtur ist zu erkennen, wie tief oder hoch eine Mixtur wirklich ist. Waltershausen besitzt sehr viele Grundregister vieler verschiedener Bauarten. Neobarocke Orgeln werden heute mit zu vielen Aliquoten gebaut.

Waltershausen besitzt sogar einen Geigenprinzial, eine Art Koppel, obwohl dies eigentlich ein Registerzug für die Romantik ist, wie viele sagen, dazu viele weiche Flöten, eine überlassene, spuckende Traversflöte, ein Nachthorn als milde Quintadena (immer gedackt), Blockflöte und Gemshorn.

Wichtig ist, nie zu vergessen, dass man bei einer Orgel Flächen zum Klingen bringen muss (Koppeln) und dass Orgelspielen ein Spielen in Räumlichkeiten ist. Dass man im Resonanzkörper der Orgel sitzt.

Ich beschäftige mich auch mit Eggebrechts Orgelbewegung von 1967. Erstaunlich ist, dass dieser berühmte Forscher von “wahrheitsgemäßen, gültigen und vorbildlichen Orgeln” spricht und damit bestimmte Orgeln abwertet und nicht den Schaden der Orgelbewegung erkennt. Die Frage der Orgel ist noch immer nicht geklärt. Natürlich hat die Orgelbewegung auch Gutes und Nachdenken bewirkt. Aber eben nicht nur.

Dabei gibt es so viele spannende Orgeln: Auch die neue Klaisorgel in Würzburg mit lieblicher Cytharra (Streicher), Physharmonika und ihrem Windschweller, Holzharmonika, Harmonium und dass man die Windzufuhr komplett von 0-9 einstellen kann, fasziniert mich. Hier zu improvisieren und dabei einfach die Orgel “machen lassen”, ohne Melodien, ohne konkreten harmonischen Plan, sie einfach klingen (oder nicht klingen) zu lassen, mal wie ein Schlaginstrument, mal wie Frösche eines Akkordeons…

11. November 2019

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Italienische Orgeln, italienischer Stil, Durezze e ligature und Frescobaldi

Ich mag ihn sehr, den italienischen Stil, den Prototyp für die Orgel aufgrund der immer durchklingenden Dissonanzen, die auf der schweren Zählzeit, der Eins erklingen: Durezze e ligature (Durum und Überbindungen), wobei es um die Dissonanzen in dem Dur geht. Die Toccaten stehen in prachtvollem glänzenden Dur (oder lösen sich in die piccardische Terz am Schluss auf), der Anfang ist frei. Das strenge Taktmaß des vierstimmigen Satzes verschwindet, fängt an zu schweben. Diese Dissonanzen sind die Wunde in der Musik. Ich mag das Schwingende, die Mediation, die Ruhe, die Gravität, die Schatten der Dissonanzen, das Spirituelle und Mystische: Die (Ver)wandlungs-Toccaten, in denen die Dissonanzen für die Wunden Jesu, für das Kreuz stehen (Elevation, wenn die Hostie hochgehalten wird). Die Toccaten, die mit ihren schwer-leicht-Gefällen, den Dissonanzen auf der Eins (unterschiedlich zu gewichten und zu behandeln) oft Elevations-Toccaten sind, im weichen Prinzipalsound gespielt. Gedackt gab es nicht. Es gibt kein Legato, kaum freie Triller (Verniedlichung), keine Deko, aber Chromatik und Dissonanzen und den Kairos (griechisch: das göttliche Zeitmaß) in der Freiheit, und das Spontane, Lebendige und Unberechenbare (und das in Rom!): Frescobaldi ist eine Art Vorstufe zum Stylus Phantasticus und zum Rezitativ allerdings hat bei Frescobaldi der Takt natürlich eigentlich keineswegs Feierabend. Wenn man das Notat sieht, könnte man nicht auf die Idee kommen, das Stück würde frei schwingen. Die Zeitgestalt ist das Spannende, ihre Relationen.

Dur ist hart, Moll ist weich- hier ist es gut zu hören. Bach mochte den italienischen Stil auch und kannte ihn gut (siehe auch das Italienische Konzert mit seiner Sarabande (Abendmahl, Liebeslied)). Drei Bäche vom Urbach Ambrosius ausgehend waren auch in Italien gewesen. Davon werden sie sich in bächischen Zusammentreffen berichtet haben. Bach hat auch Frescobaldi abgeschrieben, besonders Fiori Musicali, den musikalischen Blumenstrauß.

Für Bach ist Tanz innerlicher Tanz, kein körperlicher, sondern Andacht, ein Tanz von Seele und Geist, ein verinnerlichter Tanz, ein Schwingen. Bach ist zudem der einzig perfekte Musikwissenschaftler, denn er hat alle Gattungen, Stile und Formen durchdacht, präsentiert, unterschieden und künstlerisch umgesetzt. Auch seine Passacaglia c-Moll ist eine Sarabande, eine Verbeugung vor 1 und 2 (Gott und Mensch, und die 3 schwingt: der HG).

Leider wurde die Bach-Abschrift von Frescobaldis Fiori im Zweiten Weltkrieg verbrannt.

Man spürt bei Frescobaldi schon den Übergang zu Drama, Oper, als das strenge Taktmaß sich zu verschieben und zu verabschieden begann, als man anfing zu fragen: Wer bin ich? und nicht nur: Wer ist Gott? (wenn man sich das wirklich gefragt hat) und zum Wechsel hin zur Gefälligkeit auf der anderen Seite, den Jahrhundertumschwung, die Revolution. Bei Frescobaldi ist das Schwingen des strengen Taktmaßes also keine Weltlichkeit.

Die italienische Orgel ist eine labiale Orgel mit angehängtem Pedal (aber mit Pedalpfeifen), keine Mixtur, eine helle Orgel, mi Voce Umana (Schwebung), keine Streicher, manchmal Zungen (Trompete), keine Gedeckten, eine Reihenstil-Orgel (Ripieno), mit Flöten und Quinten (aber keine 2 2/3 Quinte). Italienische und spanische Orgeln sind zwar keine “bachfähigen Orgeln” (wie die Orgelbewegung sagen würde), jedoch absolut wichtig, auch für Bach. Sie gehören zu unserer Orgelgeschichte.

Kadenzen, Harmonisierung, LO (Liturgisches Orgelspiel)

Pianisten haben eine ganz andere visuelle Lesekraft von Musik als Organisten. Ich erarbeite mir beides. Vierstimmige Sätze sofort zu lesen gehört in die Kategorie der Organisten. Auch der Umgang mit Kadenzen und Stimmführungen ist ein anderer im Orgelleben sowie der Umgang allgemein mit der linken Hand. Wie spielt man Abbe Vogler (Würzburger Komponist!) aus dessen “schiefen” Partitur? Durch die Orgel lerne ich nicht nur ein Hören von Kadenzen, sondern auch ein aktives Kennen; ein bewusstes “Arrangieren” der linken Hand. Da bei der Orgel meine Art von Virtuosität wegfällt, kann und muss ich mein Augenmerk hier auf andere Dinge lenken, die mir natürlich auch für das Klavier Rendite bringen.

Es mögen Basics sein, aber Basics sind vielleicht doch das Entscheidende. Auf der einen Seite spielt man das Virtuoseste, auf der anderen Seite Kadenzen. Natürlich braucht man hier Lehrer mit viel Erfahrung, Geduld und Respekt, einen geschützten Raum, in dem man Fehler machen darf, und Lehrer, die Hochachtung vor Pianisten haben und Pianistinnen nicht hassen. Gruppenunterricht hilft. Und Kadenzen sind nicht langweilig. An ihnen übt man auch Registrierung, Manualwechsel, Artikulation (Gambe…), Transponieren, Improvisieren, Konzentration.

Das Improvisieren von barocker Musik braucht viel Erfahrung und Wissen. Wie erkennt man Tanzsätze von Suiten? Wie ist das harmonische Gerüst?

Lagen, Stimmführungen, Erweiterungen. Wie vermeide ich Parallelen? Und es kann Spaß machen. Natürlich habe ich viel aus dem Bauch und aus Instinkt und Kreativität getan, aus Intuition. Das muss ich nicht üben. Ich übe die andere Seite meines Gehirns. Und diese braucht Training. Tonleiter harmonisieren und Kadenzen artikulieren ist schön. Jedenfalls sage ich mir das jeden Tag.

Durch die Orgel ist meine ganze Auffassung von Dynamik, Harmonien und Artikulation revolutioniert worden.

Besonders gut sind natürlich immer die Stücke, die sowohl auf der Orgel als auch auf dem Flügel als auch auf dem Cembalo gehen: zum Beispiel Bachs Italienisches Konzert, das perfekte Stück. Und auch am Cembalo kann man Farben einstellen: Vierfuß, Koppeln oder nicht, Manualwechsel.

20. Oktober 2019

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Anschlag und Touch

am Flügel sind bei mir im Blut, und es braucht Zeit, damit ich in meinem Gehirn switchen kann, wenn ich an der Orgel bin. Die Synapsen müssen gebildet werden, man muss den Unterschied VERSTEHEN, das ist das Wichtigste – früher dachte ich, das Pedal sei das Wichtigste – nein. Das ist nur Basic. Das liebe ich mittlerweile. Nein, es das WISSEN, das zählt: Mozart wird eben an der Orgel ganz anders gespielt, hier geht es um Routine und Wissen.

Am Flügel bin ich viel bewegt.

An der Orgel möglichst ruhig sitzend. Warum was wie ist muss mir einfach in Fleisch und Blut übergehen. Und das alles hilft mir auch noch sehr für das Klavierspielen. Beides sind zwei starke Aktien.

Kulturschaffende sein und Künstlerin

Also Denkmalpflege betreiben und auch frei Schöpfende sein – das ist ein großer Unterschied, ein großes Vorrecht.

Ich freue mich, bald ein Konzert in Wiesbaden in der Marktkirche zu spielen, in Limburg und Fulda im Dom. Aber jetzt erst mal Orgelkonzerte und Klavierabende in Heiligenstadt, Thüringen und Leer. Ich freue mich auch, dabei zwei wichtige Orgelfimen kennenzulernen. Die Decke an einer großen Konzertsaalorgel zu entfernen, den dicken Schlauch an die Orgel anzustecken, die Atmosphäre des Saales dabei einzuatmen – das ist wunderschön.