Startseite Nach oben

Johann Sebastian Bach

29. Dezember 2020

Schlagwörter: ,

1 Kommentar
Kommentar verfassen

Zu viele Nächte… Nachtanfang. (AHS)

Heute im Taubertal: Wunderschön ist die denkmalgeschützte, pneumatische, zweimanualige Link-Orgel 1895 in der St. Margareta-Kirche in Laudenbach bei Weikersheim im hübschen Taubertal. Ich liebe bereits die Link-Orgel in Giengen an der Brenz, 120 km von hier. Und auch diese Link-Orgel im württembergischen Frankenland konnte vollständig gerettet werden. Leider nicht die wunderschöne Seuffert-Orgel 1723 in der schönen Bergkirche ebenfalls in Laudenbach bei Weikersheim. Ich liebe es, wenn historische Orgeln gerettet werden! So muss es sein!

Wir sind ein Orgelland! Es ist unsere Verantwortung. Unsere Pflicht.

Die Link-Orgel sieht aus wie eine helle, goldgeschmückte Kerze auf der Empore, hinter ihr wunderschöne Fenster. (Von hier stammt mein Adventskranz-Video auf facebook (die 5. Kerze) :))

Die Pfarrkirche St. Margareta in Laudenbach mit den beindruckenden, länglichen Fenstern von Huber, mit dem kunstvollen Gold-Tabernakel vorn, zwei großen Bäumen und vor allem wunderschön geschnitzten Holzreliefs von Frauen und Märtyrerinnen – leider von den Weihnachtstannen momentan fast verdeckt. Auch die Krippe ist groß und liebevoll gestaltet, mit Ochs und Esel.

Die Straße von Laudenbach an der Tauber nach Würzburg ist eine romantische. Der Weinort ist voll kleiner süßer Läden, die Tauber fließt, und Figuren, die grüßend ein Weinglas in die Luft recken, auf einem Weinfass sitzend, begrüßen am Ortseingang und am Ortsausgang. Es gibt hier in kleinen Lädchen nonstop frische Milch, Eier, Wurst, Frankenwein, Nudeln, Käse… Es ist ein malerischer Ort, in dem sich die Menschen gegenseitig vertrauen. Mit gepflegten, beschützten und offenen Bergkirchen und Pfarrkirchen. Menschen sollen gesund essen, spazierengehen, beten, erhalten, vertrauen. Mehr muss erst mal nicht sein.

Sehr schön ist mein süßes Ranftl-Spinett, frisch gestimmt, mit Drehstuhl, bei mir, nah am Clavichord, am Vorhang. Auch mein zweimanualiges Cembalo ist nun frisch gestimmt. Ich hab drei verschiedene Stimmschlüssel. Ich habe erst mal gleichschwebend. Ich habe etzerdla… 14 Instrumente.

Grad lese ich von Ken Kollet Die Ratten von Nizza. Immer spannende Unterhaltung. Den Film Station Agent finde ich ganz nett.

Bezüglich Transkriptionen: Ich denke so, dass, auch wenn ich nicht Fan bin von Orgel-Transkriptionen, da sie meiner Meinung nach immer eine Verschlechterung sind – wenn man aber eine tolle Orgel hat und virtuos spielt, gewisse Sachen schon aus Spaß und Unterhaltung ganz cool sind, so wie Ken Follet Unterhaltungsromane anbietet. So auch Trotter. Ich habe mir zu Weihnachten eine CD von dem Engländer Thomas Trotter gewünscht, Grand Organ Prom, lauter Transkriptionen. Und mir gefällt die CD! Vielleicht, weil ich Trotter mag. Er macht es so gut, dass man Tschaikowksy fast tatsächlich als Orchester wahrnimmt. Er spielt vor allem virtuos. Und ich mag alle Virtuosen. Die Transkriptionen von seinem verstorbenen Landsmann William Thomas Best, ebenfalls ein Virtuose, sind ja nun frisch, witzig und brillant. Dieser Best ist natürlich bei weitem nicht so revolutionär wie Liszt, der ganz neue Gattungen komponiert hat. Liszt ist so viel mehr als nur ein Virtuose. Er ist Schöpfer, Komponist. Dennoch. Da hat man schon Lust, sich begeistern zu lassen von dieser CD. Außerdem klingt die Orgel in der Royal Albert Hall wie eine WUCHT. So etwas kann man nicht nicht mögen, außer man ist mit Taubheit und Blindheit geschlagen. Und doch: Kein Wunder, dass, wenn man auf romantische Transkriptionen dieser Art steht oder auf “nette Zirkusmusik an der Orgel”, dann meine Orgelwerke, die nach einem neuen Stil suchen, natürlich ein Schock sind. Ich bin eher wie Liszt und Schubert auf der Suche nach neuen Gattungen. Nach neuen Klängen.

Meine neuen Bose-Kopfhörer gefallen mir. SOUND. Trotz aller Geschenke des “Christkindes” – was ist das wichtigste Geschenk des Christkindes an Weihnachten und immer? Erlösung. Und Jesus ist nun bei weitem kein Kind mehr. Sondern Gott und Retter.

Happy Birthday, Magda. ❤️

Es gibt keine Kunst ohne Virtuosität. Sie kann sich verschieden äußern, aber da muss sie sein, wenn überhaupt von Kunst gesprochen werden soll. (Theodor Fontane)

Wieviel Kunst gibt es an der Orgel? Ich merke, manche Zuhörer sind recht scharf auf Manualwechsel auch bei Bach. Ich finde das oft eine billige Lösung. Man sollte auch die Passagen so deutlich erkennen können. Und ja, ich liebe virtuose Tempi. Es spielen ja genug langsam. Warum ich auch? Natürlich werde ich Bachs berühmte Toccata in verschiedenen Versionen interpretieren.

Denn ich finde es beinahe Stümperei, wenn man nur eine einzige Version von Interpretation eines Werkes anbieten kann. Jedes Stück hat so viele Gesichter. Was ich an der Ladegast Orgel Schwerin mag, ist, dass es selbst tatsächlich Kraft kostet, eine Taste auch nur gedrückt zu halten.

Ich freue mich, dass ich 2022 im Orgelkalender vom benno-Verlag bin, der viele Jahre bisher nur Männerzitate und Männerorganisten brachte.

Anbei mein Artist Page Hänssler Classic: Haenssler Classic Ann-Helena

Früher war ich nicht begeistert von Theodor Fontane, ich fand seine Worte zu nüchtern und kühl. Aber ich habe meine Meinung geändert. Ich mag nun seine Texte. Mit vielem hat er Recht.

Wenn ich mich in meinem Blog zu Dingen kritisch äußere, dann nicht, weil ich jammern, klagen, kritisieren, an den Pranger stellen, mich beschweren will, sondern um eine Stimme gegen Unrecht zu sein. Denn wenn ich nichts sage, wer wird etwas sagen? Genau. Niemand. So ist es meine Pflicht und Verantwortung. Viele Frauen schweigen, und viele Männer setzen sich nicht für Frauen ein, weil sie Vorteile davon haben, es nicht zu tun.

Was mir auffällt: Fast jede Lyrik und Märchensammlung und Prosa haben irgendwann das Thema, dass Ehefrauen von Ehemännern körperlich misshandelt werden: Es scheint anhand der Literatur ein “normaler” Tatbestand zu sein, sogar in Kinderliteratur und bei Loriot. Laut Kati Winter und Weißer Ring leidet mindestens jeden dritten Tag eine Frau durch ihren Ehemann an häuslicher Gewalt. Das dies “akzeptiert” wird, erschütternderweise auch von Frauen, ist selbst 2020 unsere Welt!

Auch alle großen Nachfolge-Stellen in der Kirchenmusik in Deutschland wurden 2020 erneut nur und ausschließlich durch Männer besetzt. Fast alle Kirchenmusikabteilungen in Deutschland sind nur mit Männerdozenten bestückt. Viele Stellen in der deutschen Kirchenmusik in Kirche und Hochschule wurden bis heute noch nie von Frauen besetzt, und es erscheint geradezu unmöglich, trotz Gesetze gegen Diskriminierung, dass Frauen hier jemals eine Chance haben auf eine Orgel-Professur oder eine Kantoren- oder Orgelstelle: Thomaskirche Leipzig, Nikolaikirche Leipzig, Musikhochschule Stuttgart, Musikhochschule Frankfurt am Main, Kirchenmusikhochschule Heidelberg… Man muss hier gegen Mauern kämpfen? Männer und ihre Lobby machen die Gesetze und Regeln, wen sie wollen und wer “gut genug” ist. Und alle schauen zu. Unter und seit Ludger Lohmann ist das Stuttgarter Team schon zu lange nur aus Männern bestückt, eine lange Reihe Männerjury, oft aus seinen männlichen Schülern bestehend. Ich empfinde, dass die deutsche Orgelwelt, die auch Carpenter kritisiert, ein frauenfeindlicher Männer-Verein ist, der sich gegenseitig die Stellen und Tauschkonzerte zuschustert. Ich erinnere mich, dass ich bei Lohmann in Merseburg Ad nos registrierte. Lohmann erkannte mich lange nicht, weil ich so jung aussah.

29. November 2020

Schlagwörter: ,

Kommentar verfassen

Am Instrument entsteht zur motorischen Bewegung ein Looping zurück zum Klang. (AHS)

Gesegneten ersten Advent!

Bin heute vertief gewesen in Mendelssohns vierter Sonate und Brahms as-Moll.

SWR-Nachtcafé ist eine der besten Sendungen überhaupt, dass es so etwas heute noch gibt. Super Moderator, sehr einfühlsam, interessant. Ganz tolle Werte, spannende Gäste. Manchmal höre ich mir das beim Üben an. Multitasking. (Ich höre allerdings auch manchmal Horrorgeschichten beim Üben an, oder wie man Morde aufklärt.)

Was mir aufgefallen ist: Wenn Frauen viel leisten, ist die Neugierde bis zu Stalking groß, und manche Männer können es nicht fassen, dass Frauen viel erreicht haben, es muss aus ihrer Sicht Hochstapelei sein. Bei Männern ist Leistung völlig ok und normal. Wenn Frauen mehr leisten als Männer, dann…

Es ist schön, trotz Leistung in Ruhe zu leben, friedlich. Ob beides zusammengeht? Dinge ändern, revolutionieren und friedlich leben?

27. November 220

Schlagwörter: ,

Kommentar verfassen

Ein Einsatzwiderstand wohnt jedem Anfang inne, nicht nur in der Physik.. Ich erinnere mich deutlich an den Einsatzwiderstand im Anfang meines Orgellernens. Den rocky start. Das Chaosmoment. (AHS)

Sehr schön ist auch die Franz Heißler-Orgel in Bartholomäus Waldbüttelbrunn, zweimanualig, zart, aber auch kräftig.

Ich liebe das poetische Cantus Firmus-Stück Heiliger Geist BWV 652. Es ist lang, aber keineswegs langatmig oder langweilig. Die singende, vokale, expressive Solostimme (eventuell mit leiser Zunge: Trichterregal oder zarte, liebliche Oboe) schwingt über den begleitenden Stimmen, eine kräftige, keine weiche, keine piano Solostimme. Vor aller polyphoner Komplexität darf das Lyrische des Werkes nicht vergessen werden: Die Sarabanden-Bewegung mit schwingender Vorhalts-2, die wunderschönen Ornamente, die durchgehenden, langsamen Triller und schmückenden Elemente, die Vorhalte, Mordenti, der Fluss.

Die sarabandenartigen Werke Heiliger Geist, Schmücke dich und Babylon sollten wohl nicht direkt nacheinander gespielt werden. Die Choralmelodie sollte man sehr gut kennen (Bachs Choralsätze). Es geht um die Kunst der Langsamkeit. Durch die Verschiebungen der Schwerpunkte und Akzente (Sarabande, Auftakte und Hemiola) bleibt es stets spannend. Die 3 darf nicht schwer sein. Ich mag es sehr, dass die begleitenden Stimmen oft länger sind als der c.f. 

Ist das Werk poetisch, gesanglich, ruhig, schwingend artikuliert gespielt mit gehaltener Spannung und ohne Brüche vor den Cantus Firmus-Einsätzen, schön registriert und ohne Ritardandi bei der artikulierten Melodieelementen und neuen Phrasen, kann es gar nicht lang werden. 

Das Schönste aber ist natürlich der Schluss, die letzten beiden Seiten: Der Halleluja-Teil wie bei BWV 651, und die Coda, das Jubeln, die Echos. Hier entscheidet sich das Tempo. 651 und 652 sind wunderschön hintereinander.

Und dann Toccata und Fuge 656  – es macht Spaß, ohne MW (außer bei den Echostellen) als auch mit MW – je nachdem, wo man sich befindet. Und es macht Spaß, Fassung weicher und langsamer, klagender –  und auch anders, Fassung schnell und heftig und wild, so dass die Orgel danach beruhigt werden muss. Das Stück bietet so viel Fläche. 

Ich freue mich, dass mich Anfang Dezember die Mainpost wieder interviewed. 

Liszt Ad nos habe ich nun viermal aufgenommen. 

Anbei das erste Video von der Ladegast Orgel in Schwerin. 

Meeres Zyklus, Ocean Cycle in 4 parts

Ich liebe dieses Video: 

 

17. Oktober 2020

Schlagwörter: ,

Kommentar verfassen

Orgellove. Ein Fest für die Orgel

Presse Kolbermoor Konzert

Ich freue mich wieder auf die blaue Ehrlich-Orgel: Die blaue, mainfränkische Orgel in der evangelischen Stadtkirche Bad Wimpfen vom süddeutschen Orgelbauer Johann Adam Ehrlich (1703-1784) ist ein Wunderwerk. Mit ihren zwei Manualen und 23 Registern erklingt sie farbig, warm und berührend. Ein Barockinstrument mit drei leuchtenden Klangkronen, das mit allen großen Orgeln mithalten kann. Der reiche Klang der Ehrlich-Orgel in diesem wunderschönen Raum ist sprechend und sehr differenziert in der angenehmen Akustik.

Es mag sein, dass es in Frankreich, USA und weltweit anders ist, aber in Deutschland, Österreich und Schweiz sind alle Kirchenmusik-Abteilungen der Hochschulen ausschließlich von Männern besetzt. Es sind 100prozentig nur Männer Orgelprofs, nur Männer Domorganisten, alle wichtigen Orgelkantorenstellen der Großstädte und Innenstädte haben Männer inne, KMDs meist Männer, es ist nicht mal 90-10. Und meist können sie nicht sonderlich gut Orgel spielen. Kantorinnen werden auf die viel kleineren Stellen oder in Würzburg auf die andere Mainseite verbannt, schlechter bezahlt. Die Jurys zu Kantorenstellen (zB Hannover) nur Männer, nur Männer eingeladen, es wird ein Mann (Stelle neue Bachorgel). Manche Kirchen wie in Leipzig oder auch Arnstadt hatten noch nie eine Frau als Kantorin. Der neue Leipziger Kantor St. Nikolai wurde von Anfang an als „neuer Kantor“ bezeichnet, es war von Anfang an klar, dass es nie eine Kantorin hätte werden können. Das wäre eine historische Angelegenheit gewesen! Oder neuer Thomaskantor? Eine Frau? Ich habe unglaubliche Orgel-Machos erlebt. Die Kantorenstellen sind keine musikalischen Stellen. Es sind politische Stellen. Diese Seilschaften betreffen viele “Musik”-Festivals, fast ausschließlich von Männern geleitet, die wiederum fast nur Männer einladen (außer die eigene Freundin).

21. Juli 2020

Schlagwörter: ,

Kommentar verfassen

Musik ist immer auch Politik; auch Bachs. (Stefan Bohman)

Ähnlich sagt es auch Törnblom. Beides Schweden. Meine Musik ist im Grunde auch etwas Politik.

Es ist spannend, wie sehr Stimme zur Persönlichkeit gehört. Schwingung ist Heilung. Klang erzeugen ist Heilung. Mit der Stimme noch mehr als am Instrument, da die Schallleiter, die Knochen noch intensiver nach außen (und nach innen) transportieren. Daher ist Sprechen und Singen so gut für uns. Es ist direkte Berührung anderer und mich selbst. Man kann also sich selbst durch Schwingung berühren. Auch am Instrument. Wir halten unsere Stimme viel zu oft an, als würden wir mit dem Kehlkopf denken und unsere Gedanken ordnen. Aber der Kehlkopf soll nicht denken, er soll entspannt sein. Wir denken ja mit dem Kopf.

Es ist also so, dass es ein physisches Gesetz ist, dass Schall, Klangerzeugung und Schwingung guttuend und heilend sind, man kann sich dem gar nicht entziehen.

Es ist schön, mit Stimme und lautlichen Eigenschaften, mit Prosodie und ihren Modi Dynamik, Agogik und Betonung (im Grunde Artikulation) zu arbeiten. So kann man als Künstler üben, wie man im Konzert mit dem Publikum kommuniziert und in Werke einführt (zB. nach dem ersten oder zweiten Stück) – persönlich, geerdet, mit Blickkontakt, frei, tief, einladend, warm, klingend, mit Bogen (ohne dass die Stimme nach jedem Satz nach oben geht, als würde man sich selbst in Frage stellen) und leicht nach hinten gelehnt. Es hilft, sich vorher zu dehnen, nach allen Seiten zu strecken, Nacken und Rücken zu spüren, auf den Fersen zu balancieren, auf den Zehenspitzen, zu singen und locker zu machen – und die Stimme sprechend bewusst einzusetzen.

Ich mag gern Griegs Anitras Dance. Ich liebe dieses Runde, in Eins zu dirigieren. Ich habe ein “Paket von großer Emotion, Persönlichkeit, Talent und Enthusiasmus” – aber Dirigieren studieren möchte ich auf keinen Fall noch. Wenn etwas sein soll, wird es schon werden. Denn es ist oft mit Leid verbunden, als etablierte Künstlerin an einer deutschen Hochschule zu studieren, da man sich außerhalb der Norm und des (autoritären) Rollenverständnisses bewegt, was für manche im System schwer zu verkraften ist.

Hm, ich mag noch immer sehr den Film Oben – ich habe ihn zuerst im Flugzeug gesehen und bin noch immer berührt vom Anfang.

Erinnern möchte ich heute an folgende wundervolle Dichterinnen und Künstlerinnen: (denn es stimmt: Es wird für nichts so viel Reklame gemacht wie für Männer: “Unentwegt erinnern sie an sich selbst: auf Geldscheinen, Briefmarken, Straßenschilder und Statuen, in Lexika und Zitatensammlungen” (insel-Taschenbuch 2783): – in denen Frauen kaum vorkommen, da Männer die weibliche Geschichte nicht sonderlich interessiert –

Camille Claudel (Bildhauerin), Germaine de Stael (politische Romane), Margarete von Navarra (Zeitdokumente), Gabriele Münter (Malerin), Mary Wollstonecraft, Gertrude Stein (Mutter der Moderne), Sor Juana Ines de la Cruz, Golda Meir – fast alle diese Frauen waren damals schon “Feministinnen”, was bedeutet, sie setzten sich dafür ein, dass Frauen Bildung und Freiheit haben durften. Und es fällt auf, dass die alle diese Künstlerinnen keine oder unglückliche Beziehungen zu Männern hatten. Sie waren mit “berühmten Männern” in Zusammenarbeit, wurden von ihnen als Geliebte benutzt, “schienen aber nur als Beigabe gesehen zu werden, als hätten Frauen kein ursprüngliches, echtes, eigenes Talent, als könnten Frauen keine schöpferischen Menschen sein.” (Gabriele Münter). Allein das von vielen Männern verächtlich angesehene Wort Feministin ist frauenfeindlich: Ist es nicht völlig normal, dass Frauen Bildung und Freiheit haben sollen? Ist es nicht im Gegenteil so, dies zu verweigern einen Namen braucht? Sexismus ist noch zu wenig. Es ist Femininhass. Diese Seite hier soll auch eine Erinnerung dagegen sein, was manchen Männern heute schon nicht passt.

Jedoch dieses Insistieren, mal vollmundig, mal zart, ist das Schönste bei Bach, das typisch Bache- dieser Nachdruck, die Intention. (AHS)

Sehr gute Registrierung ist komplexer als ich dachte, vor allem bei langen und großen Werken. Gestern und vorgestern habe ich mich den ganzen Tag mit Registrierung beschäftigt an einer neobarock-französischen Orgel in einer großen Kirche mit viel Hall. Dies kam dabei heraus – wobei man beachten muss, dass es manchmal leichter ist, in die Theorie verliebt zu sein als in wirkliche Praxis, zudem hat jeder eine eigene Philosophie:

  1. Jede Registrierung und Kombination wirkt und ist bei jedem Spielenden anders. Denn wie man auf die jeweilige Registrierung reagiert, spielt eine wichtige Rolle. Wenn man auf eine Registrierung nicht entsprechend im Raum reagiert, also mit Anschlag etc., hat die jeweilige Registrierung einen Großteil der Wirkung verfehlt oder klingt einfach anders hier als bei anderen. Wie man mit einer Registrierung arbeitet, hat auch mit Charakter und Typus zu tun. Man muss sich einlassen auf die jeweilige Registrierung. 
  2. Wichtig beim Registrieren sind die kleinen Schritte: Da die Registrierschritte aufeinander aufbauen, ist es entscheidend, immer den vorherigen Schritt im Ohr zu haben. Nicht darauf eine völlig neue Klangfarbe aufbauen, wenn der Klang insgesamt steigernd und rund sein soll. Dann bricht der Klang und damit auch die Phrase. Eigentlich ist das klar, aber welche kleinen Schritte kann man gehen? Um zu lernen, ist es gut, wirklich jedes einzelne Register einzeln zum bisherigen Klang zu testen, was den Klang runden kann in der Steigerung. Meist reicht ein Register aus, max. zwei, um im nächsten Schritt die Steigerung zu vollziehen. Und damit ist nicht unbedingt eine Mixtur oder eine Zunge gemeint, sondern zum Beispiel eine Quinte.
  3. Weniger ist mehr. Es geht nicht um Dezibel. Vorsichtig sein davor, zu früh viel zu laut zu werden. Achte auf die Akustik, den Hall und die Größe des Raumes.
  4. Finde heraus, ob ein Klang scheppert. Und dann finde, was den Klang scheppern macht. So wie andere ihren Klang auf der Violine finden, so muss ich ihn auf der Orgel finden. Das wird dann mein Klang.
  5. Finde heraus, ob ein Klang quietscht (Mixturen, 2-Füße) oder zu dünn ist oder nicht genügend zeichnet oder schmutzig ist durch zu viele Verdoppelungen oder ob sich etwas beißt oder Verstimmungen hervorruft, vor allem bei Zungen.
  6. Es mag sein, dass man eine nicht so gute Technik durch gute Registrierung ein Stück weit “wett machen kann”. Aber es kommt noch schlimmer: Eine sehr gute Technik kann durch schlechte Registrierung sinnlos oder unmöglich gemacht werden.   
  7. Vorsicht bei Zungen: Diese nicht, vor allem, wenn sie verstimmt sind, mit Prinzipalen mischen, sondern lieber mit Flöten und Aliquoten.
  8. Wenn Zungen verstimmt sind, was immer mal sein kann, diese lieber versuchen, zu vermeiden. Es ist eine Kunst, laute (verstimmte) Zungen zu vermeiden und dennoch eine gute Registrierung zu erreichen.
  9. Wenn die Zungen verstimmt sind, suche nur leise Zungen, Aliquoten, gute Ersatz-Kombinationen und versuche, Zungen zu kombinieren mit “reinigenden” Flöte und Quinten.
  10. Wenn in der Steigerung der Klang ohnehin schon sehr hoch ist, füge keine Mixturen ein, die noch heller machen, sondern versuche den Ton bodenständiger in der Steigerung zu bekommen, “tiefer”, abdunkelnd beispielsweise durch 16-Füße oder (leise) Zungen oder (mehrere) 8-Füße.
  11. Wenn der Klang “schwimmt”,  also nicht greift, entferne alles Überflüssige. Manchmal ist einfach ein Register zu viel – dieses eine finden. Es kann die 4-Fuß-Flöte sein, die unnötig ist. Spiele hierzu nicht nur ein paar Takte, sondern eine ganze Passage. Oft lassen sich Dinge erst im längeren Spiel erkennen bzw. erhören. 
  12. Oder manchmal fehlt ein Register, um den Klang runder zu bekommen. Finde dieses eine Register. Das ist anstrengend, vor allem, wenn das Abhören von Orgelregistern ungewohnt ist. Oft ist es eine Nuance, also ein Register, nicht eine ganze Gruppe. Eine einzige Nuance kann den ganzen Klang verändern! 
  13. Achte immer auf den Schweller, in welcher Position er sich befindet. Es ist verheerend, den Schweller zu vergessen! Achte auch darauf, dass er, wenn du ihn brauchst, auch angewählt ist durch eine Koppel etc. Sonst bewegt man den Schweller umsonst. 
  14. Achte immer auf die Koppeln! Diese nicht vergessen: Habe ich wirklich alle mir zu verfügenden Koppeln ausgeschöpft? Oder eine vergessen? Koppeln sich nicht scheuen, zu verwenden.
  15. Mixturen und laute Zungen bewusst als Höhepunkt einsetzen. Vorher nicht. Achte hierbei auch darauf, welche Mixtur gerade die passendste ist. Wenn man drei zur Verfügung hat, sind diese drei unterschiedlich. Welche ist die schärfste, welche die rundeste? Meist auf keinen Fall einfach alle drei ziehen, sondern auswählen.
  16. Verwende keine bereits gesetzten Setzer anderer, auch wenn sie frei sind. Meist sind sie unpassend oder schlecht.
  17. Achte darauf, was du zur Mixtur ziehst. Meist sind dann nicht noch zusätzlich 2-Füße notwendig, wenn die Mixtur atmen will. Sei überhaupt vorsichtig und sparsam mit 2-Füßen.
  18. Achte auf das Rückpositiv. Es ist meist nah am Publikum und dadurch beispielsweise für Begleitung nicht geeignet. Es klingt meist im Raum viel lauter als am Spieltisch. Für Begleitung das dritte Manual (Schwellwerk) verwenden. Achte hierbei auch auf alles, was an das Rückpositiv gekoppelt ist! Die Koppeln nicht vergessen. Beispielsweise eine Quintadena ist hier für eine Solostimme gut geeignet. Nicht “einfach so” einbauen.
  19. Das Schwellwerk ist sehr gut für alle pp-Stellen und für Begleitung.
  20. Vorsicht bei manchen Manualwechseln: Oft entsteht hier ein größerer klanglicher Bruch, als wenn man umregistriert.
  21. Manchmal oder oft sind Manualwechsel an  manchen Orgeln nicht möglich. Das macht nichts, einfach akzeptieren.
  22. Bei gewissen Klangvorstellungen (beispielsweise dass es glitzern soll), reicht eine oder zwei richtige Knöpfe- unnötige Verdoppelungen vermeiden. Eliminiere das, was den Klang nicht verbessert oder nicht verändert.
  23. Zu viel Schweller-Aktivität und Schwebung bei Liszt vermeiden.
  24. Kurzum: Achte darauf, alles was ungewollt schmetternd, scheppernd, scharf, schmutzig, laut, quietschend klingt zu vermeiden. Orgelspielen heisst nicht, laut spielen. Es heisst nicht, Zungen und Mixturen ziehen. Auch nicht im Pedal. Sei sehr sparsam mit Mixtur im Pedal. Sei sparsam mit Zunge im Pedal. Achte besonders darauf, wie und wann du welche Zunge einsetzt. Eine zarte Oboe ist häufiger einsetzbar als ein Fagott Basson 16 oder eine Posaune oder ein Krummhorn.
  25. Baue erst mal so viel wie möglich ohne Mixtur und Zungen und nehme diese dann noch vereinzelt, wenn es passt. Alles, was hinzu zu Zunge und Mixtur gemischt wird, muss passen und abgestimmt sein. 
  26. Wenn du eine Registrierung hast, wende sie auch entsprechend spielend im Raum an, was Anschlag und Absprache etc. angeht.
  27. Lieber weniger und gut registrieren als zu viel, zu laut, Phrasen zerstörend oder verkleinernd.
  28. Oft kann man im Pedal auf zwei 16-Füße verzichten in leisen Stellen der Romantik. Eine reicht. 
  29. Besondere Vorsicht vor (besonders bei neobarocken Orgeln mit französischem Zusatz): Mixtur, Krummhorn, Zymbel, Cornet, Vox Humana kurzbechrig, Tierce, Vox Celeste Schwebung, Posaune, Basson… Vorsicht mit der Quinte, wenn sie gekoppelt ist, beispielsweise Pedalkoppel. Und immer Vorsicht mit Mixtur im Pedal, da sich die Manuale dann komplett anpassen müssen. 
  30. Lieber weniger beim Anpassen nehmen als (heftiges) Aufregistrieren. Generell Vorsicht beim Aufregistrieren! Immer sensibel, erst mal nur eins dazu, max. zwei. Auch wenn man meint, am Spieltisch keinen Unterschied zu hören, so hört man es doch unten. Nie massiv aufregistrieren, außer es soll so sein. Oft ist es nur ein Hauch, ein Mü, was den Unterschied und die Steigerung tatsächlich ausmacht. Zudem muss man beachten, dass es einen Unterschied macht, ob viele oder wenige Menschen in der Kirche sind. 
  31. Am nächsten Tag ausgeruht noch mal hin und Registrierungen überprüfen, wenn alles verdaut ist. Wie, wenn man gemalt hat, das Bild über Nacht trocknet und man es am nächsten Tag prüft. 
  32. Schweller: Immer ganz sachte bedienen, die Wirkung ist oft stärker unten als gedacht, es muss ganz sachte immer zur Phrase passen. Den Schweller stark im Griff haben, um ihn sachte bedienen zu können. 
  33. Spaß dabei nicht vergessen! Registriere die Freude im Kopf. 

Hey-Orgel Bad Windsheim 2020

16. Juli 2020

Schlagwörter:

1 Kommentar
Kommentar verfassen

Gesundheit ist so musikalisch, dass alle Krankheiten nichts anderes als Misshelligkeiten sind. (J. G. Mattheson)

Ich freue mich auf das Konzert in Erlangen, auf das Interview im Kessener und Interview im Buch von Siranus Sven von Staden (gestern erst Zoom-Meeting Innsbruck, dann Zoom-Meeting Ibiza). Leider muss die Aufnahme Hannover wegen Corona verschoben werden.

25. Juni 2020

Schlagwörter: ,

Kommentar verfassen

Vertrauen ist oft das Gegenteil von Performance. (AHS)

Mir gefällt an Liszt, dass er wie ich viel gereist ist in seinem Leben. Er hatte mit Ad nos als Erster ein echtes Wagnis kreiert: Ein sinfonisches Gedicht, das nirgendwo zum Schluss kommt außer ganz am Schluss – nach 45 Minuten Spielzeit (bzw. 28 Minuten (!), wie es heute üblich ist). Das Stück basiert auf einen Text. Auf den Text der Oper “Der Prophet” eines jüdischen Musikers: Meyerbeer aus Paris. Und das, obwohl Liszt plötzlich Wagner in der Familie hatte, der aus Neid, weil Meyerbeer Paris musikalisch fest im Griff hatte, recht antisemitisch war. Die Verbindung der Oper Meyerbeers zum Orgelwerk Ad nos ist interessant.

1859 wurde Ad nos zur Ladegast-Einweihung in Merseburg durch den jüdischen Virtuosen Winterberg (der später etwas unter die Räder kam) uraufgeführt. Zum ersten Mal wurde hier offiziell dokumentiert, dass es Registranten gab, drei Stück an der Zahl: Liszt, Ladegast und der Organist der Kirche.

Da ist also dieser wagemutige Liszt, der überall seine Soireen gegründet hatte (bei denen es anders zuging als heutzutage), Juden wohlgesinnt, und schrieb Ad nos, das sowohl ein Gedicht, eine Oper als auch eine Sinfonie ist.

Auch Liszt-Schüler Reubke baute sein Werk auf den dramatischen Text des Psalm 94 auf, nicht auf eine Melodie.

Lustig ist: Bei Zoom und Skype, dass ich da wohl angeblich immer “schreie” – als wäre der andere taub. Es fragte mich mal jemand, wie alt mein Gegenüber gewesen sei, weil ich so laut geredet hätte. Irgendwie mache ich das instinktiv, um die räumliche Entfernung zu überbrücken – selbst wenn das Meer dazwischen liegt.

Neu: Bach BWV 527 d-Moll, Video: Lingualpfeife, von Würzburg gefördert:

Von YouTube erstellt:

13. Juni 2020

Schlagwörter: ,

Kommentar verfassen

Es geht beim Musikersein nicht um Beruf allein, sondern um Berufung. Eine Berufung ist nie ein Hobby. Das schließt sich aus. (AHS)

Nun schreibe ich den 13. Juni auf den letzten Drücker. Es war ein schöner Tag mit schönen Orgel- Aufnahmen. Es ist sehr interessant zu sehen, was auf einer Orgel geht und was nicht. Auch gerade was nicht geht, bringt einem die Orgel näher. Jede Orgel hat ihre Eigenarten, ihre Stärken und Schwächen, genau wie ich. Die Hoffmann-Orgel in Heidingsfeld mit ihrem leuchtenden Licht gefällt mir sehr gut, und Ludwig alias Lingualpfeife hat diese Orgel mit seinen Videos berühmt gemacht, und die Leute pilgern hierher.

Auch die Hochzeit in St. Kilian Bad Windsheim war sehr schön. Eine tolle große Orgel, ganz anders als die Hoffmann-Schindler-Orgel – es macht Spaß, jeden Tag eine andere, neue Orgel-Persönlichkeit kennenzulernen und sie automatisch positiv miteinander zu vergleichen. Dadurch lernt man selbst sehr viel für das eigene Spiel. Es macht mir Spaß, mich an die Orgeln anzupassen. 

Überall um die beiden Kirchen herum blühen die Rosen. Ich habe auch schöne Rosen bekommen. Und natürlich waren wir Spargelessen, ich könnte jeden Tag Spargel essen. Fränkischen Spargel natürlich. 

Ich glaube, durch das Aufnehmen lernt man auch enorm viel. Ich fokussiere mich ganz anders.