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13. Juli 2019

Orgel: Spiegelbild der Seele. Technik an der Orgel 

Es ist wichtig, das Pedal wirklich zu hören. Der Bass setzt die Zeit. Das Mass. Durch meine Geschichte bin ich daran gewöhnt, das Helle, Obere als Lead-Voice wahrzunehmen. Der Bass war höchstens der Butler, der den Tee bringen durfte.  Jedoch ist er ein wahrer Gentleman, ein eleganter Diener, der eigentlich der Boss ist, aber gern dienend und tragend ist, wie ein Hirte die hellen Stimmen zusammenhält, zu edel, um sich wichtig zu tun.

Es ist sehr wichtig, ihn wahrzunehmen und zu formen.

Es gibt nicht viele gute Orgelpädagogen. Das Pedalspiel ist zunächst vom Sitz her eine rein pragmatische, sehr körperliche Angelegenheit, die nichts mit Musikalität zu tun hat. Das mag großen Männern nicht so vorkommen, die autodidaktisch Orgel gelernt haben. Aber zunächst mal ist es körperlich ungewohnt, gerade und mittig und nicht zu weit nach hinten zu sitzen und dennoch frei mit den Fußgelenken, mit den Beinen zu sein, gerade außerhalb der Comfort-Zone – ohne ein schwer arbeitender Hampelmann zu werden, oder besser eine kleine Hampelfrau. Das heißt, Bauchmuskeln sind hier angesagt. Was haben Bauchmuskeln mit Musikalität zu tun? Nichts.

Mittig. Ruhig. Fußgelenke. Wissen, was wo wann bewegt wird. Statik. Das stark machen, was noch schwach ist. 

Dann kommt die Musikalität: Die Orgel singt ganz anders als der Flügel. 60 Prozent der Orgelmusik ist wortbezogen. Ganz anders als beim Flügel. Die Orgel spricht. Sie singt sprechend! Der Flügel brilliert. Das geht so bei der Orgel nicht, im Gegenteil,  ist verheerend. Gewisse Vorteile vom Flügel helfen mir bei der Orgel nicht: Virtuose Finger, schnelle Triller (“Sie trillern einfach zu gut”), Überlegato, meine “übergerüstete” Technik, selbst meine Gabe, Obertöne am Flügel hervorzuheben und mit dem Handgelenk Klang zu schaffen – bei der Orgel sinnlos. Nicht nur sinnlos, sondern falsch. Diese unterschiedlichen Parameter muss man ganz genau kennen, die müssen ins Blut übergehen. Ganz pragmatisch. Das Singen an der Orgel erfolgt ganz anders. Es wird auch anders artikuliert.

Es mag widersprüchlich klingen: Auf der einen Seite nicht übergerüstet sein, sondern so wenig wie möglich geben, sich tragen lassen, auf der anderen Seite hoch aufgerüstet in allen Facetten der Artikulation sein, und wissen, wie. Das Ohr allein hilft nicht. Man braucht das ganz pragmatische Handwerkzeug, Zeit und Erfahrung. 

Daher ist das Orgelbüchlein so wichtig. Die Orgel kennt und spricht und verkündet, sie ‘tutet’ und dröhnt nicht.

Bei ihr muss der Ton geschnitten und gelüftet werden, nicht wie beim Flügel möglichst gezogen. Gravierende, faszinierende Unterschiede. Bach wusste dies ganz genau. Er wusste, wie er durch seine introvertierte d-Moll-Triosonate lyrisch seufzen und Ton verpuffen lassen kann, um dennoch eine dramatische Linie zu halten bis zum Höhepunkt. Bei ihm ist nichts wie am Fließ band wie bei Händel, dem Könner (jedoch die Händel-Perahia-CD ist schön). Jede Triosonate Bachs ist anders vom Charakter.

Zudem ist die Orgel imitierend. Sie ist eine sprechend-singende, imitierende, predigende Frau. Vielleicht sogar eine schwarze Frau. Eine mit dem Blues.

Bach ist der Weg zur Orgel. Blues und Bach sind ganz nah. 

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