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26. Januar 2020

Sich des Lebens zu freuen, ist die beste Kosmetik. (Rosalind Russell)

Es war spannend, die wunderschöne, dreimanualige Walcker-Schuke-Orgel in der evangelischen Versöhnungskirche Völklingen/Saarbrücken an der Saar zu spielen, eine der klangvollsten Orgeln, die ich bisher kennengelernt habe. Die Kirche hat eine edle, hohe, oval wirkende Decke durch ein majestätisches Deckengemälde “über die Siegkraft des Evangeliums”, die Kirche ist jedoch oben nicht rund, es scheint nur so. Die unten thronende Orgel mit den ca. 55 Registern und den Löwenköpfen ist optisch sehr ansprechend angelegt. Ich liebe die Farben dieser Orgel und das Rückpositiv. Man kann hier alles spielen, Bach, Liszt, Neue Musik… Ich war von Anfang an eine Verehrerin von Walcker und Schuke. Hier in dieser Orgel von 1930 findet man beide Künstler vereint.

Man ist ab hier ganz nah an der Grenze zu Frankreich, ganz nah an Forbach. Überall gibt es schon französische Bäckereien und französische Lidls. Es gibt auch das Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Es ist interessant, Industrie als Kultur zu bezeichnen, und Saarstahl. Am Anfang, als ich das Wort Hütte ständig im Gespräch mit mir hörte, dachte ich, es wäre ein Slang, der hier für Haus verwendet wird, nach dem Motto Bude. Vielleicht fehlt es mir trotz meiner Reisen doch an Weltgewandtheit für andere Dinge als Musik. Onkel Toms Hütte? Oder Die Hütte, in der Gott eine schwarze Frau ist?

Die Saar fließt in die Mosel. Ich wurde dann ins französische Forbach gebracht. Dort gibt es in der großen, gotischen katholischen Kirche Eglise Saint Remi eine beeindruckende monumentale Orgel mit ca. 60 Registern, über 3000 Pfeifen und vier Manualen, eine Haerpfer-Orgel. Sie thront ganz weit oben, klingt mächtig ins Kirchenschiff hinein und besitzt im Prospekt viele Kupferpfeifen. Hier klingt vor allem französische Musik gut, französische Romantik und französischer Barock. Mozart und Bach eher weniger. Es war spannend, sie zu spielen, denn sie hat heftige spanische Trompeten und andere (scharfe) Zungen, als hätte man eine Ladung Chili in die Orgel gekippt. Die 32-Füße und eben dieses Chamade-Register machen die Orgel ohrenbetäubend laut. Mein erster kleiner, musikalischer Auslands-Ausflug 2020.

Das kleine Saarland ist eine beeindruckende Orgellandschaft. “Gehst du an einer Kirche vorbei und hörst du Orgel darin spielen, so gehe hinein und höre zu. Wird es dir gar so wohl, dich selbst auf die Orgelbank setzen zu dürfen, so versuche deine kleinen Finger und staune vor der Allgewalt der Musik” (Robert Schumann).

Außerdem kann man hier wunderbar shoppen, obwohl ich nun wirklich kein Shopping-Typ bin. Aber mir wurden zwei besondere Läden schmackhaft gemacht, die es sonst nicht gibt, süße Läden alle rund um den St. Johanner Markt, dort habe ich mir in YaaYaa einen Samtschal von Monk & Anna gekauft, eine Stola, weich, in einem rauchigen hellen, etwas glitzernden Blau. Ein Blau, das sehr gut zu meinen Augen passt. Die Stola kann man sehr gut an der Orgel in Konzerten tragen, wenn es kalt ist. Es gibt Schalbinde-Apps auf dem Handy. Und man kann sich hineinkuscheln. Es gibt Leute, die behaupten, dass ich mich gern “verstecke”, hinter meinen langen Haaren oder in langen Ärmeln und Pulswärmern und daheim mit Kissen – und dieser Schal eignet sich ebenfalls hervorragend. Und warum sollte man sich nicht vor dieser Welt ein- und wegkuscheln?

Außerdem kaufte ich mir ein neues schwarzes Konzertkleid, zart-glitzernd, und ein rotes Tüll-Jäckchen von der israelischen Designerin Alembika in Autre Chose. Ich wurde sehr liebevoll von allen Seiten beraten und bekam am Ende dazu eine schöne grüne Tasche. Ich liebe zwar mein altes Samtkleid aus den USA, das ich auf allen Konzerten trage. Aber…

Essen waren wir im Luuc in der Türkenstrasse und in der Kartoffel, in der es typisch saarländische Kartoffelgerichte gibt, aber auch Lachsauflauf, den ich genommen habe. Es gab auch leckere Waffeln mit Mascarponecreme. Das Saarländisch ist ein lustiger Dialekt.

Es hat Spaß gemacht, die Mittagsmusik mit Mozart an der großen Beckerath-Orgel in der Ludwigskirche (1762-1775  von Stengel erbaut) zu spielen. Danach waren einige Kinder oben an der Orgel, denen vor allem mein eigenes Werk gut gefallen hat. Sie haben in Snö (Schnee) ein Stück gehört, in dem sie sie eine Maus erkannt haben, die in der Orgel herumgelaufen ist. 🙂 Die Erwachsenen haben den Schnee gehört, sie sagten, sie hätten “das weiße Rauschen” und das Nordlicht erkannt, und wie unterschiedlich Schnee fallen kann und dass Schnee unterschiedliche Temperaturen hat. Das hat mir sehr gefallen. Das Stück ist eine Kompensation dafür, dass wir leider keinen Schnee mehr haben.

Danach waren wir auf dem Markt hinter der Ludwigskirche, auf dem ich zum ersten Mal saarländischen Mispelbrand probiert habe (ich konnte ihn nicht trinken, schon gar nicht “kippen”) und Bliesgau (Kirschbrand), der schon besser geschmeckt hat, da er süßer war. Der Mispelbrand wird aus Riesenmispeln hergestellt, erklärte man mir, und diese würde man “Hundsärsch” nennen. Es gab auf dem Markt aber auch Eier, Wurst, Obst, Oliven… Es gibt auch ein Restaurant in Saarbrücken, das eine englische Karte hat, in der bestimmter Wein als “furzdry” angekündigt wird (=furztrocken).

Es war natürlich auch sehr schön, in der Basilika St. Johann direkt am Johanner Markt die herrliche, fünfmanualige romantische Mayer-Orgel zu spielen. Sie hat ganz besondere Solostimmen, man kann unzählige Farbkombinationen zusammenstellen, und besonders Spaß macht es, Register zusammenzuziehen, die eigentlich nicht zusammengehören. Man kann hier wundervoll ausprobieren und improvisieren. Allein die vielen zarten Vierfüße, die es gibt… auf jedem Manual mindestens einen. Wenn ich eine neue Orgel kennenlerne, probiere ich momentan immer erst Mozarts Flötenuhr mit den Vierfüßen und arbeite mich von dort nach außen. Anhand der Vierfüße kann ich sofort erkennen, “wie die Orgel klingt und tickt”. Wir waren auch kurz in der Schlosskirche und in der schönen HfM und in der Musikschule. Es gibt noch einige tolle Orgeln, die hier kennenzulernen sind, die englische Orgel und die Orgel in St. Michael, der Silbermann-Nachbau in Forbach, den der Niederländer Koopmann einweihte, die Kuhn-Orgel in St. Arnual… Der Tourblog hilft mir, meine Gefühle und Erinnerungen zu reorganisieren für einen Gesamtsinn im Leben. Vermummen und ein-igeln und doch öffentlich sein, das ist kein leichter Gegensatz. Sind Menschen nicht etwas verrückt?

Das Saarland ist eine Erfahrung. Ich habe dort vor langer Zeit schon mal gespielt, jedoch war ich noch keine intensive Woche dort, und kenne nun mehr Orgeln und Kirchen als die meisten Saarbrücker. Interessant sind auch die Kompositionen von Theo Brandmüller.

Die Orgelpfeifen brauchen den Luftstrom genauso wie die Welt den Geist Gottes. Die Orgel steht zwischen Himmel und Erde wie wir.

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