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Schuke-Orgel-Detwang

Künstlerinnen leben in unbekannten Räumen. (Kiki Smith)

4. Oktober 2022: Wer eine Orgel nicht wie eine Geige oder ein Klavier sehen kann, sollte sich fern halten. (AHS)

Künstlerinnen leben in unbekannten Räumen. (Kiki Smith)

Die Musiklandschaft in Mitteldeutschland ist spannend, zum Beispiel das Heinrich Schütz Musikfest, auf das ich mich freue, ein Festival mit Festumzug, Chören, Musik und Schauspielern.

Dom Halberstadt

Wir waren heute in Halberstadt, eine kleine schöne Stadt (Größe Weißenfels, ca. 38.000 Einwohnerinnen) mitten im leuchtenden Harz oben in Anhalt. Die Stadt wurde 1945 zu 80 Prozent zerbombt. Auch der Dom. Wir aßen chinesisch und gingen dann in den wundervollen evangelischen Dom.

Die Orgel (heute Eule) hat eine bewegende Geschichte hinter sich. Das historische Gehäuse ohne RP im Westen ist eine mächtige große braune Wand aus Engeln und Pfeifen. Man darf hierbei nie vergessen, dass es sich um ein Instrument handelt, nicht um etwas Abschreckendes, Fernes, Altes, Riesiges. Jede dieser großen (historischen) Orgeln hat einen zarten lebendigen Kern mit Herzschlag, Anschlag, musikalisch und empfindlich, in sich, zart und fein. Wenn dies nicht so wäre, würde ich Orgeln als steif und unmusikalisch empfinden und sie nicht spielen.

Ich glaube, viele Männer (die kein anderes Instrument sehr gut spielen), sehen Orgeln als etwas Machtvolles, mit vielen „Knöpfen“, um „ganz laut zu spielen“. Das ist eine sehr unmusikalische Einstellung. Denn: Was macht ein Instrument aus?

Was ist ein Instrument? Etwas, das lebendig und dynamisch ist und schwingt und atmet und Klänge erzeugt, die von ganz leise bis laut gehen. Wer eine Orgel nicht wie eine Geige oder ein Klavier sehen kann, sollte sich fern halten. Wer nur von Größe und Macht und vielen Knöpfen angeturnt wird, ist ein unmusikalischer Mensch. Wer kleine Orgeln ablehnt, ist meiner Meinung nach ein Unkünstler. Ich befürchte, dass es davon in der Kirchenmusik viel zu viele gibt.

Eule-Herbst-Röver-Orgel Dom zu Halberstadt, 66 Register, 4 Manuale. Zuvor gab es hier die größte gotische Blockwerkorgel von Faber und Kleng (1495), jedes Werk auf einer Windlade, 20 Bälge. Dann gab es eine David Beck Orgel um 1590 mit Pedal, dann eine Ernst Röver Orgel 1901 mit pneumatischen Kastenladen ❤️. Diese wurde 1945 zerstört durch Feuchtigkeit. Vor Röver war es eine große Herbst-Buchholz-Orgel um 1718 und 1837. In den Herbst-Prospekt und mit Material von Röver baute Eule eine neue Orgel, die jedoch bald erneuert werden soll. Zudem soll der Lichttunnel von Herbst wieder einfallen dürfen. Hüfken hatte 2000 die Setzeranlage eingebaut.

Vorn im Dom gibt es ein entzückendes Positiv. Der Lettner ist gewaltig und hoch verziert. Wir besuchten die Ausstellung des berühmten Domschatzes.

Domschatz Halberstadt und Aberglaube

Hierbei muss ich leider folgendes anmerken, es liegt mir auf der Seele:  

1. Der angepriesene Domschatz (Eintritt 16 €) ist geraubtes Kreuzfahrer-Gut aus anderen  Ländern, als der Dom noch katholisch war. Es wird also ein Schatz bestaunt, an dem Blut klebt. Konstantin hat geplündert, geraubt und gemordet und brachte dann das Diebesgut zu sich und in den Dom. Es sollte zurückgebracht werden. Als Halberstadt 1945 zerbombt wurde, überlebte nur der Schatz, und zwar vollständig. Sagt das nicht alles aus? Zurück damit! 

2. Der Schatz ist blasphemisch dargeboten: Es heißt allen Ernstes, die „Schädeldecke des Stephanus aus der Bibel“ sei in der „Reliquie“. Das ist natürlich absurd, erstunken und erlogen und damit Blasphemie. Belege fehlen natürlich hinten und vorn. Es ist purer Aberglaube. Ich kann so was nicht gut heißen. Die Leute werden für dumm verkauft.

3. Weiter heißt es, „Kreuzsplitter des Kreuzes Jesu“ seien „in Kunstwerken über dem Lettner eingearbeitet“. Das schießt dem Faß den Boden aus. Kann es sein, dass für Leute, die solche Lügen behaupten, die Bibel nur eine Legende ist, mit der sie machen können, was sie wollen? Dass sie im Heiligen Land geplündert und bedroht haben, damit sie irgendwelche „Gebeine“ mitbringen können? Dass sie nicht glauben, dass Jesus und Stephanus reale Personen waren?

Dann ist das pures Heidentum ohne Ehrfurcht. Das betrifft jeglichen Reliquien-Aberglauben, auch im Kölner Dom. Es werden aus realen Ereignissen lächerliche Märchen und Raubzüge gemacht. Eine blonde Locke der Jungfrau Maria – wie dumm kann man sein! Maria ist nicht blond gewesen und Locken hatte sie sicher auch nicht – und ganz sicher ist ihr Haar nicht in einer „Reliquie“.

4. Dieser sogenannte harmlose Kult ist Raub und Spott und eigentlich eklig und respektlos und traurig. Ich bin froh, dass zumindest nicht gesagt werden kann, Jesu Schädeldecke sei in einer Reliquie.

Sicher, viele dieser Abergläubler würden es lieben, das behaupten zu können. Geht aber nicht. Denn er ist auferstanden ❤️ Pech für Reliquien-Gläubige (was eine eigene Religion zu sein scheint).

Sehr schön ist der große Domplatz und der Kreuzgang mit Brunnen (erinnert mich sehr an Merseburg), die Türme und Glocken.

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Dom-zu-Halberstadt

2 Antworten auf “Künstlerinnen leben in unbekannten Räumen. (Kiki Smith)”

  1. Matthias

    Unkünstler mit Pfeifenorgelforum-Horizont kapieren das gar nicht. Brauchen sie auch nicht. Die sind glücklich mit ihrem kleinen Horizont. Und dann ab und zu mal vom Niederrhein nach Ostfriesland und den dicken Maxen machen. Und das eigene Spiel mit dem Klang der Orgel -aufgenommen über die eigenen unstudierten Kartoffelohren – verwechseln oder verdecken. Nun ja.

  2. Andreas Friedrich

    Ich bewundere deine Ideen zur täglichen “Ausmalung” des Blog. Es stimmt, jede Orgel ist ein Kunstwerk für sich – egal ob groß oder klein. Wer so wie du auf allen so super Musik erklingen lässt, ist zu beglückwünschen – möglich durch Talent und Hingabe. Sehr bemerkenswert finde ich deine Einschätzung über den Domschatz. Das bist du: ehrlich und direkt. Ich hörte es ja während des Rundgangs mit eigenen Ohren bereits. Danke für das gemeinsame Erlebnis Halberstadt.

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