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19. Dezember 2021

Wir können.. verfolgen, wie Äußerungen zirkulieren, von Hand zu Hand gehen.. (Bruno Latour)

Oben: Steinway, Kleiner Saal HfMDK Frankfurt 

Bin in Stuttgart angekommen. Morgen 13 Uhr Konzert. Mein Hotelzimmer ist kuschelig. Die Stadt glitzert mit Pferd und Porsche und auch die Straßenmusik ist alles andere als christliche Weihnachten: Asiatische Panflöte spielt Popsongs und türkische Bands muslimische Lieder. Viele hören zu. Ein kleiner einsamer Chor junger Leute singt Hosianna und niemand hört zu. Doch: ich. Auf Werbeplakaten steht „Magische Weihnacht“. Und überall ist Weihnachten = Essen und Geschenke. Ich habe das schöne WO in der Stiftskirche gehört, top gesungen. Jedoch wirkt das WO für viele an sich schon „als Akt von Weihnachten“. Seltsam, denn das alles hat mit Weihnachten nichts zu tun.

 Mein cosy-kuscheliger Hausanzug mit weißen Bommeln ist aus England angekommen. Und das schöne Buch über die Komponistin Emilie Mayer, von Barbara Beuys geschrieben. Es ist sehr gut und zeigt viel Lehrreiches, warum es begabte Frauen bis heute so schwer haben.

1812, als Emilie geboren wurde, haben Frauen im Jahresrhythmus (!), in einer Zeit, wo Hunger, Krankheit, Not und Krieg herrschten und es kaum Verhütungsmöglichkeiten gab und die Frauen kaum Zugang zu Ärzten hatten und jede Geburt lebensgefährlich und schwächend war, Kinder geboren, jedes Jahr. Deswegen sind sehr viele junge Frauen und Kinder gestorben. Weil die Männer sich nicht zurückhalten konnten mit dem Drang nach Sex. Das ist fahrlässige Tötung, im Grunde Mord. Dann haben die Männer die nächste junge Frau geheiratet, die nach spätestens vier bis zehn Jahren ebenfalls tot war nach einer der vielen Geburten. Das waren Dauer-Geburten. Männer lebten natürlich länger, sie hatten ja nur Sex, keine Geburten. Damit band der Mann die Frau auch ans Haus und machte sie komplett abhängig. Um Kinder und Liebe ging es hier nicht. Sondern um den Wunsch nach Sex und Macht. Die Frauen aus den Unterschichten hatten es hier besonders schwer. Sie mussten irgendwie überleben.

1778 schrieb der Jurist von Hippel hierzu, dass Männer ein ganzes Geschlecht, also das weibliche, zu einer “Sklavenklasse” erniedrigt hatten. Via Gesetze. Bis heute haben Männer der Erde viele Frauen zu einer Sklavenklasse degradiert.

 

Die Bach-Orgel im Großen Saal: Helmut Walcha-Orgel. HfMDK Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Schleifladen, 38 R, 3 M, C-g3, Prinzipalchor-Tritte, 3 Setzerkombinationen, Normalkoppeln, Registertraktur elektropneumatisch, Spieltraktur mechanisch. Meine erste Studiums-Orgel ❤️

Die Orgel ist zwar optisch nicht die Schönste, da kein Prospekt in dem Sinn zu sehen ist, hinter Gitter, auch weil der Saal dunkel wirkt, aber sie hat Geschichte. Und daher ist sie faszinierend. Ich habe bezüglich Registrierung sehr viel an ihr gelernt und halte sie für denkmalschutzwürdig aufgrund ihrer Geschichte. Sie ist geduldig, mächtig und robust.

Ich finde die Orgel klanglich wunderschön, nicht nur neobarock und “puristisch”, wie Stefan Viegelahn und Carsten Wiebusch die Orgel 2019 darstellten, nur weil keine französische Musik (und selbst das geht) auf ihr möglich sein soll. Der Drang mancher deutscher Organisten, französische Musik beinahe als das “Nun plus Ultra” anzusehen (ausgerechnet wir, die wir Bach und Buxtehude und Bruhns und Mendelssohn und Liszt usw. haben,  alles Komponisten, die an dieser Orgel wunderbar gehen und vielfältig und breit angelegt sind – und wer kann dies alles schon vollständig und gut genug spielen?)! Seltsam, zu meinen, vor allem eine französische Orgel zu brauchen. Um im Zahn der Zeit zu liegen. Zudem: Wer fast nur Männer reden lässt in einem sogenannten “Orgelsymposium”, hat nicht verstanden, wie man aus den erschreckend schwindenden Zahlen von Kirchenmusikstudierenden mehr machen kann. Zudem ist die Behauptung, das “Instrumentarium” der Stadt biete für die Studierenden nicht genug Orgeln, zu hinterfragen – es gibt gute Orgeln in Frankfurt, aber manche sind einfach nicht zugänglich, beispielsweise lässt Martin Lücker bewusst fast niemanden an die Orgel. Er hat zuvor an der HfMDK unterrichtet, was die Klasse enorm geschrumpft haben soll, wie ich gehört habe. 
Wer eine französische Orgel will, muss einen ganz anderen Saal bauen. Französische Musik in einer trockenen Akustik, soll das authentisch sein?

Die Franzosen hätten vor dieser wunderbaren Beckerath Orgel viel mehr Respekt. Sie würden sie feiern und sie großartig restaurieren: Ein paar Streicher dazu, eine Setzeranlage – und die Welt würde offen stehen.

Neu: Orgel-Information Beckerath Orgel Frankfurt am Main

Beckerath Orgel HfMDK Frankfurt am Main

Bach Beckerath Orgel

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