7. April 2025: Unmusikalität ist eine Einstellung. Ein Mindset.
Foto: Konzert Heftrich, historische Voigt Orgel Südhessen
Ganz geniale Orgeln haben keine drei Manuale, zB die Trost Orgel in Altenburg. Um fehlenden Anspruch kann es also nicht gehen, sondern um Repertoire, Klang und Können. An kleinen, feinen Orgeln braucht man andere Werke, andere Technik, muss sich sehr flexibel umstellen können und auch zarte oder kleine, direkte Klänge zum Leuchten bringen. Alles läuft über das Ohr, über die Musikalität, über Virtuosität. Die pianistische Ausbildung und die norddeutsche Orgelausbildung hilft sehr an kleineren Orgeln.
Instrumente miteinander zu vergleichen, um sie ab- oder aufzuwerten, macht keinen Sinn. Das ist, als würde man Menschen miteinander vergleichen, um sie ab- oder aufzuwerten.
An großen Orgeln muss ich anders organisieren, auch was Tempi angeht, da dann der Raum meist größer ist und der Nachhall stärker. Auch dies läuft über das Ohr, genauso auch die Auswahl an Repertoire und Farben. Gibt es eine Setzeranlage und ist die große Orgel neu, ist sie meist viel einfacher und leichtgängiger zu spielen und zu bedienen als historische Instrumente. Der “Anspruch” kann also “niedriger” sein an großen, neuen Orgeln als an kleineren, historischen, schwergängigen ohne Setzeranlage.
Zunächst braucht man für alle Sorten von Orgeln viel Erfahrung und Repertoire. Je mehr man reist und Orgeln spielt, desto besser. Die reale Erfahrung vor Ort ist die beste Lehrmeisterin.
Da die Szene rund um die Orgel gefährdet ist mit Drücken und Ziehen, noch dazu mit Größe-Cockpit-Macht-Phantasien, erscheint sie mir als die letztendlich potentiell unmusikalischste Szene der klassischen Musik. Einer Cellistin, einem Sänger, einer Violinistin, einem Hornbläser, einer Pianistin – allen diesen geht es nie um Größe, Drücken und Ziehen. Manchen Männern in der Orgelszene aber geht es um das Beherrschen von Räumen. Manche können nichts anderes als Drücken und Ziehen.
Ein erschreckend großer Teil rings um die Orgelszene, ob nun weit weg oder nah, gibt an, wie toll es sei, “große Räume mit Klang zu fluten” oder “an riesigen Spieltischen zu sitzen” oder “wie geil es sei zu wissen, dass dies die größte Orgel von xy” und mit wie viel Millionen sie saniert worden sei usw. Es ist nicht schlimm, sich zu freuen, dass eine Orgel groß, riesig, laut, einflussreich und teuer ist oder sein kann. Aber wenn das alles ist, dann ist das viel zu wenig.
Wenn Machtphantasien mit “Beherrschen von großen Orgeln” oder mit Beherrschen von Räumen einhergeht, wenn das alles ist, kann man dies als Unmusikalität bezeichnen. Denn zum Herrschen braucht es weder Musikalität noch Technik. Ich habe Leute herumdrücken und herumziehen sehen, die keinen Lauf hinbekamen, und das in Tutti.
Langsam und unvirtuos, geradezu schwerfällig.
Am gefährlichsten aber ist die Tatsache, dass man “irgendwie” Orgel spielen und durch Drücken, Lautstärke und Ziehen wenig Technik und Musikalität und fehlendes Üben maskieren kann. An keinem anderen Instrument “funktioniert” das so gut. Damit ist vielen Männern mit der falschen Einstellung Tür und Tor geöffnet. Unmusikalität ist eine Einstellung, ein Mindset.
Ob der Raum Kirche hier auch eine Rolle spielt oder dass die Orgelszene mit ihren vielen Zwiebelringen männerdominiert ist, darüber werde ich demnächst schreiben.
Es darf jedenfalls nicht allein um Größe oder Macht gehen.
ich liebe Zwiebelringe. Jan Wilke sieht aus, als wäre er um 300 Jahre gealtert.
http://ich-nix.homopage.com/
In der Schweiz hab ich Einreiseverbot
Ich finde es phantastisch, dass du so viele Studienleistungen im Ausland erbracht hast: USA, Australien, Philippinen, Schweiz und Österreich. Und dass du dich immer so adäquat ausdrücken kannst