Kadenzen, Harmonisierung, LO (Liturgisches Orgelspiel)
Pianisten haben eine ganz andere visuelle Lesekraft von Musik als Organisten. Ich erarbeite mir beides. Vierstimmige Sätze sofort zu lesen gehört in die Kategorie der Organisten. Auch der Umgang mit Kadenzen und Stimmführungen ist ein anderer im Orgelleben sowie der Umgang allgemein mit der linken Hand. Wie spielt man Abbe Vogler (Würzburger Komponist!) aus dessen “schiefen” Partitur? Durch die Orgel lerne ich nicht nur ein Hören von Kadenzen, sondern auch ein aktives Kennen; ein bewusstes “Arrangieren” der linken Hand. Da bei der Orgel meine Art von Virtuosität wegfällt, kann und muss ich mein Augenmerk hier auf andere Dinge lenken, die mir natürlich auch für das Klavier Rendite bringen.
Es mögen Basics sein, aber Basics sind vielleicht doch das Entscheidende. Auf der einen Seite spielt man das Virtuoseste, auf der anderen Seite Kadenzen. Natürlich braucht man hier Lehrer mit viel Erfahrung, Geduld und Respekt, einen geschützten Raum, in dem man Fehler machen darf, und Lehrer, die Hochachtung vor Pianisten haben und Pianistinnen nicht hassen. Gruppenunterricht hilft. Und Kadenzen sind nicht langweilig. An ihnen übt man auch Registrierung, Manualwechsel, Artikulation (Gambe…), Transponieren, Improvisieren, Konzentration.
Das Improvisieren von barocker Musik braucht viel Erfahrung und Wissen. Wie erkennt man Tanzsätze von Suiten? Wie ist das harmonische Gerüst?
Lagen, Stimmführungen, Erweiterungen. Wie vermeide ich Parallelen? Und es kann Spaß machen. Natürlich habe ich viel aus dem Bauch und aus Instinkt und Kreativität getan, aus Intuition. Das muss ich nicht üben. Ich übe die andere Seite meines Gehirns. Und diese braucht Training. Tonleiter harmonisieren und Kadenzen artikulieren ist schön. Jedenfalls sage ich mir das jeden Tag.
Durch die Orgel ist meine ganze Auffassung von Dynamik, Harmonien und Artikulation revolutioniert worden.
Besonders gut sind natürlich immer die Stücke, die sowohl auf der Orgel als auch auf dem Flügel als auch auf dem Cembalo gehen: zum Beispiel Bachs Italienisches Konzert, das perfekte Stück. Und auch am Cembalo kann man Farben einstellen: Vierfuß, Koppeln oder nicht, Manualwechsel.
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