Startseite Nach oben

16. Oktober 2009

Atemschaukel

Gestern Abend probten Torsten Laux und ich in der Schlosskirche in Düsseldorf. Der Flügel ist ein auf die Orgel frisch abgestimmter Gotrian Steinweg-Flügel, etwas älter mit leicht gehenden Tasten, zu leicht für meinen Geschmack, ich werde dann übermütig. Ich konnte Torsten oben an der Orgel nicht sehen, und er mich auch nicht unten am Flügel, wo der Altar ist. Wir spielten blind zu- und miteinander. Das ist auch nicht schlimm, denn wir hatten vorher gut miteinander in Bonn geprobt an zwei Flügeln oder an Flügel und Orgel auf einer Etage. Schlimmer ist, dass die Orgel immer nachhängt, wenn man auf zwei Etagen spielt, also oben und unten, das heißt, es klingt für mich, als wäre sie dauernd zu spät. Aber ich gewöhnte mich daran. Dass heißt, auch das Publikum wird unten nur in der genauen Mitte der Kirche hören, dass wir zusammen sind. Es geht dabei um Sekundenbruchstücke, aber das ist nervenaufreibend und verwirrend. Es kostet mich Überwindung, frei zu spielen, wenn ständig eine Orgel nachhängt. Dennoch macht diese Kombination großen Spaß, eine Mischung aus alt und neu, aus historisch und modern, Saiten und Pfeifen, vor allem, wenn man improvisiert. Bei seinen Psalmen gibt es eine Stelle, die wie eine ägyptische Karawane klingt. Es kam mir vor, als schlängele sich die Orgel wie eine Schlange aus dem Korb, während ich als Kamel durch den Wüstenstaub rockte.

Die Atemschaukel, die Herzschaufel und das Herztier Herta Müllers und ihre Schöpfung mit Worten gehen mir nicht aus dem Kopf. Kaum zu fassen, dass diese Kriegszeit kaum ein Menschenleben her ist.

Als ich einem Freund sagte, ich sei die Kurve und divergentes Denken die vierte Dimension, lachte er und sagte, die Kurve solle lieber üben gehen. Ich glaube, es müsste in der Literatur eine wissenschaftliche Abzweigung geben, oder man müsse sagen, Poesie und Kunst sind eine Geisteswissenschaft und auch eine Naturwissenschaft, denn die vierte Dimension lässt sich messen, numerische Begriffe werden in Sprache getaucht. Es ist dies alles die Symbolik für die Suche nach Wahrheit und Ewigkeit. Ich glaube, dass man diese zeigen kann. Ich weiß, dass es in mehrdimensionalen Räumen manchmal einsam ist, ein Grenzland, da auch die Null unendlich ist und alles in mehrdimensionalen Räumen ins Unendliche konvergiert; da ich nach Unendlich divergiere; aber das Böse kann nicht bis ins Unendliche folgen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.