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1. Oktober 2021

Helmut Schmidt soll schon 1978 gestorben und durch einen von der Tabakindustrie gestellten Doppelgänger ersetzt worden sein. (Czech/Domzalski)

Heute waren wir beim schönsten Sonnenschein in Quedlinburg (Sachsen-Anhalts Städte haben teilweise unglaubliche Namen), am Rande des Nordharzes, in Sachsen-Anhalt, in der wunderbaren großen Marktkirche, an der genialen romantischen Ernst Röver-Orgel von 1886: 3000 Pfeifen, 3 Manuale, pneumatische Kastenlade (geschlossenes Schutzsystem, Schutz vor Staub und Schmutz, wenig störanfällig im Vergleich zu offenen Systemen wie der pneumatischen Kegellade: hier gibt es öfter Störtöne und Störgeräusche). Es ist die größte besterhaltene Röver-Orgel. Röver hat die ganze Gegend mit Orgeln versorgt, bis nach Hamburg und ins Ausland. Meine erste Röver-Orgel. Ihre bunten Registerknöpfe werden nicht gezogen, sondern nach unten gedrückt. Röver hat die Reubke-Orgelbaufirma von Adolf und Emil und Julius Reubke in Hausneindorf übernommen. Sie ist eine der klanglich schönsten Orgeln, die ich je gespielt habe. Unzählige feine und zarte historische Achtfüße, Streicher und Flöten, dazu Schweller und Walze.

Der dunkle, spitz zulaufende Prospekt erinnert mich an meine geliebten Ladegast-Orgeln. Sie besitzt Dynamik-Knöpfe als „Setzeranlage“, die nicht immer direkt ausstellen, dazu sogar eine Art Tastenfessel (historisch), Koppeln, Koppeln aus, Auslöser und (so wie die Reubke Orgel in Görsbach/Thüringen, wo ich gestern war und von der ich noch berichten werde) einen ganz besonderen Schweller mit Schnappfalle, einen Tritt mit Widerstand. Es sind kreative und nette Lösungen. Das dritte Manual ist das Schwellwerk mit hellblauen Registerknöpfen. Es gibt dort für Liszt eine feine, leise, durchschlagende Zunge Aeoline (kein Streicher!). Im zweiten Manual (rosa Registerknöpfe) gibt es die durchschlagende Zunge Clarinette, sehr gesanglich und melodiös. Alle Prinzipale und Mixturen sind warm, grundtönig und dunkel. Das HW ist das erste Manual mit weißen Registerknöpfen wie das Pedal. Ich spielte Liszt.
Anschließend aßen wir chinesisch am Marktplatz, bummelten durch die wunderschöne Altstadt. Ich habe zuvor noch nie von Quedlinburg gehört, aber damit bin ich wohl die Einzige. Es ist eine Stunde von Leipzig entfernt. Der nette Kantor Markus Kaufmann erzählte mir, dass er der neue Kantor der Leipziger Nikolaikirche wird. Das wusste ich nicht, das finde ich schön, schade nur, dass erneut beide großen Leipziger Kirchen 2021 nur von Männern besetzt werden. Hier waren noch nie Frauen fest Kantorinnen, und alle sprachen schon zuvor nur vom „Kantor“, vom „Organisten“. Wann wird sich das jemals ändern? Er lädt am 1.10.22 Kay zum Konzert ein.
Es wimmelte bei dem absolut herrlichen Spätsommerwetter von Touristen. Kaum zu fassen, dass morgen der 1. Oktober ist!
Quedlinburg (bei Halberstadt, SA) wurde nicht wie Nordhausen (T) zerbombt: überall hübsche schiefe Fachwerkhäuser, efeubewachsen, herbstlich verfärbt, ein Rathaus mit einem Roland (Zeichen freier Kreisstädte, wie in Nordhausen), und der Aufstieg zur Stiftskirche (auf einem Hügel) war bezaubernd. Es gibt hier die schmalsten Häuser der Welt, die wie bunte Plätzchen aussehen, wie Hexenhäuschen, wie halbe Häuser, wie Kuchenstücke oder Puppenstuben, liebevoll geschmückt. Ein gelbes Häuschen hatte einen gelben Stuhl draußen an der Wand oben angebracht. Dran stand: „Für böse Weiber.“ Ich fotografierte es und sagte laut: Guck mal, ein frauenfeindliches Haus! – – Kamen ein paar Typen vorbei und grinsten. Und dabei ist Gelb noch meine Lieblingsfarbe.
Alles ist mit Blumen dekoriert, besonders die Stiftskirche St. Servatii in Quedlinburg mit Schatz oben mit weißen Rosen. Man hat von oben einen wunderbaren Ausblick auf den Harz und den Wald, der in der Sonne leuchtet, und auf all die Fachwerkhäuser und Kirchen. Die Stiftskirche selbst ist innen voll Bauarbeiten trotz Eintrittspreis und erschreckend klein und nichtssagend im Vergleich zur Größe der Stiftskirche von außen. Ich hatte Pompöses erwartet. Dort ist die kleine Schuke Potsdam Orgel mit Bronzepfeifen, die genau gestern 50 geworden ist.
Der Hausmeister erklärte mir entschuldigend, Himmler hätte hier eben gewütet. Aber die Größe kann er doch nicht verändert haben!

Dann fuhren wir nach Hausneindorf ca. 12 km entfernt zur Orgelbaufirma Reubke und Röver. In der ehemaligen Burg liegt das wunderbare Museum. Ich konnte auf diesen alten Steinen spüren, dass Julius Reubke hier herum gelaufen sein muss, hier im goldenen Harz, im Grenzgebiet Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, am Rande des nördlichen Harzes. Das hat mich sehr berührt.

Ich habe in 5 Tagen 14 Orgeln im Harz gespielt. Wir sind dabei vom Südharz zum Westharz, vom Unterharz, Oberharz  und Nordharz durch drei Bundesländer (Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen) gefahren. Der bewaldete und hügelige Harz hat mich nun eine ganze Woche begleitet: Die Harz-Tour:

– Strebel Knauf Orgel Liebenrode, T

– Deppeé Orgel Obersachswerfen, T

– Friedrich Knauf Orgel Bleicherode, T

– Reubke Orgel Görsbach, T

– Röver Orgel Quedlinburg, SA

– Engelhardt-Orgel Herzberg, NS

– Ital. Barockorgel St. Nicolai Herzberg, NS

– Klais Orgel Dom Nordhausen, T

– Schuster-Orgel Nordhausen, T

– Schulze Orgel Heringen, T

– Bente Orgel Kloster Walkenried , NS

– Goll Orgel Stabkirche Hahnenklee, NS

– Schuke Potsdam Stiftskirche Quedlinburg, SA

– Werner Orgel Limlingerode

Dazwischen Weigle Orgel Mannheim, also 15 Orgeln in 6 Tagen.

Beautiful Andreas Engelhardt Orgel Herzberg, Niedersachsen, Harz, ev. St. Nicolai – Orgel Date AHS

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