Terzhaltige Mixturen. (AHS)
Heute lernte ich die wundervolle Stumm-Klais-Orgel in der Basilika in St. Wendel im Saarland kennen bzw. sie mich. Das wunderschöne historische Gehäuse, riesig von unten. Und kaum ist man oben, begegnet man einem völlig anderen Wesen, zerbrechlich, zart, fast klein. Das liebe ich so an Orgeln. Die zwei Wesen. Tough, stark, mächtig. Und gleichzeitig zart, empfindsam, verletzlich. So wie ich. Zwei Seiten. Parallel.
Ich übte zwei Stunden. Mendelssohn ist hier perfekt! Vier Manuale. Morgen dazu mehr.
Als Pianist und Organist lernt man, dass die Musik dann „entsteht“ oder klingt, wenn man nach unten drückt. Eigentlich fatal.
Selbst das Flügelhämmerchen schlägt nach oben; die Pfeife strömt die Luft nach oben. Aber wir haben gelernt, nach unten zu drücken. Dabei ist Musik von der Schwerkraft „befreit“. Will sagen: Selbst Gravität schwingt und federt wieder nach oben, beflügelt.
Musik hat die Sortierung und den Fluß. Vor allem aber das Fließen. Dazu ist die Orientierung nach oben gegeben. Als Dirigentin federe ich ebenfalls nach oben. Nicht nach unten.
Als Dirigent legt man die Welle. Man gibt die Akustik vor, die Schwingung, und das Orchester resoniert. Musik strömt nach allen Seiten.
Ich liebe zu dirigieren. Ich lerne durch das Dirigieren viel für das Komponieren. Schuberts Unvollendete, seine „Dreithematik“, die Aufhebung der Sonatensatzform. Die Behandlung des Einführungsthemas in der Durchführung.
Ich mag es, wenn drei Themen behandelt werden, siehe Dvorak, Bruckner, Mahler. Nicht nur zwei wie vorher üblich. Oder Mozart mit seinen unendlichen Einfällen.
Das Schwingen betrifft auch das Asymmetrische. Schuberts Liebe zur Symmetrie und zur Periode scheucht er gleich wieder auf, indem er das Asymmetrische betont, dann, wenn es zu behaglich wird.
Dirigieren war heute wunderbar. Die rechte Hand schwingt nach oben. Wichtig sind Spiegel und Podest. Kopf nach hinten. Ich liebe meinen Taktstock.
Sowohl beim Dirigieren als auch an der Orgel Schlag Zwei nicht einfach „übergehen“. Sonst wird alles automatisch immer schneller.
Infraschall, Macroschwingungen, diese zu übertragen mit dem Oberkörper oder der Seele, in einer Bewegung rechts ohne Schlacken, Zögern oder Ecken, mit Impulsen, aber rund. Und beim Ritenuto ziehe ich den Stock wie einen warmen Käsefaden hoch, das Handgelenk erhöht.
Ich mag die Übeorgeln in Hamburg, Georg Jann, Klaus Becker, Hermann Weber, Führer Wilhelmshafen, aber natürlich besonders das Riesen-Kleinod in St. Katharinen, die ich zärtlich Katharine nenne.
Es kommt mir fast futuristisch vor, wenn man in der Orgel auf dem Notenpult (Desktop) Zoom eingibt und die Kopfhörer dazu auf den Registern baumeln. Und dann in Holland landet.
Dann war ich unterwegs nach St. Wendel. Die UGGs halten mich warm. Schnee, Wind.
Rezept: Terzhaltige Tinkturen.
https://youtu.be/vb3LmTDQqF8
Leave a Reply