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Annchen

1. Juni 2020: Ich bin entrückt der herkömmlichen Meinung. (AHS)

Ich bin entrückt der herkömmlichen Meinung. (AHS)

Eigentlich stammt das nicht von mir, denn so sagte ein Musiker heute über mich :). 

Gesegnete Pfingsten! 

Die Initiative Musik diskriminiert die Musik-Stile: Nur die Norm-Popmusiker und Jazzer werden dort gefördert. Ich bin eine der einzigen oder seltenen Frauen, die zwischen den Stilen eine Brücke baut und eben nicht “entweder oder” in U- und E-Musik komponiert/auftritt, sondern in beidem, und eben nicht in die typische Norm der Trennung fällt zwischen Klassik und Pop/Jazz, sondern beides macht. Gerade das sollte besonders gefördert werden, denn da gibt es nur ganz wenige Menschen. 

Auch in der GEMA bin ich hier ein Sonderfall, was oft zu Verwirrung geführt hat, welches Stück in welcher Kategorie ausgeschüttet wird. 

Ich freue mich, dass meine 10 neuen Werke, 2020 komponiert, in zwei sehr guten Verlagen veröffentlicht werden, auch schon 2020.

CCM – Classical Contemporary Music. Living Composer. Noch immer eine Männerdomäne mit starker Lobby. Die Zielgruppe sind nicht Frauen in den Männerwettbewerben. In fast ausschließlich männlich besetzten Jurys, Vorstand und Leitung wird nach rein männlichen Gesichtspunkten, Regeln und Geschmack entschieden. Und man weiß ja, wie unterschiedlich männlicher und weiblicher Geschmack ist, siehe Filme oder die Weltpolitik. So entscheiden Männer, was männlich oder nicht-männlich ist bzw. – und darum geht- was gut oder schlecht ist.

Daher nimmt nur ein Bruchteil Frauen an männerdominierten Wettbewerben teil, und selbst diese werden noch vergrault. Männer gebären in Teufelskreisen immer wieder nur neue Männer durch Seilschaften. Dass Männer davon nicht irgendwann genug haben. Im Grunde ist es widerwärtig und wird nie Frucht bringen. Gerade alle männerdominierten Bereiche sind immer mehr vom Aussterben bedroht: Kirche, Orgel, Komposition. Selbst wenn es eine Frau als Gast-Jurorin hat, so ist es doch eine reine Männerjury für mich, denn diese eine Frau inmitten Männer ist ausgesucht worden, weil sie das Spiel mitmacht und die strukturierte Frauenfeindlichkeit in der Kirchen- und Kunstszene absegnet, indem sie schweigt bzw. schweigen muss, sonst wird sie nie wieder eingeladen. Viele Frauen ziehen sich vor dem profilierenden Gerangel der Männer ohnehin zurück. Ich weiß ja selbst, wie es in Jurys zugeht. Viele Männer gehen grundsätzlich davon aus, besser zu sein als Frauen. Man muss als Frau also überragend gut sein, denn genauso gut sein wie Männer reicht Männern nicht aus und wird Männern stets Grund geben, Frauen klein zu halten. Dann heisst es noch heuchlerisch: Wo sind die Komponistinnen? Dabei wird sich nicht mal darum bemüht, Komponistinnen zu fördern oder zu sehen. Sind nicht schon genug Männernamen auf jedem Programm? Jedoch gibt es auch tolle Männer, die mich sehr unterstützen und die die strukturelle Frauenfeindlichkeit genauso hassen wie ich. Danke dafür! Ich denke, es ist auch ein Neidfaktor, dass ich aktiv konzertierende Komponistin bin. “Normale” passive oder am Computer schreibende, nicht konzertierende Komponisten, die kaum spielen können und brav IT-mässig mit ihrem Apple und ihrer Noten-Software arbeiten, werden als weniger bedrohlich angesehen. Jeder bleibt dann schön in seiner eigenen Sparte. Und das Verkopfte, Männliche gefällt Männern gut. Künstlerisch ist das meist nicht. Ich glaube, viele Männer in dieser Szene haben etwas stark Autoerotisches und auch Homosexuelles. (So wie die Mode in den Magazinen auch immer stärker homosexuell angehaucht ist: Viele weibliche Models sollen wie magere Männer-Models aussehen, dünn, groß, kantig und ernst. Man kann hier Frauen und Männer kaum noch auseinander halten, weder vom Look noch von der Kleidung her.) Ich glaube, es gibt keinen geringen Teil Männer auf der Welt, die am liebsten eine Welt nur mit Männern hätte. Ihr Verhalten spricht ganz danach. 

Ich ahne, dass die Neue Musik keine Geldmusik in dem Sinne ist, dass man davon in erster Linie Geld machen sollte oder kann. Dazu müsste man Populäres schreiben. Aber mir geht es von Herzen wirklich um diese Kunstmusik. Dadurch, dass ich sie selbst spiele, sind die Aufführungsrechte bei der GEMA durchaus nicht schlecht.

Ich bin ja ingesamt eine sehr seltene Mischung, selbst bei der GEMA: Ich spiele meine eigenen Werke selbst, und das sowohl in U und E. Mir ist wichtig, in der zeitgenössischen klassischen E-Musik zu schreiben und auch in den entsprechenden Verlagen zu veröffentlichen, da Frauen dort kaum vertreten und  unterwegs sind und sich vor der Männerdominanz normalerweise ducken und zurückziehen. Es ist meine Pflicht, meine Verantwortung und mein Prinzip. Denn ich habe aus mir unerklärlichen Gründen enorm viel Power mit auf den Weg bekommen.

Zwar sind heutzutage Selbstverlage wohl finanziell gewinnbringender. Auf der anderen Seite ist es gerade in der E-Musik seriöser, in entsprechenden Verlagen zu veröffentlichen, auch wenn dies vielleicht noch der altmodische Weg ist. Ich habe nichts gegen diesen altmodischen Weg und finde die Arbeit von Verlagen, die sich um zeitgenössische Musik kümmern, bewundernswert. 

Es haben mir heute mehrere Kantoren bestätigt, dass in ihren Kirchen bisher in all den Jahrzehnten unter 150 Organisten keine Frau dabei war. Und selbst jetzt versuchen manche Orgellehrer, Frauen zu hindern. Vor allem, wenn sie nicht in deren Norm passen. Damit rücken sie das Instrument Orgel in ein noch kleineres gesellschaftliches Hintertreffen und stellen sich selbst ein Bein. Anstatt Win-Win streben vieler dieser Männer eine Lost-Version an. Wären sie interessiert, Frauen zu fördern, würde für alle mehr übrig bleiben. Aber das verstehen diese Männer nicht. Sie meinen, sie müssten den ganzen Kuchen nur für sich behalten und klammern wie Bettler an ihrer Orgel fest. Das ist aber nur in Deutschland so. Ausgerechnet in Bachs Land.

Die Kunst ist lange vor dem Virus in die Krise gekommen. Die Viren der autoritären Männerdominanz fliegen schon zu lange um die Orgel herum.