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5. Februar 2020

Gott hat auf seiner Harfe ein Lied gespielt, und ihre Saiten gehen durch meine Seele. (Hildegard von Bingen)

Es war sehr spannend, die schöne Beckerath Orgelbaufirma Hamburg heute zu besuchen. Die große Werkstatt duftete nach Holz und Sägespänen. Diese Späne werden an den riesigen Säge-Maschinen durch Schläuche nach draußen gepumpt. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben, da Sägespäne gesundheitsschädlich für Mitarbeiter sind. Sie können ins Auge gehen, eingeatmet werden etc. Andere große Schläuche dienen zur Beheizung der Werkstatt. Dieselben Späne werden zu Pellets gepresst (sie haben eine eigene Pressmaschine dafür), und mit diesen wird im Ofen geheizt. Alle trinken sehr gern schwarzen Tee mit Milch (oder Zitrone) und Zucker. Wie ich. Sie hatten noch nie einen Gast, der genauso gern und viel Tee getrunken hat wie ich. Überall hängen Bilder von tollen Orgeln. Um eine Orgel zu planen, gehen viele Schritte als Grundschritte voraus. Es wird oft mindestens ein Jahr geplant, bevor gebaut wird. Und das dauert dann auch noch mal ca. ein Jahr. In welchen Raum kommt die Orgel? Wie groß soll sie sein, also wieviele Register? Wer bezahlt sie? Wieviel Geld steht insgesamt zur Verfügung? Heute sind 50 Register schon groß. Ein Register kostet ca. zwischen 13.000 und 17.000 €. Was für ein Spieltisch? Radialpedal oder nicht? Ich mag es lieber, wenn das Pedal nicht versetzt ist. Ich finde das unnötig. Wenn die Orgel Raum und Platz hat, nicht nur für die Pfeifen, sondern vor allem für die Spielenden vorne für Hände und Füße. Nichts darf eng und sperrig sein. Viel Umfang. Neue Klänge. Erst zum Schluss geht es um Pfeifen, Winddruck und Intonation. Diese drei Dinge aber sind das Kernstück der Orgel. Lebendiger Wind oder nicht, Keilbalg oder nicht? Welche Klänge? Was ist realistisch? Was ist keine gute Idee? Alle Werke sollten gut miteinander korrespondieren. Nicht einfach von berühmten Orgeln zusammenkopieren und zusammenstückeln. Jede Orgel hat ihr eigenes Gesicht.

Ich habe eine Traumorgel im Kopf. Sie muss nur noch realistisch werden. Es braucht Visionäre, Erfahrene, Bodenständige, Weise. Eben ein Team. Ich habe die Vision. “Hast du nicht erst mal versagt mit deinem Traum, also bist du nicht zunächst gescheitert, war dein Traum, deine Vision nicht groß genug.” So sagen weise Worte. Man darf und soll und muss aus Fehlern lernen! 

Die Werkstatt ist in viele Teilwerkstätten unterteilt. In einer werden die Pfeifen hergestellt. Sie sind mit das Herz der Firma. Die Pfeifen in allen möglichen Größen bis hin zu offenen 32-Füßen werden nicht irgendwo in Rumänien oder anderswo bestellt, also keine zusammengestückelten Orgeln, sondern selbst gegossen, geschnitten und angefertigt, vorintoniert. Ich habe eine Hausorgel gesehen, Orgeln, die gerade restauriert werden, Beckerath opus 1 (mittlerweile gibt es opus 500) für die Elisabethkirche neben dem katholischen Dom Hamburgs (Marienkirche), die drei neue Werke bekommen soll, von 14 Register auf 45 aufgestockt, Truhenorgeln usw. Und viele, viele Pfeifen.

Es hängen auch Gemälde mit Brahms, da Johannes Brahms mit Beckerath befreundet war. Die Firma gibt es also schon sehr lang. Brahms, wie er pfeiferauchend mit Bart am Flügel hängt – ein völlig anderer als der Charmeur aus dem Film Geliebte Clara – ja, diesen Bart-Brahms habe ich auch zuhause als Postkarte, schon als Kind. Das Original befindet sich im Besitz des Hauses Beckeraths. Leider hat Brahms wenig für die Orgel komponiert. Und am Klavier auch ganz anders, viel intensiver. Ganz im Gegenteil zu Bach. Seine Orgelwerke empfinde ich als die Krönung seines Schaffens. Diese Erkenntnis hat mich zur Orgel geführt! 

Ich habe schon einige schöne Beckeraths gespielt, in Würzburg, Wetzlar, Saarbrücken, Frankfurt am Main… Und bald in Heessen. Sehr unterschiedliche, alte und neuere. Und es werden viele neue gebaut, zum Beispiel auch ins Ausland, besonders USA. Auf dem Tisch lag das brandneue, weiße Buch Die Orgeln Hamburgs.

Ich wurde von Dammtor abgeholt, weil gerade ohnehin eine geliehene Truhenorgel (um die 40.000 €) zurück nach Wandsbek geliefert werden sollte. So eine Truhenorgel hätte ich auch gern. 

Ja, die Welt der Orgeln ist wohl bedroht. Beispielsweise war die Elbphilharmonie-Orgel ursprünglich nicht geplant gewesen, wurde nachträglich durch einen einzigen Privatspender eingebaut. Sonst gäbe es keine Orgel dort. Viele Kirchen in Hamburg und Umgebung sind vom Schließen bedroht. Und die Orgeln? Sollen als Gebrauchtorgeln verscherbelt werden. In den Osten. Ins Ausland. Das geht doch nicht. Es gibt einen riesigen Gebrauchtorgel-Markt. Es wundert mich, dass die Kirchen dennoch sperrig, unfreundlich und konservativ bleiben, anstatt aufzuwachen und die jungen Leute in die Kirche zu holen, damit sie nicht dicht machen müssen. Stattdessen gibt es oft Streit, Lästereien, Regeln und Verbote, viele schlecht bezahlte, neidische Kirchenmusiker, die dann auch noch die letzten willigen Musiker vergraulen, und gut bezahlte Pfarrer, die von Musik keine Ahnung haben.

Aber ohne Kirchen und Kirchenmusiker sind die Orgelbaufirmen existenziell bedroht. Konzertorgeln werden viel zu selten in Auftrag gegeben. Die Orgel ist nicht abgekoppelt von der Kirche. In den USA sieht es da anders aus. Ich hoffe, Deutschland wird wieder ein christliches Land. Die vielen Orgel-Fans und Orgelfreaks bringen nicht das Geld und die Aufträge für die Orgelbauer. Was weiter hier noch wichtig ist: Neue Kompositionen für die Orgel! 

Das Team ist jedenfalls sehr nett, ich wurde anschließend in die Kreuzkirche Wandsbek gefahren und habe dort an der Kemper-Beckerath-Orgel Mozart und Bach geübt. Sie ist neu restauriert; drei Manuale, schöne Zungen. Die Firma Kemper aus Lübeck gibt es leider nicht mehr, wie so viele Firmen nicht mehr. 

Ich habe gefragt, warum bei großen aufwendigen Restaurationen die neue Orgelfirma nicht angeschlagen steht. “Das macht man nicht.” Das finde ich demütig. Geübt habe ich am Ende des Tages auch in Altona St. Petri an der Schuke-Orgel. Dafür mussten wir quer von Wandsbek nach Altona fahren. Durch Hamburg durchfahren dauert mit dem Auto manchmal eine Stunde.

Es gibt in der Hauptkirche St. Petri eine große Beckerath-Schuke-Orgel, d.h. Schuke hat sie verändert, erweitert. Es gibt viele solcher “Misch-Orgeln”. 

Ich habe oft das Gefühl, dass sich Orgeln freuen, wenn man kommt. Orgeln sollten immer viel gespielt werden. Es ist ja sogar schlecht für ein Auto, wenn es nur herumsteht.

Nun, die Traktur lächelt, wenn eine Frau spielt. 

Haerpfer-Orgel im französischen Forbach Saint Remi

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