My hands are of your colour; but I shame to wear a heart so white. (Shakespeare)
Wenn man eine hervorragende Organistin oder Organist sein möchte, muss man sich (außer mit vielem Üben) viel mit Reisen, Geschichte, Mentalität, Orgelbau, Klängen und Akustik beschäftigen. Wenn man nur an der eigenen Orgel hockt, wird man keinen Zugang zur Exzellenz finden. Warum? Weil Orgelspiel viel mehr ist als fehlerloses Spiel oder Üben. Es ist Wissen, Kennen, Wachstum, Reife und Musikalität. Es gehört viel Leidenschaft dazu, dieses Instrument zu erkennen. Man muss eine Beziehung zu diesem Instrument im Allgemeinen aufbauen. Das kostet Kraft und Zeit, weil die Orgel eine enorme Persönlichkeit ist. Das ist das, was ich am meisten an der Orgel mag: Ihre Persönlichkeit.
Man muss Dispositionen auf dem Papier analysieren, blind registrieren können, Klänge, Frequenzen und Klangbilder auf CDs erkennen, Stile und Kirchenstile wissen, Akustik und Raumgrößen abschätzen können, also alles Fähigkeiten und Interessen, die man nicht über Nacht erwirbt und die man auch nicht “büffeln” kann, sondern die durch Erfahrung und Herzblut entstehen: Wie klingt eine durchschlagende Klarinette, wie ein weicher 32-Fuß, welche 2-Füße? Es ist theoretisches Wissen, das im Grunde aktives Wissen ist, künstlerisches.
Man braucht ein Bauchgefühl und ein Verständnis für die Orgel. Und dabei muss man innen flexibel und weich bleiben, nicht starr und in Regeln verhaftet. Man muss Regeln kennen, um sie brechen zu können. Wenn man Regeln nicht kennt und sie bricht, ist dies naiv. Aber wenn man Regeln kennt und bewusst bricht, dann entsteht Kunst. Viele sind zu ängstlich für wahre Kunst. Ich glaube, dass die, die Regeln zu hochhalten, meist die sind, die eben nicht gereist sind, die eben nicht so viel kennen, die die Ausnahme der Norm nicht kennen, die Regeln missverstehen, die im Grunde kunstfeindlich und experimentenfeindlich sind und massive Angst vor Fehlern haben, Theoretiker, Lehrer. Bach konnte nicht viel reisen, aber er ist “gereist” durch seine Abschriften, durch sein Interesse an der Vergangenheit, durch sein Kennen der Stile, durch seine Vorstellungskraft. Dadurch hat er noch viel mehr geleistet und noch viel mehr Türen geöffnet.
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