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14. Dezember 2019

Euphorie

Die meisten, die (Kirchen-) Musik studieren, üben nur während des Studiums. Sobald sie in ihrem Beruf sind, sind 80 Prozent ihres Tuns Verwaltung, Organisation, Administration (Büroarbeit) und Dienstleistung. Der Beruf hat mit dem Studium kaum zu tun.

Die, die Klavier (oder andere Instrumente) studieren, üben nur während des Studiums. Später in ihrem Beruf unterrichten sie. Sie spielen max. einen Klavierabend pro Jahr, können (auf Anhieb) nicht mehr wirklich spielen, schon gar nicht ein Stück auswendig.

Bei mir ist das Studium und alles, was ich tue, konkret und direkt Teil meines Berufs. Es ist nicht nur so, dass ich die Früchte meines Studiums direkt anwende, sondern die Blüte, unter der Woche aufgegangen, bereits am Samstag und Sonntag blüht. Denn bei mir wird direkt in den treibenden Boden gesät. Alles, was ich jetzt im Unterricht lerne, setze ich schon am nächsten Wochenende im Konzert eins zu eins um. Alles, was ich erfahre, wird schon ein paar Tage später ins künstlerische Depot gelegt und angewendet. Der Teig ist noch heiß und kommt aus dem Backofen; das Publikum bekommt warme Brötchen im Konzert. Das passt natürlich einigen nicht. Besonders neidisch sind Kommilitonen und Kollegen. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Neid und Lästern sind für diese die höchste Form der Anerkennung. (Dabei verstecke ich einen großen Teil meiner Gaben; wenn die alles wüssten, wären sie wahrscheinlich schon vor Neid gestorben).

Ich bin dankbar für alle, die mit viel Respekt meinen künstlerischen Weg unterstützen. 

Klar, auch ich habe Verwaltung, aber sorge dafür, dass Verwaltung (für Konzerte…) maximal 40 Prozent beträgt und möglichst Spaß macht. Mindestens 60 Prozent bleiben Kunst und Musik, Schreiben, Komponieren, Lernen, Repertoire erweitern, Human-Kapital, Bildung, Lesen, Umsetzen. Üben ist für mich Musik machen. Das Besondere an mir ist, dass ich von Konzerten lebe. Dass ich von der Kunst lebe. Dass ich voll berufstätig zudem ein zweites neues Instrument studiere. Trotz Gegenwind. Und mit sehr viel Support. Meist sind bei Männern die Ehefrauen die Armen, die die Verwaltung machen müssen. 

Natürlich ist es kompliziert, da die meisten Professoren gewöhnt sind, 20jährige zu unterrichten, die abhängig von ihnen sind. Sie wissen nicht, wie man mit Leuten wie mir umgeht, die die Rangordnung sprengen und Dinge geleistet haben, die sie selbst nie geleistet haben. Da kommen Hierarchie, Statistiken und Regeln nicht mehr mit. “Sie dürfen dies nicht. Sie dürfen das nicht. Gehorchen Sie. Tanzen Sie nicht aus der Reihe.” Und: Von Konzerten kann man nicht leben, es darf nicht sein… Jedenfalls nicht Sie! Sie sind kein Mann und machen nicht das, was zum System gehört!

Wie könnte und dürfte ich da in meiner außergewöhnlichen Rolle nicht auffallen? 

Auf der anderen Seite wird gejammert, dass es keine neue Orgelmusik mehr gäbe, bestimmte Komponisten und das Instrument an sich untergehen könnten oder links liegen gelassen werden – kein Wunder, wenn das System über alles geht. Die, die Neues bringen, schaffen Neues aus einer anderen Richtung. Dennoch ist es immer wichtig, das System zu kennen. Der Ausbildungsbereich ist hier oft der Gegensatz zum künstlerischen Berufsalltag. 

Ann-Helena Schlüter Herzton

2 Antworten auf “14. Dezember 2019”

  1. Andreas Friedrich

    Hallo Ann-Helena, ich wäre sehr enttäuscht, wenn Du hier einen anderen Standpunkt vertreten hättest. Du bist mit Leib und Seele Musikerin. Alles andere (Organisation und Verwaltung) ordnest Du völlig Deinem Lebenswerk unter. Dies bildet für Dich die nötige Grundlage für Deinen Erfolg. Aber auch nicht mehr. Ich habe mir schon überlegt, ob Dein Tag nicht mehr als 24h + 12h Nacht + 12h Tag lang ist. Auf wie vielen Gebieten Du erfolgreich schaffst und wirkst. Da würde sogar W.A. Mozart neidisch werden… Selbst die aufgeschriebenen Gedanken in Deinem Blog müssen ja entstehen und eingearbeitet werden. Ich absolvierte in meinem Leben zahlreiche Studien erfolgreich. Doch nicht des Studierens wegen, sondern als Basis für all die wunderbaren Momente und Erfahrungen, die ich dadurch vom großen Geist im Universum offenbart bekomme und erleben darf. Zudem gelingt es mir, meinen Tag so zu strukturieren, dass ich immer mehr als Zeit für die „Geschenke Gottes“ besitze. Ich vermute, da sind wir Seelenverwandte. Bei mir ist das Verhältnis Organisation + Leben wahrscheinlich 20 zu 80. Darum überrascht es mich auch nicht, dass es Dir gelingt von Deiner Kunst erfüllend zu leben. Mir gibt dazu das Buch von W.D. Wattles – “The Science – Der Weg zum Reich-Werden” zahlreiche Hinweise. Vieles daraus wendest Du garantiert für Dich an. Sicher wirst Du es auch einmal lesen. Ich empfehle es Dir. Was Deine Ansicht zu den Lehrenden betrifft, legte ich Dir ja bereits meine Sicht und Einstellung an anderer Stelle dar. Das erlebe ich auch! Da wären wir wieder beim Thema Symbole der Macht – Macht von „Amts wegen“ und tatsächliche Macht. Doch Du bist wirklich außergewöhnlich und genial! Deshalb bin ich auch sehr dankbar dafür, dass ich Dich kennen und viel von Dir lernen darf, insbesondere was Klavier- und Orgelmusik sowie Lebenserfolg angeht. In diesem Sinn Dir einen besinnlichen 3.Advent. Andreas

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