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2. September 2021

Es spielt nur noch meine Seele, die aus Flügeln und Willensstärke besteht. Aus blitzschnellen Kolibri-Flügeln. (AHS)

Ich freue mich morgen auf Schweden. Stockholm und Härnösand; fahre zurück mit der Fähre Stockholm-Rostock. Am 10. Stuttgart, am 11. Ansbach. Da muss ich wieder zurück sein. Walldorf wurde verschoben.

Stefan Zweig schreibt sehr gut, die Inhalte erscheinen mir jedoch ab und zu bedenklich, besonders wenn er über Frauen schreibt. Irgendwie bin ich manchmal unangenehm berührt. Aber dennoch genieße ich, wie er schreibt.

“Klischee ist kein Missverständnis, sondern Strategie“: Zuvor hatte ich mich noch nie mit Alice Schwarzer beschäftigt. Es geschah nun rein zufällig. Ich bin erstaunt über ihre Persönlichkeit. Manches verwirrt mich auch. Was Alice Schwarzer an Diffamierung erlebt hat, übersteigt bei weitem alles, was ich erlebt habe, doch ist sie auch viel berühmter. Ihre Bücher sind Bestseller geworden, obwohl sie hochpolitisch sind, in Top-Verlagen. Der Preis für ihren Erfolg war/ist enorm: Sie wurde in Deutschland direkt und unverblümt beschimpft und beleidigt („Tucke“, „Hexe“, „hässlich“…). Es ging nie um Sachdifferenzen, sondern um ihre Person. Auch im Spiegel und Stern wurde sie angegriffen. Sie wurde in den Medien belastet. Es wurde vor ihr gewarnt. Sie wurde als Terroristin bezeichnet. Sie wurde gehässig und feige verfolgt. Es gab Boykottaufrufe gegen sie. Tribunal. Frauen haben sie auch sehr attackiert. Ich finde: Sie sollte den Friedensnobelpreis erhalten, denn sie hat viel für Frauenbewegungen getan. Sie ist anders als ich, sehr anders, sowohl inhaltlich als auch formal. Gleichzeitig ist sie weise, mutig, diskret und bewundernswert. Ich bin absolut nicht für Abtreibung und habe christliche, konservative Werte, Ehe usw. Die Musik schützt mich, zu politisch zu werden und damit auch vor öffentlichem Haß, der Frauen in der politischen Öffentlichkeit entgegenschlägt. Dass meine Kritik tatsächlich politisch ist, habe ich noch nie so begriffen wie beim Hören von Alice Schwarzer (Hörbuch Lebenslauf). Ob ich das ausgehalten hätte wie sie? Oder lernt ein Mensch einfach step by step dazu? Im Grunde darf man sich in der Öffentlichkeit keine Fehler erlauben. Das ist als impulsive Künstlerin schwer. Ich bin nicht cool genug. Vielleicht bin ich nicht der Typ dafür, ein Star zu sein. Ist es nicht schwer, eine geliebte und beschimpfte Star-Frau zu sein? Journalistin ist schon toll! Ich genieße es aber sehr, privat, verborgen und auch kindlich sein zu dürfen. Dennoch finde ich es schwer, bei Ungerechtigkeit zu schweigen, was leider die meisten Frauen tun. Frauen, die sich für andere Frauen einsetzen, werden persönlich diffamiert. Es geht dabei nicht um Inhalt und Sache, sondern um Projektion. 

Alice möchte ich gern kennenlernen. Was mich an ihrem Schreiben besonders emotional trifft und zum Nachdenken bringt, ist die „Männer-Mafia“ und ihre Skandale, die damals noch viel schlimmer waren als heute (Kritikerinnen tun viel mehr weh als männliche Kritiker, das sehe ich auch so):

– Frauen haben immer noch oft als Kriterium Nummer 1, von Männern begehrt zu werden. Etwas, das nicht von ihnen alleine kommt

– Frauen sind angeblich „frigide“, wenn sie nicht mit Kollegen ins Bett gehen

– Erwachsene Frauen werden oft gegängelt wie Kinder

– Männer haben oft einen vorauseilenden Gehorsam, vor allem dann, wenn sie jemanden beurteilen oder verurteilen sollen (Journalisten)

– Seht her, ihr Frauen, das machen wir mit einer, die so aufmüpfig ist

– Frauen sind Opfer von Männern, die ebenfalls Opfer sind

– Die Tragik der Frauen

– Frauen werden oft als ‚relative Wesen’ gesehen: Sie ist die Frau neben dem und dem…

– Niedrigkeiten entlarven sich von selbst und pöbelnde Männer auch, wenn frau geschickt oder gar nicht auf sie reagiert

– Spießer riechen einen auf hundert Meter Entfernung und hassen einen unausweichlich

– Die von Männern hergestellte Kombi von Politik und nackten Frauen (siehe BILD)

– Humor ist die ultimative Waffe

– Minderbezahlung von Frauen („er muss ja schließlich die Familie ernähren“)

– Stühle und Sitze nach Männermaßen, auch in Autos

– Frauen werden in Männerberufen oft links liegen gelassen

– Gratisarbeit der Frau in der Familie

– Doppelbelastung Frau: Gratis geleistete Familienarbeit (Beruf 1) und Beruf (Beruf 2) – das passt der Wirtschaft ganz gut; dazu noch schlechter bezahlt

– Motive der Männer gegen Frauen: Sie wollen (private) reale Privilegien nicht aufgeben

– Frauen biedern sich oft bei Männern an

– Marktwert von Frauen nach Aussehen und Alter, als wäre Alter ein Manko statt Geschenk 

– Anbiederungsversuche von Frauen bei Männern auf Kosten anderer Frauen 

– Männer verstehen traditionell mehr von Verrat und Macht als Frauen


Vieles von dem ist erschütternd. Und: Politik.

Sehr viel im Leben ist einfach von Männern gemachte Politik. Wäre ich keine Künstlerin, wäre ich gern Politikerin oder Journalistin geworden. Aber so schließt sich das in jeder Hinsicht aus. Leider. Es bleibt da nur mein kleiner, irgendwie doch politischer Blog? Und der sorgt schon für Wirbel.

Ansbach 11.9.21

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