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23. Oktober 2020

Die Geschichte der Musik ist noch lange nicht zuende. (AHS)

Bochumer Orgeltage: Die wunderschöne, historische, grüne Orgel hier in der evangelischen Kirche Hattingen Blankenstein, direkt an der Burg Blankenstein, ist etwas, was ich vorher noch nie gesehen habe: Eine historische Orgel hoch oben, direkt über dem Altar. Es ist eine Orgel des Orgelbaus Bautzen, von Eule rekonstruiert, neulich saniert. Eine gefährliche Treppe führt hinauf. Oben: Hinter mir ein Engel. Unter mir: Die Kanzel. Es ist unglaublich, wenn man in die achthundert Jahre alte, gotische Kirche kommt und anstatt eine Orgel hinten statt dessen eine kleine Orgel hoch oben thronen sieht, direkt über dem Altar. Der ganze hohe Altar wirkt dadurch lang wie ein Stab oder eine Pflanze, die vom Boden in die Decke wächst, wie Efeu, und die Orgel oben ist die Blüte, die Knospe. Erst dachte ich, es sei eine optische Täuschung oder die Orgel Dekoration, eine Wohnung für einen Engel oben. Aber nein, sie ist echt:

Sie hat zwei Manuale, ein hübsch gestimmtes Krummhorn, keinen Prinzipal 8, aber viele Flöten und kleine Mixturen und Koppeln und Schweller, es lässt sich sehr viel spielen, Mozart, Trio-Sonaten, Piece, Scheidemann… Die Akustik ist recht trocken, aber die duftigen Flöten machen dies wieder wett.

Anschließend wurde mir der wunderschöne, mittelalterliche Ort gezeigt, die Fachwerkhäuser, die Burgfreiheit, die Burg, dazu die Handelsstrasse Hellweg (Hell oder Hall früher für Salz), die quer durchs Ruhrgebiet bis ans Meer führt, die Wasserburg Kemnade, früher für Damen und Burgfräulein. Nachts sehr schön beleuchtet alles, romantisch.

Hattingen bei Bochum ist ein malerischer Ort mit einer faszinierenden Innenstadt voller Fachwerkhäuser. Es sollte Unesco Weltkulturerbe werden in meinen Augen. Und was für Fachwerkhäuser! Sie stehen direkt an der großen Festung der mittelalterlichen Kirche St. Georg mit schiefem Turm: Fachwerkhäuser nach außen gewölbt, schräg, schief und wunderschön, gepflegt, geschmückt, auch das Bügeleisenhaus und das alte Rathaus, deren einmalige Fensterchen wie ein Adventskalender fungieren im Dezember, der Marktplatz – eine Augenweide. Ich habe lange als Kind in einem großen Fachwerkhaus in Reichenschwand gewohnt. Ich liebe den Duft, das Holz, die Größe, den Style.

Wir waren in Hattingen nach dem Üben italienisch essen unterhalb St. Georg, Vitello Tonnato und Dorade mit Alio e Olio. Die hübsche Ruhr. Hattingen, die 55.000-Einwohner-Stadt liegt direkt bei Bochum.

Hier in Bochum-Stiepel (eine sehr schöne Gegend mitten im Herbst) habe ich auch die wunderschöne Kirschner-Orgel in der tausendjährigen, evangelischen Kirche gespielt. Die Deckenmalerei und die herrliche Akustik haben mir sehr gefallen. Die Orgel ist ein Schmuckstück, auch die wunderschön verzierte Truhenorgel unten mit einer Zunge (Regal).

Arno und Wolfgang sind sehr nett. Arno hat früher meinen Papa oft im Radio gehört.

Das Hotel hier, Tucholsky, ist ein Künstlerhotel direkt bei der Christuskirche Bochum (eine “entweihte” Konzertkirche mit einer wunderschönen Schuke) und dem Bermuda-Dreieck. Die Zimmer sind große Wohnungen. Es sind viele Schauspieler schon hier abgestiegen. Man kann bis 15, früher sogar bis 18 Uhr frühstücken. Sehr künstlerfreundlich. Für Kneipentouren oder “auf jück gehen” habe ich keine Zeit. Morgen ist das Konzert. Es ist schon ausgebucht, viele Leute dürfen leider wegen Corona nicht mehr hinein.


Es ist auch interessant, wie Cembali gestimmt werden. Wichtig ist zu beachten: Ist eine Schwebung da, ist der Ton unsauber. Er muss ohne Schwebung und Vibration dastehen. Stabil. Spannend sind hierbei die Naturtöne, also beispielsweise der Ton zwischen f und fis, das sogenannte Alphorn-fa. Denn die Alphörner spielten diese Naturtöne zur Verständigung und Nachrichtenkommunikation. Das Alphorn-fa, den sogenannten elften Ton, kannte Bach auch. Es gibt hier also noch einige Intervalle, die wir nicht verwenden und vielleicht nicht mal kennen. Das ist spannend. Die Geschichte der Musik ist noch lange nicht zuende. C ist der 8. Ton, G ist der 3. Ton.

Es kommt mir vor, als wäre Instrumente stimmen wie angeln gehen.

Bach kannte die Verhältnisse, Obertöne, Kombinationen und Frequenzen der Töne und Intervalle, sicher auch die sogenannten Cents. Er wusste: Alles ist in einem Ton. Zwei ist eins. Die Oktav-Kopie. Dieses Wunder von Intervallen. Drei Intervalle in einem Dreiklang. Zwei Zweierbeziehungen. Das Gesetz von Bachs Fugeneinsätzen spiegelt das Intervall-System mit seinen Gesetzen wider. Bach hat das ganze Universum mit Musik eingerahmt, so wie die Wahrheit im Wort festgehalten wird. Daher auch das WTK I. Im Grunde ist es nicht wohltemperiert, sondern nicht mehr mitteltönig, also nicht nicht gleichschwebend. Bach lebte ja in einer mitteltönigen Welt. Er hat diese revolutioniert. Er wollte fort von der Wolfsquinte gis-es. Erst beim Stimmen von Cembali ist mir klar geworden, was Bach gehört, empfunden und was er geleistet hat. Inwiefern er trotz seiner angeblichen Altmodischheit revolutionär unseren modernen Klang eingeführt hat.

Ich mag auch die rauchigen Klänge, die andere als unsauber bezeichnen.

Ich habe neue Werke für Clavichord und Cembalo geschrieben.

Ob Bach mit dem eis in die Nähe des Alphorn-fas wollte?

Neue Passacaglia, in einer Farbe diesmal, in organo pleno, an der schönen Goll-Orgel Hannover:

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