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10. März 2020

Ich liebe an der Orgel die Achterbahn der Gefühle. (AHS)

Das Zitat von gestern war so schön, dass ich es für sich habe stehen lassen.

Das Konzert gestern an der klangvollen, symphonischen, festlich angestrahlten, zweimanualigen Beckerath-Orgel von Rudolf von Beckerath, Baujahr 2013, mit Schweller und Walze in St. Stephanus Hamm mit den zwei Türmen war sehr schön. Ich bin noch etwas erschöpft, denn wir haben es auch aufgenommen.

Liszt B-A-C-H hat besonders Spaß gemacht. B-Dur ist ja eigentlich nicht so orgelfreundlich. Aber wenn man mit einem dritten Fuß im Pedal im Abschussakkord  – eh, Abschlussakkord noch ein D oben ergänzt, also die Großterz… dann schwingt und glänzt es so richtig. Wir haben die Setzer bei Liszt auf ca. 35 Setzer begrenzt. Es ist mir wichtig, dass die Orgel möglichst wenig “Lärm” macht, um die Atmosphäre nicht zu stören. Denn leider machen die Setzer bei vielen Orgeln Lärm, vor allem Pedal-Setzer (was mir etwas unbegreiflich ist. Setzer müssten geräuschlos sein).

Es macht Spaß, gemeinsam ein zu registrieren. “Setzen 6.”

Natürlich haben wir vorher noch die Zungen gestimmt.

Es war wie immer spannend, hinter die erleuchtete Orgel zu klettern und in der Orgel den großen 32-Fuß Untersatz aus Holz, in den man mich reinstecken könnte, und hier die Schleifenzug-Magnete zu sehen, die wie kleine, graue, runde Motoren aussehen. 

lm Mozart war ich sehr erleichtert, herauszufinden (als etwas nicht ganz so war, wie ich es wollte), dass es kein dämonisches Heinzelmännchen in der Orgel gibt, sondern ganz simpel: Ein Schweller, erst mal zugemacht, muss auch wieder aufgemacht werden! (Tipp: Habe die Setzer-Anzeige, die Setzer-Zahl im Auge.)

Besonders gefielen mir die Schwebung Salicional mit Voix Celeste, das Plein Jeu 4fach, die Flöten und die Sub- und Super-Koppeln und natürlich das Schwellwerk und die beiden unterschiedlichen Mixturen, die eine Mixtur 5fach auf 2-Fuß, die andere auf 1 1/3 basierend, was sich wunderbar ergänzt und strahlt. Die Tasten waren allerdings recht hochgewölbt. 

Bei einem Orgelkonzert ist viel zu beachten. Ich habe meine Noten, Bearbeitungen und Setzer so präpariert, dass ich alles allein machen kann. Ich schreibe mir auch die Manualwechsel und das Blättern genau auf. Klang-Brüche mag ich nicht. Ich bin aber davon abgekommen, alles selbst machen zu wollen, wenn man nicht muss. Wenn man jemanden da hat, der die jeweilige Orgel gut kennt und gern hilft, dann darf er (muss nicht) gern blättern etc. Falls nämlich doch mal was sein sollte mit Schweller, Walze oder Setzeranlage, weiß der Hausorganist meist sofort, was los ist. Das entspannt. Und in Hamm-Heessen sind alle sehr nett.

Meine eigenen Stücke und auch die Stücke am Klavier probe ich vor Ort vorher nicht.

Hinterher waren wir “jugoslawisch” essen. Heessen ist ein schöner Stadtteil mit Schloss, Wiesen, Pferden, die sich im Schlamm wälzen und hinterher mit einem kuscheln wollen, einer lieben Dame, die noch ein Gasthaus betreibt wie aus einer unschuldigen Welt – Westfalen, die Schwelle hin zu Norddeutschland, überall schon rote Backsteinhäuser. Wir sind mit einem schönen, schnellen Elektro-Auto zurückgefahren. 

Das Aufnehmen war ein spannender Abenteuer: Das Aufbauen der Kameras und Lichter, und dann die Kamera-Drohne. Das war überhaupt das Beste. Jürgen sagte: “Die macht aber Lärm. Eventuell leiser als die Orgel.” Ich: “Ach, das macht alles gar nichts, die kann im Konzert ruhig fliegen.” Glücklicherweise probierten wir es vor dem Konzert aus. Ich dachte, es sei ein Düsenjet in der Kirche! Die Orgel war leise dagegen. Es war schwer, sich nicht umzudrehen, während die Drohnen-Kamera hinter mir wie ein lebendiges Wesen brauste mit roten Leucht-Drachenaugen und von oben aufnahm. Die Empore war wie geschaffen dafür, da es viel Platz gab. Im Konzert ging es nicht, aber davor. 

Einen Kirchenschlüssel habe ich auch noch nie verloren; nur einmal ist er mir von der Empore geplumpst, wurde aber aufgefunden. 

Danke an Michael, Sebastian und Jürgen! 

ps: Ein Döner vor dem Konzert hilft immer.

Da ich zwei Tage an der Beckerath-Orgel geübt hatte, bis halb elf abends, und um sieben Uhr wieder an der Orgel, bin ich noch immer erschöpft. Zwischendurch bei der Aufnahme hatte ich das Gefühl, meine Hände sind verschwunden, es spielt nur noch meine Seele, die aus Flügeln und Willensstärke besteht.

Aus blitzschnellen Kolibri-Flügeln. 

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