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15. Januar 2020

Ich hatte bei anderen oft das Gefühl, ich muss mir etwas vormachen. Doch nein.

Singen ist Ausdruck der Seele. Singen am Instrument. Wenn du singst, kommst du in Berührung mit deiner Sehnsucht und Freude auf dem Grund deiner Seele. (Ann-Helena Schlüter)

Indem wir singen, wird auch die Stille hörbar. Hören führt in die Geborgenheit, ins Ewige-Gehören.

Die Orgel ist sängerisch. Die Orgel atmet, ich auch. Sie ist Gesang. Man darf sie also nicht abwürgen. Da sie ein Blasinstrument ist, soll man nicht zu viele Abschlüsse spielen, also nicht zu früh in einen abschließenden Modus geraten, Phrasen offen lassen, immer weiter. Die Traktur muss man im Spiel überwinden, sie arbeitet an sich gegen einen, auch dann, wenn sie edel ist, sie zieht immer wieder zurück nach oben. Dort, wo ich mich in den Flügel hineinfallen lassen kann, dort muss ich an der Orgel das Gefühl mit Kopf übersetzen, die Traktur überwinden, Reserven halten.

Das Grundprinzip ist: An der Orgel bestimme ich die Länge der Töne. Ich muss sie bestimmen, denn die Schönheit kommt an der Orgel nicht von allein wie am Flügel, sondern die Impulse und die Länge der Töne muss ich bestimmen. Sonst bleiben Welten zwischen linker und rechter Hand. Jeder Impuls, den ich gebe, betrifft Anfang und Ende des Tones und den Zusammenhang zwischen rechts und links und auch die Impulse zur Fortsetzung. Besonders in der Katharinenkirche in HH habe ich dies gespürt, bei der Armore im Rückpositiv. Die Keller-Stimmung, die 520 originalen Pfeifen, Loslassen. Umarmen. Regenerieren. Reserve. Mir gefällt, dass man an der Orgel Bogenführung vollzieht, Aufstrich, Abstrich, Violine. Tastentornado Ann-Helena.

Frankophil bin ich nicht. Auch wenn ich die klassisch französischen Orgeln sehr mag, das silbrige Plein Jeu, aber auch die Clarine, das zarte Krummhorn, das sprechende, deutliche Solo-Cornet V im Récit. Jeder Franzose spielt zudem anders. Daniel Roth wieder ganz anders als Latry. Ich mag nur nicht, wenn es durchgehend zu laut ist. Manche Organisten müssen einen Hörschaden haben.

Wissbegierig ist nicht unbescheiden. Das Schöne an der Musik: Es ist kein Geschäft. Es ist eines, und doch keines.

Die Orgelbewegung wurde wohl erst nach dem zweiten Weltkrieg bedenklich: Seitdem können viele Deutsche nichts Deutsches mehr stehenlassen geschweige denn lieben und schätzen. Ich denke nicht, dass Albert Schweitzer jemals so etwas gewollt hatte, was dann alles geschah an Zerstörung. Der Hass auf “typisch deutsch”. Was ist das eigentlich, typisch deutsch? Ist Bach nicht ein großes Geschenk? Ist er typisch deutsch? Müssen Videos alá Walt Disneys d-Moll-Toccata die Zukunft sein?

Empfehlen kann ich heute den Film Irina Palm, ein Film, der zeigt, wie weit eine Frau geht, da sie liebt. Im Grunde sind alle Filme, in den Frauen in der Hauptrolle sind, Frauen, die aus Liebe zu Kind oder Mann oder Menschen allgemein Torturen der Männerwelt auf sich nehmen.

Ich weiß nicht, was ich von Leonard Cohen halten soll; seine Musik ist sehr düster und melancholisch, fast unchristlich, besonders das Album You want it darker. Natürlich spüre ich sein Ringen, die Wahrheit und den Sinn des Lebens zu entdecken; jedoch bleibt er bei sich selbst stecken, was schade ist, da er einen sehr interessanten Stil hat.

Was mir immer wieder auffällt: Tiere haben so etwas Unschuldiges; sie strahlen mehr Unschuld und mehr von Gott aus als die gesamte Menschheit. Ich erinnere mich, dass mich einmal ein Igel streifte, als ich etwas unglücklich im Grünen saß. Er kollidierte mit meinem Bein. Es war eine so zärtliche Begegnung, die mich sofort getröstet hat. Die Streifung des Igels.

In dem Film To the Wonder erkennt man das süchtige Verhalten von Frauen deutlich: Viele Frauen leben nur für die Liebe und Anerkennung eines Mannes, als wäre dieser Gott. Nur dafür, ihm zu gefallen. Und was sagt und tut der Mann? „Es ist schwer, wenn man weniger liebt und stärker ist.“

Und spielt mit ihr. Sie wird seine Geliebte, keine Ehefrau. Es geht nur um körperliche Liebe. Um Lust. Benutzt zu werden gefällt der Frau. Sie hofft, ihn damit zu binden. Aber auch das ist keine Liebe. Es ist Masochismus. Die Frau in dem Film bleibt ein Kind. Sie tanzt und hüpft vor ihm herum, lässt sich herumtragen, anfassen und herumziehen, ist niedlich, verzettelt, schwach, hilflos, hektisch, arm. Kichert, quietscht. Dreht sich im Kreis. Spielt mit dem Rock. Andauernd mit dem Haar. Schwingt, tanzt. Und denkt, dies sei die Rolle der Frau? Das ist sie nicht! Überhaupt nicht. Völlig verfehlt. Die Rolle der Frau ist nicht die einer Abhängigen eines Mannes, der sie benutzt.

Die Rolle der Frau ist die einer Königin und einer Macherin mit Würde, wie schon in den Sprüchen der Bibel steht. Und die Rolle des Mannes ist, sie zu lieben und ihr sein Leben zu widmen, für sie zu atmen, sein Leben zu geben und ihr dies ein Leben lang zu beweisen und sie nie allein zu lassen. Das sind die Rollen. Nicht umgekehrt.

Die Welt aber lebt eine Lüge, lebt das Gegenteil. Wenn die Frau diese Rollen auf den Kopf stellt, wird der Mann sie weder lieben noch sein Leben ihr widmen. Im Gegenteil, er findet es „schwer“, sie „weniger zu lieben“. Das bedeutet, er bemitleidet sich auch noch selbst, während er sie selbstgefällig benutzt. Nennt sich selbst stärker, dabei ist er schwach und erbärmlich.

Und die Frau ist alles andere als schwach. Sie macht sich schwach, um zu gefallen.

Sich gegenseitig benutzen und binden, ist das Liebe? Die Rollen dürfen nicht vertauscht werden, es kann nur pervers werden. In To the Wonder wird nur an die “Liebe” des Menschen geglaubt. Als ob nicht die meiste Paar-Liebe egoistisch ist. Etwas, das man versucht, zu kontrollieren. Mit Nacktheit, Macht, Geld oder Schönheit. Busen, Bedürfnisse oder Beine. Die Frau wird wie ein Paket aufgeschnürt. Ist untreu. Unsicher. Als ob eine Frau sich nur weiblich fühlen könnte, wenn ein starker Mann in der Nähe ist und über sie herfällt und ihr ein wenig Angst macht. Als ob das Leben nur Charme und Gefühl ist. Hingabe an falscher Stelle.

Nun zurück zu Mozart an der Orgel und Beethoven am Flügel.

 

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