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23. September 2020

Yippieh!

Auf die letzten Minuten: Ein erfolgreicher Tag, wieder Note 1,0 bekommen, sehr gut gespielt und sehr nette Menschen um mich gehabt. Danach ein paar Videos aufgenommen, habe alles auf Anhieb fehlerlos gespielt. Ich merke, dass es wirklich ein Schlüssel ist, sich gut zu konzentrieren und ruhig zu spielen. Ein barockes Werk, besonders Bach, ab 10 Minuten Länge (d.h. Piece d’ Orgue fällt nicht darunter, aber auf jeden Fall die Passacaglia) braucht seine Entwicklungszeit, vor allem, was das Tempo angeht: Erst ab einer gewissen Reifezeit findet man bei langen Werken das perfekte Tempo, dass man durchhalten will; nicht zu schnell, nicht zu langsam; nicht bemüht langsam, aber auch nicht zu hastig. Eben, dass es schwingt, von Anfang bis Ende. Ich glaube, dass man auch hier sich selbst spüren und kennen muss: So dass Reife, Virtuosität und Charakter eine Einheit werden. Nicht nur der Charakter des Stückes, sondern auch der Charakter der Spielenden. Tempo ist immer eine Frage von Exzellenz.

Ich bin dann auch ein wenig spazieren gegangen in der schönen, aber ausgetrockneten Gegend um Marktheidenfeld, in der es schon lange nicht mehr geregnet hat – und ich habe alles gesegnet, was durchhält in dieser Dürre. Wie wunderschön die Schöpfung selbst in so einer kaputten, klimageschädigten, durstigen Welt und Zeit ist. Direkt neben Asphalt, Netto und Parkplätzen liegt ein kleiner Bach mit Baum und Wiesen dahinter, haben durstige Bäume dennoch Früchte und schimmernde Blätter, säuseln Insekten über dem Wasser, spiegelt sich die späte Nachmittagssonne in den Kreiseln des Baches. Neben unserer menschlichen Hässlichkeit liegt die Schönheit gerade in ihrer Schwäche und weggedrängt so verletzlich, so unendlich schön. Ich sehe darin Gottes Zartheit, seine Weiblichkei; er ist so ganz anders, als ich es von der machtgierigen Männerwelt kenne, die in vieler Hinsicht hintenrum und böse ist – auch wenn es viele ganz wundervolle Männer gibt, die mir schon sehr geholfen haben. Aber wer meint, Gott will Dominanzgehabe oder er wäre genauso oder er halte dies für gut bzw. notwendig oder habe es gar erfunden, der hat nichts verstanden. Ich sehe keine dominanten Bäume oder herrschsüchtigen Bäche oder unterdrückten Blumen. Im Gegenteil. Alles, was zart und verletzlich ist, ist besonders schön, wird geradezu gefeiert in der Schöpfung. Ich verstehe nicht, wie ein solch künstlerischer, wunderschöner, weiblicher Gott eine solche Welt zulassen kann, in der die schlimmsten Männer herrschen. Nichtsdestotrotz war es ein toller Tag, mit Entspannung am Ende und wohlbehütet und einem sehr schön gestimmten Krummhorn:

Scheidemann Choral:

Eine Antwort auf “23. September 2020”

  1. Andreas Friedrich

    Liebe Ann-Helena, dass du neben all deinen angestrengenden und gelungenen musikalischen Aktivitäten Zeit und Muße findest solche wunderbare Gedanken in deinem Blog niederzuschreiben, fasziniert mich immer wieder. Danke! Ich freue mich bereits jetzt auf dein Orgelspiel an der Ladegast-Orgel. Andreas

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