Weise Kellner Bach Barock Orgel Kirche St. Laurentius Gräfenroda
ev. Kirche St. Laurentius Gräfenroda, Thüringen (1734)
Orgelbauer:
Johann Anton Weise / Johann Peter Kellner / Orgelbau Waltershausen
Baujahr:
1736 / 2005
Datum des Erstbesuchs:
August 2024
Disposition und Spielhilfen
Rekonstruierte und historische Weise / Kellner Bach-Barock-Orgel in Gräfenroda, Thüringen, 2 M, 24 R (früher 26), lebendiger Wind, wunderbarer Traversenbass 16
Die wunderschöne thüringische Barockorgel im Thüringer Wald (Gothaer Land) am großen gepflegten Friedhof ist ein mechanisches Schleifladen-Instrument, modifiziert mitteltönig. Gestreifte lange Tasten. 5 große rekonstruierte Bälge befinden sich hinter der Orgel, sichtbar und hörbar, stets atmend und etwas stöhnend.
Die einzigartige Weise Orgel hat einiges in ihrem Leben mitgemacht. 1909 wurde sie sogar pneumatisiert (Adam Eifert, 1970 . 2005 wurde sie rekonstruiert und zurückgeführt in ihren ursprünglichen Zustand, so gut es ging, mit dem noch existierenden originalen Pfeifenmaterial (mind. ca. 15 Prozent) von Orgelbau Waltershausen (Peter Harder).
Anton Weise aus Arnstadt hat nur noch diese letzte große Orgel als Denkmal seiner Kunst, alle anderen seiner Orgeln wurden zerstört bis auf eine kleine im Nachbarort, die noch gepflegt werden muss.
Das thüringische Dorf Gräfenroda mit seinen 4000 Einwohnerinnen ist bewusst ein Dorf geblieben, obwohl es ein Städtchen hätte werden können. Die ganze Gegend ist eine Hochkultur, voller Musikgeschichte. Große Organisten und Komponisten haben hier gelebt und gearbeitet, u.a. J.S. Bach und die erste „Bach-Gesellschaft“ unter dem Organisten und Bach-Schüler J.P. Kellner, sowie Rinck, Ringk.
Die Orgel erinnert an die benachbarte Trost Orgel in Waltershausen von Stil, Feuerzungen und Charakter. Anton Weise ist nicht mit Ignaz Weise zu verwechseln. Es ist meine erste Anton Weise Orgel.
M
Viol di Gamba 8′ (-D)
Octav 4′ (-D)
Octav 2′ (-D)
Sesquialtera 2fach
Mixtur 6f 2′
Scharff 1′ (-D)
Spielhilfen & Koppeln: | Koppeln: II/I, I/P
Glockenspiel, Cymbelstern, Calcant |
M
Bordun 16′
Quintatön 16′
Principal 8′
Gedact 8′ (-B)
GemsHorn 8′ (-B)
OW
Gedact 8′
HohlFlöt 8′
Principal 4′
GemsHorn 4′
Flauto Traverse 8′
Octav 2′
WaldFlöt 2′
SpitzFlötgen 1′
Mixtur 4f. 1′
Vox Humana 8′
Tremulant
Pedal
PrincipalBaß 16′
SubBaß 16′
ViolonBaß 16′
OctavBaß 8′
TraversenBaß 16′
PosaunenBaß 16′
Die original blau-weiße Orgel mit roten Rosen und Engeln geschmückt (alles original Farben) besitzt rote Taler als Registerzüge;
jedoch musste der gesamte Spieltisch erneuert werden. Die inneren Register sind für das OW, die äußeren für das HW (Manual genannt, also M).
Viele Orgeln einer bestimmten Firma klingen ähnlich oder gleich; man könnte fast Farben und Pfeifen „austauschen“, zum Beispiel bei Silbermann; aber dann gibt es auch Orgelbauer, die stets sehr individuell arbeiten, z.B. was Mensuren angeht. Hier klingt keine Orgel gleich, so auch beim Orgelbauer Trost.
Beides hat seine Vorteile.
Klang und Akustik
Weich-trockene Akustik. Die Orgel ist das Prunkstück der Kirche, die ansonsten majestätisch, aber schlicht innen aus Holz angefertigt ist mit hohen, breiten Doppel-Emporen.
Der Tremulant ist zart und keineswegs aufdringlich und für beide Manuale gedacht, allerdings nicht mit Zungen zusammen, die sich sofort „verstimmen“. Es ist ein etwas heikler Tremulant. Alle Orgeln der Umgebung haben keinen. Sehr schön finde ich Glockenspiel und Cymbelstern.
Die wundervoll rekonstruierte Orgel spricht in dieser samtig-trockenen Akustik wundervoll: Sie zeichnet vokal, mal warm, mal rauchig wie mit Kohle in den Raum.
Sie ist nicht schwergängig, auch nicht mit Manualkoppel.
Auch frühe Romantiker lassen sich hier sehr gut spielen. Die Orgel atmet stets mit, auch wenn sie nicht gespielt wird, da die Orgel einen lebendigen Wind besitzt und die Bälge stets „schwingen“. Man hört die Orgel innen allein atmen und schwingen, wenn man draußen auf der Wiese sitzt.
Persönliche Note
Es ist wunderschön, hier zu spielen und zu konzertieren.
Als ich das erste Mal diese ungewöhnliche Orgel in Weiß und Blau mit roten Rosen sah, kamen mir die Tränen, weil sie so schön ist. Sie sticht besonders hervor, weil der Rest der Kirche eben nicht weiß und hell leuchtet wie im nahen Arnstadt, sondern in Holz verblieb aus Geldgründen, da alles Geld in die Orgel floss. Dadurch wirkt sie noch schöner. Die Menschen sind bis heute musikaffin.
Selbst der Altar wurde letztendlich an die Kirche angepasst und in Holz geführt, was fast ein wenig schade ist, da er ursprünglich weiß und blau gestrichen war wie die Orgel. Oben prangt ein wichtiger Bibelvers über Jesus, unten ein wertvoller Schnitzaltar aus dem 15. Jahrhundert, auf dem auch die „Heilige Barbara“ abgebildet ist.
Das alte, wertvolle Lerchen- und Fichtenholz der Kirche knarzt und duftet. Außer die Treppe nach oben zur Orgel, die neu ist.
Als das Schleifladen-Instrument 1736 gebaut wurde, war der Organist, Pädagoge und Komponist Johann Peter Kellner federführend.
Dieser und seine Schüler haben viele Werke von Bach gesammelt und dokumentiert. Allein durch Weise wurde in Thüringen und Sachsen Bach nie vergessen. Er hatte sozusagen die erste „Bach-Gesellschaft“ gegründet.
Ob Johann Sebastian in Gräfenroda war, ist nicht schriftlich bewiesen, ich glaube aber schon. Bach hatte sicher diese schöne Orgel gesehen.
Ausgerechnet J.S. Bach selbst hatte nie eine eigene schöne Orgel, auch in Leipzig nicht.
Das Besondere an dieser seltenen Orgel ist unter anderem (neben dem schönen Cymbelstern und Glockenspiel) der überblasene Traversenbass 16 – ein aussergewöhnlich zeichnender Bass im Pedal, der „Ballontöne“ erzeugt – also Klänge, die tief und beinahe rauchig beginnen und hell und zart enden, fast ins Decrescendo übergehend. (Kein Vergleich zu den etwas muffeligen Subbass-Klängen an den meisten Orgeln (den man übrigens nie allein ziehen sollte)).
Mit so einem zeichnenden Bass muss man nicht ständig eine Pedalkoppel ziehen, wie manche machen.
Einige Register „täuschen“ ein drittes Manual vor, indem sie zwei Register in einem sind und über einen Extra-Knopf erweitert und eingerastet werden können, so zum Beispiel das Sesquialtera hin zur fülligeren Mixtur. Leider gibt es keine 4-Fuß-Flöte im HW, die ich für Mozart gesucht habe. Aber man kann nicht alles haben. Dafür gibt es die schönen 8-Füße.
Es ist falsch zu sagen, es seien nur 11 Prozent der Orgel original oder es sei eine Orgel von 2005. Für mich ist sie nicht nur eine rekonstruierte, sondern vor allem eine historische und sehr geschichtsträchtige Orgel.
Hier waren viele Persönlichkeiten auf Kursen und zum Üben seit 1736.
Die Musik von Johann Peter Kellner ist eine kuriose aparte Musik, so wie die schönen Orgeln seines Gebietes: die Knauf-Orgel in Frankenhain, die Gutjahr-Kellner-Orgel in klein Geschwenda und die Ratzmann Orgel in Liebenstein – im Grunde auch die Poppe-Orgel in Crawinkel. Die Orgeln sind höher gestimmt als 440 Herz und teilweise nicht gleichschwebend.
Die 3 Konzerte gestern waren sehr schön. Zuerst hatte ich 2 Konzerte im Kloster Michaelstein und fuhr dann mit meinem Beetle nach Gräfenroda zum dritten Konzert.
Vom Nordharz nach Thüringen ist es schon ein Stück, aber ich kannte die Weise Kellner Orgel bereits. Ich liebte alle drei Orgeln: Knauf, Wäldner und die Weise Kellner Waltershausen Orgel. Blankenburg im Harz darf man nicht mit Bad Blankenburg verwechseln (dort habe ich auch schon gespielt).
Ich habe CDs verkauft und Blumen bekommen. Presse war auch da.
Nach dem Konzert in Gräfenroda waren wir lecker essen in der Alten Lache (Thüringer Klöße, Roulade, Würzfleisch und milder Blauer Zweigelt). Dort habe ich auch übernachtet. Der grüne Thüringer Wald liegt vor dem Fenster.
Spannend fand ich die „Musikmaschine“ (Salomon de Caus) im Kloster Michaelstein: eine mit Mühlrädern und Wasser angetriebene „Orgel“. Und die vielen schönen alten Cembali und ein schwedisches Schrankklavier aus Stockholm.
Früher war die Laien-Szene in der Orgelwelt eine ganz anständige Musikausübung (Adjuvantenkultur) – heute ist diese Kultur teilweise ausgestorben und ein beschämender Mobbing-Haufen voller Neid.
Du bist clever und viele Männer wollen nicht ins Hintertreffen geraten.
Du bist ein Vorbild und hast das Examen mit der Bestnote abgeschlossen. Ich freue mich dass so viele Förderprogramme dich unterstützen
beautiful
Ich sitz hier einsam in Saarbrücken
Das ist sehr interessant deine Art der Orgellandschaft Beschreibung. Das ist echte Orgeldenkmalpflege. Ich finde Orgelgeschichte und Orgelbau auch sehr interessant.
Eine historische Orgel ist gleichzeitig Gegenwartskultur. Vielen Dank, dass Sie Kulturgut digital erhalten. Sehr repräsentativ. Das Orgelwesen ist vielen Menschen unserer Bevölkerung noch zu unbekannt.
Diese Orgel ist die Schönste!
Sehr schön, sieht klasse aus!
Meine Frau und ich wurden von heute Florian K. Apelle auf facebook belästigt