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Trost Hesse Orgel St. Martini Kirche Greußen (Greussen), Thüringen

ev. Kirche St. Martini Greussen, Thüringen

Orgelbauer:

Compenius/Trost/Hesse

Baujahr:

1624/51/1704/1842/

Datum des Erstbesuchs:

2020, 2022

Disposition und Spielhilfen

Trost Hesse Schönefeld Orgel ev. St. Martini 99718 Greußen (Greussen), Thüringen

1977 zuletzt renoviert.

Von 1704-1842 stand hier eine Trost-Orgel. 7 Register sind noch übrig. H.G. Trost qualifizierte sich über den Bau der Greußener Orgel, sein Höhepunkt steht in Waltershausen.

Zuvor: 1624 erhielt der Orgelbauer Ezechiel Groitzscher (Groitsch, Greutscher, Grütscher: 1575 \ 80-1627) aus Eisleben den Auftrag, eine neue Orgel in Greußen einzubauen, die 1627 fertig gestellt war.

Der Krieg hinterließ Spuren an dieser Orgel, so dass 1651 eine Erneuerung durch den Erfurter Orgelbaumeister Ludwig Compenius (1603 – 1671) geschah, auch bekannt als Naumburger Orgelbauer Ludwig Comparius (Ludovico Campenio, auch Camperius), der bis 1632 dort ansässig und nach 1647 Orgelbaumeister in Erfurt war.

Mit dem Brand 1687 wurde auch diese Orgel zerstört.
Daher kaufte die Innung des Handwerks der Tuchmacher sofort in Ohrdruf ein Orgelwerk, das 1691 auf die Empore gebracht wurde. Diese stand vorher in der Michaeliskirche, die jedoch 1675 eine Orgel erhielt, 1706 fertig gestellt.

Johann Christoph Bach, der ältere Bruder von Johann Sebastian Bach, spielte auf dieser Orgel.

Daher wurde Johann Tobias Gottfried Trost (1651 – 1721) aus Halberstadt (Sachsen-Anhalt) mit seinem Sohn Tobias Heinrich Gottfried Trost (1680 – 1759) aus Tonna beauftragt, die mittlerweile neu gebaute Kirche mit einer Orgel auszustatten, die auch Bach gefallen würde, von 1701 bis 1704 mit 21 Registern, Pedal und zwei Manualen.

Das fünfteilige Gehäuse wurde von einem Bildhauer aus Bad Frankenhausen 1705 geschaffen.

Der Hoforganist Johannes Christian Blättermann und der Stadtorganist Johannes Valtin Eccold prüften die Orgel und stellten deren Vertrag und Gebrauch fest. In den Jahren darauf  zeigten sich Mängel, weil die Zinnpfeifen ihrer eigenen Last nicht standhielten und zusammengedrückt wurden.

So überarbeitete 1719 der Orgelbauer Northen aus Bad Frankenhausen die Trost-Orgel. 1842 baute Johann Michael Hesse II (1806 – 1858) aus Dachwig eine neue Orgel mit 29 Registern.

In dieser neuen Hesse-Orgel wurden aus der Trost-Orgel sieben Register übernommen; der Prospekt wurde vom Bildschnitzer Elle aus Stadtilm dabei jedoch verändert.

Die Zinnpfeifen wurden im Ersten Weltkrieg entnommen und zu Kriegszwecken verwendet. 1977 führte Orgelbaumeister Karl-Heinz Schönefeld aus Stadtilm auf Empfehlung moderne Restaurierungen durch.

Eine Wiederherstellung und Rückführung der Greußener Trost-Orgel wurde leider bis heute nicht ins Auge gefasst.

In anderen Orten wurden (wie zum Beispiel in Dornheim die 1858 erbaute Hesse-Orgel mit 2 Manualen und 19 Registern) wertvolle Orgeln durch die zuständigen Orgelsachverständigen und der Landeskirche ganz aufgegeben, was eine Katastrophe ist.

Manche Kirchen und Orgelsachverständige sehen dem Verfall wertvoller Orgeln zu.

Heute hat die Trost-Hesse Orgel 30 Register und 1821 Pfeifen. Ich liebe die schwergängige Trost-Traktur.

 I. Manual (Hauptwerk) C-f³

 II. Manual (Oberwerk) C-f³

 Pedal: C-d¹

 30 Register

Auch wenn die Orgel von Schönefeld neu gemacht wurde, kann ich die Seele der Trost-Orgel in ihr spüren, vor allem, weil ich die großen Schwestern kenne. Das kann man erst nachvollziehen, wenn man alle drei gespielt hat: Waltershausen, Altenburg und Greußen.

Hauptwerk

Prinzipal 16’ Prinzipal 8’ Hohlflöte 8’ Bordun 8’ Oktave 4’ (T) Rohrflöte 4’ Quinte 2 2/3’ Oktave 2’ (T) Waldflöte 2’ Terz 1 3/5’ Mixtur 4-5f. Trompete 8’

Oberwerk

Quintatön 16’ (T) Engprinzipal 8’ Hohlflöte 4’ Gedackt 8’ Oktave 4’ Oktave 2’ Sesquialter 2f. (T) Quinte 1 1/3’ Sifflöte 1’ Zimbel 3-4f.

Pedal

Prinzipalbaß 16’ Subbaß 16’ (T) Oktavbaß 8’ (T) Offenflöte 8’ Choralbaß 4’ Flöte 2’ Mixtur 4f. Posaune 16’ (T)

Manualklaviaturen C,Cis-g3; Pfeifenwerk C,Cis-f3 Pedalklaviatur C,Cis-f1; Pfeifenwerk C,Cis-d1.

T: Register mit Pfeifenwerk von T.G. Trost

Der Klang ist sehr berührend.

Wunderschöner Hesse-Trost-Klang. Ich liebe die typisch schwergängige Trost-Traktur. Hier zeigt sich erst wahre Virtuosität. Doch:

Eine leichtgängige Tontraktur, eine Spielanlage mit zeitgemäßem Tonumfang sowie der Stimmtonhöhe a 880 Hz bei 15 °C waren plötzlich das Hauptanliegen, so dass gravierende Eingriffe der ehem. DDR gerechtfertigt wurden.
Gott sei Dank konnte die Orgel dennoch erhalten werden, vermutlich aus Geldnot.

Klang und Akustik

Wunderschöner Hesse-Trost-Klang. Ich liebe die typisch schwergängige Trost-Traktur. Hier zeigt sich erst wahre Virtuosität.

Musik ist Stille

Orgeln sind für mich singende Worte, Musik und Wort miteinander kombiniert, dekorativ und präzise. Die Klänge der Pfeifen inspirieren mich, werden Intervalle und Rhythmen, eine vielfach instrumentale Variierung. Zeitgenössische Musik, Lyrik der Gegenwart.

Auf meinen Konzertreisen weltweit habe ich seit 2017 Tausende von Orgeln kennengelernt und gespielt. In viele Orgeln habe ich mich nach gespielten Konzerten verliebt, besonders in historische mit besonderer Geschichte.

In Unikate. Das Besondere an Orgeln für mich sind deren Zärtlichkeit und Zerbrechlichkeit, die man erst oben auf der Empore erlebt und spürt.

Unten wirken Orgeln mächtig, beinahe einschüchternd für manche Menschen, jedoch oben aus Holz und Pfeife zart, aus Schmuck und Zierwerk, aus Engeln und Tasten – viel zerbrechlicher wirkend als ein schwarzer Lackflügel von Steinway, die ich zuvor mein Leben lang kannte.

Ich liebe Kirchen, bin gläubige Christin und fühle mich an der Orgel Gott besonders nah.

Einige wunderschöne Orgeln mit ihren edlen Dispositionen stelle ich hier in diesem besonderen meinen ersten Orgelführer vor.

Mir fiel schnell auf: Viele orgelnde Laien oder Semis, die ich in der Orgelwelt kennenlernte, lehnen kleinere Orgeln ab und verehren nur die großen bekannten Orgeln, besonders die in anderen Ländern und von ganz bestimmten großen Orgelbauern. Das fand ich dumm.

Auch kleine, historische Orgeln sind kostbar, wertvoll und haben oft eine außergewöhnliche Geschichte unseres Landes und unserer Kultur. Gerade solche „vergessenen“ Orgeln und verborgene Dorforgeln fand ich stets besonders anziehend und schick.

Soli Deo Gloria!

Persönliche Note


 


Es war eine Freude, nach Greußen in die schöne, große, evangelische St. Martini zu fahren. Es war sehr schön, hier zu konzertieren. 

Eine mächtige riesige Kirche mit renoviertem Altar und wunderschöner Decke und großer, samtiger, süffiger Akustik. Eine Orgel mit Feuer-Zungen, eine typisch schwergängige Trost.

Es müsste noch viel an den riesigen Wänden gemacht und restauriert werden. In Euro: Millionenhöhe. Vielen Dank an Pfarrerin Theresa Hauser.

Kaum zu glauben, dass es evangelische Menschen gibt, die meinen, Frauen dürften nicht ordiniert werden. In Thüringen gibt es nur ca. 7 Prozent Kirchenmitglieder. Ohne Pfarrerinnen hätten viele Kirchen auf dem Lande wohl niemanden mehr, der sich kümmert.

Es ist keine leichte Aufgabe hier. Ich bewundere jede und jeden hier, denn es ist oft geistliche „Wüste“ geworden, im Lutherland, im Orgelland. Ohne (meist ehrenamtlich arbeitende) Frauen könnten fast alle Kirchen in Deutschland einpacken.

Die Frage hierbei  ist, was ist eigentlich Christsein? Wir kauften etwas zu essen, und die Menschen dort hatten Hakenkreuze auf dem Hals tätowiert.

Die wunderbare, vielseitige Trost-Hesse-Orgel in Greußen gefällt mir sehr. Schwergängig, typisch Trost. Trost 1701-1704:

Flammen. Weites Pedal. Schwergängige Manuale. Die Omen der Schönheit: Trost. Selbst wenn nur noch Symbole übrig sind, denn Hesse und Schönefeld bauten um. Liebliche und volle Klänge, Charisma, Geschichte.

Keine ist so wie Trost.


10 Antworten auf “Trost Hesse Orgel St. Martini Kirche Greußen (Greussen), Thüringen”

  1. Dietrich Weißdorn

    Die gesamte Technik dieser Orgel ist von Schönefeld; von “typisch Trost” kann keine Rede sein.

  2. Sehr gut gemacht Frau Schlüter!!!
    Hut ab für die Aufnahmen , auch klaenglich!! Diese Orgel verdient es mehr bekannt zu werden. Ja, in Thüringen ist es durch die Einflüsse der DDR-Zeit und die Säkularisierung nach dem Mauerfall nicht gut mit dem Zahl der Kirchenmitglieder bestellt, es ist dort eigentlich sowohl für katholische als Evangelischen Christen Diasporagebiet geworden. Deshalb ist es so ungeheuer gut daß junge Organistinnen wie Sie noch Profil zeigen und ein wichtiges Stück christliche Kultur und Erbgut im Vordergrund ziehen. Dank für diese und auch andere Aufnahmen verschiedener Orgeln und Kirchen. Ich lese immer mit großem Interesse Ihre Beiträge !
    Hut ab!!

  3. Maximilian Nicolaus

    Eine prachtvolle Orgel mit besonderem Klang – Video von Ann-Helena und eine interessant geschriebene Hintergrundgeschichte. Gut gemacht!

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