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Schloss Kirche Weilburg

Sauer Dahm Klais Orgel Schlosskirche Weilburg an der Lahn

ev. Schlosskirche (lutherische Predigtkirche)

Orgelbauer:

J. J. Dahm / W. Sauer / Klais

Baujahr:

1711/ 1901/ 2024

Datum des Erstbesuchs:

April 2025

Disposition und Spielhilfen

Wundervolle Sauer Dahm Klais Orgel Schlosskirche Weilburg an der Lahn, Hessen, 3 M

Sie erinnert mich an eine Sanduhr.

Die geniale, frisch restaurierte und erweiterte Sauer-Orgel im einzigartigen Dahm-Prospekt von 1711, von Johann Jakob Dahm aus Mainz – ursprünglich war die barocke Dahm-Orgel hinterspielig, was ich sehr selten erlebt habe. Der Prospekt ist Harfe und Fächer zugleich. Ein Augenschmaus. Genauso wie die barocke Residenzkirche an sich.

Sie steht weit oben in den höchsten Höhen. Die Spielenden waren komplett verdeckt, man sah nur den Schmuck des Prospekts, die hinterspielige Orgel war gleichzeitig eine Altar-Orgel, hoch über diesem: diese Kombination ist sehr selten:

eine hinterspielige Altarorgel im Deckengewölbe, noch dazu in dieser Größe mit 23 Registern und Rückpositiv und mit einem fast mittigen Altar.

Da die helle Kirche sehr hoch ist, ist dies möglich.

Wie sie wohl geklungen haben mag?

Es ist so jammerschade, dass sie nicht mehr da ist. Also im Original-Klang!

Dann kam der geniale Wilhelm Sauer, hoch geschätzt von mir, und baute 1901 hinter den prachtvollen Prospekt eine völlig neue, ganz andere Orgel: eine mit spätromantischem Klang, pneumatisch, 28 Register, SW, Kegellade.

Die hinterspielige Barockorgel wurde 1902 seitenspielig, da die romantische neue Sauer-Orgel einen neuen, freistehenden Spieltisch bekam, untendrunter und an der Seite. Dieser Spieltisch steht immer noch da.

Wie es von diesem Spieltisch aus geklungen haben mag? Das hätte mich sehr interessiert. Aufgrund des starken Nachhalls und der Pneumatik und weit unten seitenspielig – war es akustisch sicher nicht leicht, dort zu spielen, aufgrund der Verzögerungen – weil man sich selbst dort evtl. nicht so gut hören konnte.

Doch dann kam 1972 leider eine krasse neobarocke Grusel-Veränderung: Steinmeyer aus Oettingen baute eine elektropneumatische Traktur ein, ersetzte Register „orgelbewegt“ und stellte einen neuen Spieltisch, mit 3. Manual für eine eventuelle Erweiterung, in die Fürstenloge. Warum das dritte Manual dann nie gebaut wurde? Manchen kann es nie groß genug sein. Dieser Spieltisch steht nun als Anschauungsstück etwas ausrangiert unten in der Kirche im Eck.

Steinmeyer ist eine super Firma. Den generellen damaligen neobarocken „Wahn“ kann ich jedoch nicht verstehen; bei Neubauten ja, aber doch nicht bei romantischen oder historischen Orgeln. Wenigstens tat Steinmeyer etwas wirklich Gutes: Die Orgelpfeifen der kostbaren ausgebauten Sauer-Register wurden im Dachgeschoss der Schlosskirche eingelagert und nicht weggeworfen, wie es anderswo geschah.

Auch diese Orgel war also von der Orgelbewegung nicht verschont worden. Ich frage mich, wie man auf die Idee kommen kann, wertvolle Orgeln „umzubauen“.

Doch schließlich wurde das Instrument 2024 restauriert und zurückgeführt auf den Sauer-Original-Zustand für über 630000 € von Klais und das dritte Manual tatsächlich bestückt. Die neuen Klangfarben befinden sich überall – heißt, das neue dritte Manual befindet sich überall und auf alle Manuale verteilt.

Der nagelneue Spieltisch, hochgradig empfindlich, mit großer Setzeranlage, steht nun hoch oben direkt gegenüber der Pfeifen. So hoch stand noch nie hier ein Spieltisch.
Er ist so empfindlich, dass man sich erst auf die Bank setzen darf, wenn der „Computer“ hochgefahren ist, da schon Druck auf der Bank ein Problem darstellt. Das ist der Nachteil bei so viel Elektronik.

Obwohl ein langer Weg per Luftlinie zwischen Prospekt bzw. dem wahren Instrument und Spieltisch liegt, funktioniert das prima. Das Gehirn ist so genial, dass es die Verzögerung automatisch nachreguliert. Man darf nur nicht „aus dem Tritt“ kommen und der Verzögerung „hinterherlauschen“.

Leider wurden von Klais die historischen, klingenden Pfeifen aus dem Rückpositiv von Dahm bei der Restaurierung nicht verwendet, da die Ästhetik eine ganz andere sei – doch genau diese Ästhetik wollen wir ja wieder haben! Diese Pfeifen stehen behütet noch immer im Prospekt.

Stattdessen wurden ganz neue Pfeifen eingebaut. Viele davon sind sehr schön, besonders die Zungen und Solostimmen. Nicht so gelungen sind alle Mixturen, die etwas zu schrill, zu hart oder zu grob klingen. Es ist eine große Kunst, wohlklingende Mixturen zu intonieren. Sehr schön ist die rauchige Querflöte, die auf Ebay ersteigert wurde!

Die hinterspielig-dann seitenspielige Orgel wurde gegenüberspielig.

Disposition der erweiterten und renovierten Sauer-Orgel 3 M in der Schlosskirche Weilburg zum ersten Mal im Netz.

Hauptwerk I

Gemshorn 8‘ 

Gedackt 8’

Prinzipal 8‘ 

Bourdon 16‘ 

Prinzipal 16‘

Rohrflöte 4‘ 

Oktave 4‘ 

Rauschquinte 2fach

Cornett 3-4 fach  

Mixtur 5fach 

Trompete 8‘ 

Fagott 16‘ 

Clairon 4‘

III z. I

II z. I

I z I 4‘

III zu  I 4‘

III z I 16

Schwellwerk II

Praestant 4‘

Flauto dolce 4‘

Gedackt 16‘

Prinzipal 8‘

Quintatön 8’

Soloflöte 8’

Gedackt 8‘

Salicional 8‘

III z II 16‘

III z II 4‘

III z II

Trompete 8’

Clarinette 8‘

Oboe 8’

Mixtur 4fach

Flautino 2’

Schwellwerk III

Fugara 4’

Traversflöte 4’

Liebl. Ged. 16’

Geig. Prinz. 8’

Concertfl. 8’

Liebl. Ged. 8’

Aeoline 8‘

Voix cel. 8’

III zu III 16’

III zu III 4’

Clairon 4‘

Fagott 16’

Trompete 8’

Oboe 8’

Sesquialt. 2fach

Piccolo 2’

Pedal

Liebl. Ged. 16‘

Subbass 16‘

Violon 16‘

Principal 16‘

Gedackt 8‘

Cello 8‘

Oktave 8‘

Oktave 4‘

Quinte 10 2/3‘

Untersatz 32‘

Fagott 16‘

Posaune 16‘

Trompete 8‘

Clairon 4‘

III.z. Ped.

II z. Ped.

I z. Ped.

I z. Ped. 4‘

Ped. z. Ped. 4‘

Die querrechteckige, riesige Schlosskirche mit dem  Kanzelaltar und den Logen, der Grafenloge und drei hohen Geschossen wirkt völlig frei, ohne Stützen, mit Bänken im Kreis, und gehört zu den größten Predigtkirchen. Es ist nicht so leicht, die Größe des Raumes abzuschätzen.

Ich spielte in vielen kleinen schönen Predigtkirchen zuvor. Es ist meine erste Dahm-Orgel und meine 16. Sauer-Orgel und meine 18. Klais-Orgel.

Sie hat keine Tremulante und 2 Oboen.

Klang und Akustik

Weittragende Klänge und Solostimmen: Die Akustik ist ein Instrument! Ja, die AKUSTIK ist hier an sich schon ein Instrument! Einen Tremulanten gibt es nicht, aber 2 Schweller (einen aux) und eine Walze.

Bei den 630 000 Euro ist der digitale Spieltisch noch gar nicht dabei, der unten hinkommen soll. Das wäre dann der 5. Spieltisch in der Schlosskirche.

Besonders gut gefällt mir die Treppe hoch zur Orgel. Es sind sehr viele Stufen, sie führt an den besonderen Logen mit ihren Öfen und Tapeten vorbei und wird am Ende sehr klein und schmal, selbst für mich mit kleinen Füßen.

Persönliche Note

Es war sehr schön, hier zu konzertieren. Die Solostimmen sind für Klassik, Flötenuhren, meine Transkriptionen und Kompositionen perfekt. Die Akustik singt – Eröffnungskonzert in der Schlosskirche an der genialen Sauer-Klais-Orgel, gerade frisch restauriert und erweitert von Klais für über 630000 Euro, gefördert von den selben Geldern wie die Förster Nicolaus Orgel in Reinheim (hier 230000 €).

Ich spielte wieder sehr viele Eröffnungskonzerte dieses Jahr.


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