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Richter Orgel Pomßen (Pomssen) bei Leipzig

ev. Wehrkirche zu Pomßen (13. Jahrhundert)

Orgelbauer:

Gottfried Richter (Döbeln)

Baujahr:

1671/2006

Datum des Erstbesuchs:

2019 und 2022

Disposition und Spielhilfen

Richter-Orgel-Wehrkirche-Pomssen

Gottfried-Richter-Orgel-Pomssen-bei-Leipzig

Richter Orgel Pomßen (Pomssen) bei Leipzig, Renaissance Orgel

Kostbare, spätromanische Dorfkirche mit großem Westturm im Leipziger Land der Vereinigten Mulde:

Die Wehrkirche in einem gepflegten Friedhof besitzt die älteste spielbare Orgel Sachsens und ist reich ausgestattet im Stile des Barock und der Renaissance unter der Herrschaft von Ponickau. Sie ist ein Zeichen europäischer, kulturhistorischer Kunst. Sehr schön ist das Schloss Pomssen mit dem Wappen der herrschenden Familie von Ponickau.

Die herrschaftliche, zweietagige Patronatsloge in der Wehrkirche an der Nordwand gehörte ebenfalls dieser Familie und wurde von ihr 1686 errichtet. Sie ist verziert mit Stuckarbeit und Bogenfenstern, nur vom Friedhof zu erreichen.

Die drei großen Glocken im Glockenstuhl wurden 1660 und 1685 als neues, prächtiges Geläut ebenfalls von Ponickau eingesetzt, von Johann Jakob Hoffmann aus Halle gegossen.

Das spätgotische Kruzifix steht leider hinten in der Ecke.

Wertvolle Epitaph, Sarkophag als Denkmäler, eine wunderschöne ocker-weiße Kassettendecke im Langhaus, barocker Taufengel, der älteste Teil ist die Taufkapelle mit  romanischem Taufstein.

Gegenüber der wertvollen Orgel steht der Renaissance-Altar mit der Heilsgeschichte Gottes.

Der Engelschor auf den sieben Feldern der Empore und den Flügeltüren: Die Engel spielen Harfe (Gemeine Harff), Fidel, Cello, Alt-Posaune, Bass-Pommer, Clavichord…

Gottfried Richter (1643 – 1717) aus Döbeln in Sachsen, Orgelbauer, Bürgermeister und Stadtrichter, baute die Orgel in Pomßen 1671, mit einem Alter von 350 Jahren Sachsens älteste spielbare Orgel. Wunderschöne Renaissance Orgel in einer weißen Dorfkirche (13. Jahrhundert), ca. 14 Jahre vor Bachs Geburt errichtet und geweiht. Sie gehört zu den ältesten Orgeln der Region in Sachsen und Leipziger Land. Ein Manual mit 13 Registern und frühbarockem Klang.

Die Orgel wurde erbaut 1671 durch G. Richter (Döbeln), restauriert 2006 durch Fi. Wegscheider, und besitzt einen wunderschönen Prospekt.

Die Kirche, von Schloss und Rittergut Pomßen geprägt, wurde nach einem Sturm 1660 leider beschädigte. Sophia von Ponickau gab den Auftrag, eine neue Orgel zu bauen, die sich bis heute erhalten hat, eine Orgel des Orgelbauers Gottfried Richter (1643 – 1717) aus Döbeln in Sachsen. Dieser hatte in Sachsen einige Orgeln gebaut. Von 1671 existiert die früheste belegte Disposition der Orgel, die ich während der Orgelakademie kennengelernt habe.

Die mitteldeutsche Orgel ist weiß mit weiß-gelbgoldenen, großen Flügeltüren mit Engeln, die musizieren (Engelskonzert), verzierte Pfeifen, vor allem die mittleren, Zimbelstern. Gelbverziert und dekoriert mit einem aufgeschlagenen Buch (Noten) ist auch der kleine, enge Spieltisch mit schwarzen Tasten.

Die Orgel steht perfekt angepasst auf der zweiten, runden Empore unter einer reich verzierten, flachen Kassettendecke (56 Kassetten). Auch die Brüstung um die Orgel ist voller Engel, die musizieren. Die gesamte Kirche ist weiß-gelb verziert und farblich ein runder Guss und eine Einheit wie eine Torte. Die Orgel und die Empore wirkt wie ein riesiges Porzellangeschirr.

So schlicht die Kirche von außen wirkt, so reich verziert ist sie innen. Die Prospektpfeifen haben gedrehte Füße und vergoldete Labien, die Ober- und Unterlabien der Prospektpfeifen haben verzierte Kielbögen.

Der Taufstein der sehr alten Kirche mit dem breiten, quergestellten Turm stammt aus dem 15. Jahrhundert.

Die Kirche ist für mich eine Bach-Kirche, denn: Am 6. Februar 1727 soll hier JS Bach seine Kantate “Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn” aufgeführt haben, BWV 157. Er soll an der Orgel gesessen sein. Beweisen kann man das nicht. Doch: Somit ist auch die Orgel eine Bach-Orgel, denn es gibt nicht viele historisch erhaltene Orte und Instrumente, an denen Bach war.

Der Glockengießer Johann Jakob Hoffmann aus Halle an der Saale baute die drei Glocken dieser Kirche. 


Manual I CDEFGA-c3

1 Grobgedackt 8‘

2 Principal 4‘

3 Klein gedackt 4‘

4 Nassat 3‘ (2006 rekonstruiert, ein 2 2/3)

5 Sesquialtera II (fach)

6 Octava 2‘

7 Mixtur III (fach)

8 Cimbel gedoppelt II (fach) (Quinte und Terz)

9 Trompeten 8‘ (2006 rekonstruiert)

Pedal CDEFGA-c1

10 Subbass 16‘

11 Violenbass 8‘

12 Posaunen 16‘

13 Cornetten 2‘ (für Cantus firmus)

Koppeln

I/P

Spielhilfen

Tremulant, Vogelgesang, Stern

Stätten sächsischer Kunst: Die Orgel klingt also recht hell, scharf in trockener Akustik. Auf meinen Leipziger Orgelkursen kennengelernt und gespielt. Sie ist, da sie im Spieltisch so eng, klein und schwergängig wirkt, erst etwas gewöhnungsbedürftig, aber dann wunderbar und leicht zu spielen, süchtig machend.

Der Tremulant wurde 2006 rekonstruiert, ebenso der Stern und der Vogelgesang, so auch die Koppel vom Pedal ins Manual (Pedal und Manual in je eigenem Gehäuse).

Mechanisch, 4 Keilbälge, Schleifladen, Chorton.

Das Gehäuse der Orgel ist wunderschön: Akanthuswerk in Gold und Grisaillemalerei, auf den Flügeltüren schwebende, musizierende, singende Engel mit Notentafeln im Rankenwerk. Dazu kniende Engel mit Querflöte und Viola da Gamba. Die Putten sind ernst und niedlich zugleich.

Zwei Inschriften befinden sich an der Orgel.

 

Klang und Akustik

Besonders gern mag ich die gedoppelte Cimbel und die Trompeten, von Wegscheider rekonstruiert.

Frühbarocker Klang. Historische Orgel, nicht leicht zu spielen. Ich habe spanische Musik gespielt, Tiento von Cabanilles, und Pachelbel. Ich liebe Dorforgeln, Wehrkirchen und historische Klänge.

Mitteltönige Stimmung, 458 Hz. Kurze Oktave überall. Man kann dort ausgewählte Werke spielen, zB. spanische Barockmusik, Scheidt, ausgewählte Werke von Bach und Sweelinck, da mitteltönig.

Persönliche Note

Ich mag Mitteldeutschland und die Orgeln aus Sachsen. Gottfried Richter (1643-1717) war ein wichtiger Orgelbauer in Sachsen und wurde Bürgermeister von Döbeln. Ungewöhnlich: Welcher Orgelbauer war schon Bürgermeister einer Stadt?

Ich selbst war 2022 auf meiner zweiten Orgelfahrt hierher zufällig gelb weiss gekleidet perfekt zur Kirche und Orgel.

Umbauten der Orgel:
1727 Jochen George Gordt, 1887 Gottfried Hildebrand, 1934 Alfred Schmeißer. 2000 Restaurierung und Einbau der Balganlage (4 Keilbälge) aus der Schlosskirche Zwickau Planitz (1696) durch Wegscheider (Dresden), 2005/06 Restaurierung des Orgelwerkes durch Wegscheider, Wiedereinweihung Oktober 2006.


8 Antworten auf “Richter Orgel Pomßen (Pomssen) bei Leipzig”

  1. KF Ackerman

    Beautifully presented.. amazing information ❤ and you certainly dressed the part too, wonderful. I was surprised to see the 16ft Reed on pedal, that is awesome

  2. Alexander Abs

    Ich selbst kam zum erstenmal 2001 mit mitteltönig gestimmten Orgeln in Kontakt… und war begeistert, es ist beim Hören schon ein Unterschied! Diese Orgel hat in der Tat einen imposanten, auch etwas archaischen Klang… und eignet sich meiner Meinung nach besonders gut nicht zuletzt etwa für Werke älterer Bach- Verwandter und Vorgänger, wie etwa Johann Michael Bach.

  3. Maximilian Nicolaus

    Kleine, aber feine Orgel. Sehr persönliche Eindrücke in Worten und Bildern von und mit Ann-Helena.

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