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Ann-Helena-Schlueter

Muschel-Orgel Schulkirche Amberg

kath. Rokoko Kirche (Salesianer-Kloster) (1697)

Orgelbauer:

Funtsch Sandtner

Baujahr:

1758/1993

Datum des Erstbesuchs:

Juli 2022

Disposition und Spielhilfen

Ann-Helena-SchlueterAnn-Helena-Schlueter

Die muschelförmige Musikempore, tief gelegt, ist einzigartig. Das Muschelwerk (französisch Rocaille) hat dem Rokoko seinen Namen gegeben. Das wunderschöne Orgelgehäuse, von Amberger Handwerkern erstellt, macht die historische Orgel zu einer Rokoko-Orgel in einer Muschel wie zuvor nie dagewesen.

Das Rokoko ist eine Spätform des Barock, reich, graziös, prachtvolles Gesamtkunstwerk, symbolisch und rund.

Engel, vergoldete Gitter, Wappen, Stuck und Deckengemälde zieren das Langhaus, Hochaltar, Altäre, Schreine und Reliquien. Weiß und Gold dominieren die helle, kleine, freundliche Kirche.

Die Orgel 1760 erbaut durch J. K. Funtsch (Amberg), 1926 neugebaut durch Fi. Steinmeier (Öttingen), 1993 neu gebaut durch H. Sandtner (Dillingen a.d.Donau).

Hauptwerk I C-g3

1 Copel 16‘ 

2 Principal 8‘

3 gedeckte Copel 8‘

4 offene Copel 8’ 

5 Gamba 8’

6 Octav 4‘ 

7 Gembshorn 4‘

8 Quint 3‘

9 Superoctav 2‘

10 Sesquialtera 1  3/ 5’

11 Mixtur major IV 2’

12 Mixtur minor III 1*

13 Trompete 8’

Pedal C-f1

21 Violon 16

22 Subbaß 16’

23 Octavbaß 8’

24 Copel 8’

25 Octav 4’

26 Fagott 16’

Spielhilfen

mechanische Spieltraktur

mechanische Registertraktur

Positiv II C-g3

14 Copel 8’

15 Solicinal 8’

16 Piffara 8’

17 Flöten 4’

18 Flacionet I 2’

19 Quint 1  1 / 3‘

20 Schalmei 8‘

Die schlichte ehemalige Klosterkirche der Salesianerinnen hier in der Oberpfalz, von der savoyischen Prinzessin Henriette Adelheid errichtet, wurde 1803 säkularisiert, das Kloster zur Schule. Zuvor war die Schule eine reine Mädchenschule gewesen. Die adelige Witwe Franziska von Chantal hatte den Frauenorden gegründet, es ging dabei darum, Frauen zu unterrichten. Bisher durften nur Männer Schulen besuchen, was sexistisch und ungerecht war. Oberin Viktoria von Orban erweiterte die Kirche. Die Schulkirche besteht nach wie vor. Die bedeutende Rokoko Kirche ist denkmalgeschützt. Das Abschlussgitter von 1699 zeigt die Schwestern als goldene Engel. Die Rokoko-Kirche zeigt, wie sehr Farben, Sinne, Pracht, Stuck und Malerei Gott verherrlichen sollen.

Registerschwerter und Sesquialtera

Die wunderbaren Registerschwerter der Funtsch-Orgel haben es mir bei meinem eigenen Stück möglich gemacht, neue Klänge zu kreieren, indem ich sie auf “halb” gestellt habe und dann wie ein DJ bewegt habe. Das ist nicht meine Idee, das haben Leute schon vor mir gemacht.

Aber es war trotzdem fruchtig. Besonders gefallen haben mir die Piffara (hier eine Schwebung), das Solicional (eigentlich Salicional, also Streicher), die Flötten (Flöte), der weiche Tremulant und der wunderschön ansprechende und reagierende Schweller. Die “Quinte 3” ist natürlich 2 2/3, und das Sesqui hier nur eine Terz ohne Quinte, d.h. für ein echtes Sesqui muss man hier Quinte und Terz zusammenziehen. (Bei gewissen Orgeln mag ich es auch, wenn ein Sesqui noch mit Septime oder None tönt.)

Neu hinzugekommen ist zur ursprünglichen Funtsch-Dispo der 16-Fuß im HW und die Zungen, die frisch gestimmt waren. Bernhard Müllers ist ein sehr guter Registrant und außerdem ein sehr sehr netter Mensch. Ich mag den Oberpfälzer Dialekt, es ist schon nah am Bayerischen.

Diese kleinen Gassen und Tore, der Stadtgraben wie in Nürnberg, eine Walfischfrau, überall Leben und Trubel – das gefiel mir in Amberg. Amberg hat viele tolle Kirchen und Orgeln und bekommt 2023 eine neue große Klais-Orgel.

 

Klang und Akustik

Zwischen den 12 Apostelbildern (Stuckmedallions) an den Seitengängen strömt der majestätische, elegante Klang der Orgel in heller, lichter Akustik. Ein Rokoko-Klang.

Persönliche Note

Besonders mochte ich an den vier Ecken der Kirche die Symbole für die 4 Jahreszeiten.

Die Kloster Schulkirche ist eine der bedeutendsten Rokoko Kirchen in Deutschland. Rokoko ist Spät-Barock und licht und hell und voll.

Meine erste Funtsch-Orgel. Die hübsche Stadt, kleiner als Würzburg, besitzt wie Rothenburg ob der Tauber eine Stadtmauer, ganz erhalten. Sie sollte Unesco Weltkulturerbe werden.

Amberg ist eine schöne, katholische Stadt (ca. 40.000 Einwohnerinnen) mit einer alten Stadtmauer, vier Stadt-Toren und einem Stadtgraben. Der Fluss Vils fließt gemütlich durch alle hübschen Brücken. Das rote Dach der großen Basilika St. Martin am Marktplatz leuchtet in der Abendsonne wie rotes Gold. Eine schwarze Katze schmiegte sich an mich bei meinem gestrigen Abendspaziergang. Man sieht viel barocken Sandstein, Restaurants, geschmückte Balkone. Über der Stadt thront der Mariahilfberg. Ich habe in Amberg schon mal, lange her, auf dem Kunstsommer Klavier gespielt und gelesen. Damals, als ich mich noch nicht für Orgeln interessiert habe.

Was mich gefreut hat: Ich war in Amberg die Erste, die dort an dieser wunderschönen Funtsch-Sandtner Orgel August Gottfried Ritter gespielt hat. Ich habe die erste Sonate gespielt, d-Moll. An dieser Barock-Rokoko-Muschel-Orgel klang Ritter erstaunlich wunderbar. Süffige Klänge.

Das Konzert war gut besucht, man musste hinten noch bestuhlen, ca. 140 Leute. Vor Corona sind die Konzerte sogar noch besser gelaufen.

Sie haben meine Finger nach unten verlegt mit einer Kamera auf den Beamer, das gefällt den Leuten, wenn sie auch etwas sehen können. Die Funtsch- Sandtner Orgel hat in den Prinzipal-Registern eine Art eingebautes Crescendo, so dass es nach oben hin aufblüht.

Warum ich Rokoko liebe und bin? Es ist das Graziöse, das Gesamtkunstwerk, das Ziel und Absicht ist und die Gaben und Kunstarten wetteifern darum, Räume zu erschaffen, die Gottes Heiligkeit zum Ausdruck bringen. Farben, Rausch und Raum, um Gottes Majestät wiederzuspiegeln. Meine Kunst soll auch eine Repräsentation davon sein.

Muschel-Orgel Rokoko.

Ich bin auch Rokoko.

Heute erinnere ich an alle Menschen, die sich dafür eingesetzt haben, dass Orgeln wieder in ihren originalen Top-Zustand zurückgeführt wurden/werden.

Und an Franziska von Chantal, die die Mädchenschule in Amberg gegründet und die Gründung des Ordens angeregt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden nur die Jungs ausgebildet. Und Mädchen nicht, sie konnten daher weder lesen noch schreiben. Das muss man sich mal vorstellen, wo doch Mädchen bis heute in der Schule stets die Besten sind.


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