Hildebrandt Orgel Nikolaikirche Langhennersdorf, Sachsen
ev. Dorfkirche St. Nikolai (1530 / 1722)
Orgelbauer:
Zacharias Hildebrandt
Baujahr:
1722 / 1995
Datum des Erstbesuchs:
September 2024
Disposition und Spielhilfen
Zacharias Hildebrandt Orgel ev. Nikolaikirche zu Langhennersdorf bei Freiberg, Sachsen, 2 M, 21 R, Erzgebirge
Der junge Zacharias (1688 geboren) war Silbermann-Schüler seit 1713. Diese Orgel ist seine erste: Sein Meisterstück. 1717 bekam er von Silbermann diesen Auftrag persönlich. Hildebrandt war Silbermanns bester Geselle, aus Schlesien zugereist. Er war so gut und begabt, dass Silbermann ihn bezahlte während der Ausbildung (statt umgekehrt) und seine Inspirationen übernahm. Silbermann war ansonsten unbeirrbar in seinem Weg.
Zacharias heiratete sogar 1722 in dieser Kirche in Langhennersdorf.
Es gab jedoch einen Vertrag zwischen dem berühmten Gottfried Silbermann und seinem Schüler: Dieser sollte Sachsen verlassen, um nicht in seinem Gebiet zur Konkurrenz zu werden. Einen solchen Vertrag hatte Silbermann selbst auch mit seinem Bruder im Elsass schließen müssen, was für ihn sicher auch nicht leicht war.
Hildebrandt hielt sich aber nicht an den „Knebelvertrag“. Die Versuchung war zu groß. Bereits ein Jahr nach seinem Meisterstück in Langhennersdorf baute er eine Orgel in Störmthal bei Leipzig. Johann Sebastian Bach hatte nämlich sein Augenmerk auf Hildebrandt gelegt.
Silbermann flippte aus. Nun wurde aus seinem „besten Schüler“ der „undankbarste Schüler“. Ein riesiger langer Rechtsstreit entpuppte sich zwischen den beiden, den Hildebrandt verlor und sich aus Sachsen zunächst zurückzog und nach Sachsen-Anhalt ging.
Für Hildebrandt war Silbermann ein „alter Zopf“. Er war selbstbewusst und jung. Zacharias wollte mit Bach in neue Richtungen gehen: neue Stimmung, neuer Umfang, neue Klänge. Interessant: Bach wurde später auch als „alter Zopf“ bezeichnet. Für mich sind beide keine alten Zöpfe, sondern genial: Sowohl Silbermann als auch Bach. Und Zacharias.
Ich kann jedoch verstehen, dass Silbermann Bach „zu wenig“ war. Allein der begrenzte Umfang.
Es gibt jedoch ein Happy End in dieser Geschichte: Als Hildebrandt seine größte Orgel in Naumburg baute, sollte sie von Bach und Silbermann abgenommen und besucht werden. Was muss Hildebrandt geschluckt haben! Aber beide waren absolut begeistert. Es fand eine Versöhnung statt. Der alte Meister Silbermann war bereits kränklich und wollte seine Härte gegenüber seinem besten Schüler verlieren.
In der 2022 frisch sanierten hellen Kirche erklingt dieses besondere Instrument, von Kristian Wegscheider 1995 rekonstruiert und saniert. Von ihm stammt der Prinzipal 8. Die Tonhöhe ist etwa einen Halbton über a1 = 440 Hz.
I Haupt WerckCD–c3 |
||
Principal | 8′ | (H) |
Rohrflöthe | 8′ | (H) |
Qvintadena | 8′ | H |
Praestant | 4′ | (H) |
Spitz-Flöthe | 4′ | H |
Qvinta | 3′ | H |
Octava | 2′ | H |
Mixtur III | H | |
Cymbeln II | ||
Cornet III | (ab c1) | H |
II Unter WerckCD–c3 |
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Gedackt | 8′ | H |
Rohrflöthe | 4′ | H |
Nasat | 3′ | H |
Octava | 2′ | H |
Waldflöthe | 2′ | H |
Qvinta | 1 1⁄2′ | |
Sufflöth | 1′ | |
Cymbeln |
Pedal CD–c1 |
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Sub-Baß | 16′ | |
Posaunen Baß 16
Trompeta 8 |
Nebenregister
- Tremulant
- Manualkoppel
- Baßventil im Hauptwerk
Das Denkmal-Instrument wurde 1845 verändert und 1910 auf pneumatische Traktur mit Kegelladen umgebaut, vermutlich durch Orgelbau Johannes Jahn.
Die Prospektpfeifen wurden 1917 für den Krieg ausgebaut. Der Kantor hatte im Prospekt Papp-Pfeifen zum Klingen gebracht. Diese gibt es noch. 1965 hatte Jehmlich die Orgel durchgesehen. Danach stand das Gehäuse lange ausgebaut und leer, eine Zwangspause, bevor 1989 die Rekonstruktion durch den jungen Orgelbau Wegscheider (Dresden) beginnen konnte. Restauratorin Hilke Frach-Renner kümmerte sich um die Farbfassung des Orgelprospekts.
Die Pfeifen von 14 Registern, das Gehäuse und die schwarzen Manuale sind noch original.
Gott sei Dank wurde die Orgel rekonstruiert.
Klang und Akustik
Der wunderbare typische Silbermann-Klang kommt hier in sprechender Akustik in der gotischen Saalkirche mit den zwei Türmen perfekt zum Tragen: direkt, höher gestimmt, edel, hell, glitzernd, sonor und schnarrig: mehr als ein Barockklang.
Sehr obertönig schwirrt der Orgelgesang durch die kleine Kirche. Hildebrandts Zungen sind sonorer als die von Silbermann, da beledert. Zudem hat er eine Waldflöte 2 gebaut. Alle Flöten sind genial. Der Tremulant ist weich und rund. Ich liebe Tremulanten.
Persönliche Note
Es war sehr schön, hier zu konzertieren. Das Konzert war sehr gut besucht. Der Umfang der Orgel ist natürlich begrenzt. Daran muss man sich bei Silbermann-Orgeln gewöhnen. Das Dorf bei Dresden voll alter Häuser hat ca. 800 EW. Ich habe CDs verkauft und Wein bekommen, mit Silbermann-Schriftzug.
Die Fachwerkhäuser rund um die Kirche wurden verkauft und saniert. Die Kirche steht auf einem gepflegten Friedhof inmitten alter Bäume. Freiberg ist nur ca. 10 km entfernt. Die Menschen sind sehr nett. Es war sehr schön, mit ihnen zu reden und zu essen.
Da die Kirche kein Geld für eine Kirchenmusikerin hat, wird und wurde die Orgel leidenschaftlich von ehrenamtlichen und freiwilligen Kantoren seit Jahrzehnten gepflegt und betreut, die teilweise sogar von Ämtern schäbig behandelt wurden und doch eher eine Medaille und einen Orden verdienen. Leider geht das Geld eher in die reichen Städte drumherum, nicht an die wertvollen Dorfkirchen.
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