Gutjahr Kellner Knauf Orgel St. Nikolai Kirche Geschwenda, Thüringen
ev. Dorfkirche St. Nikolai (1747)
Orgelbauer:
Johann Michael Gutjahr mit Johann Peter Kellner / Guido Knauf /
Baujahr:
1744 / 1882 / 1993 / 2012
Datum des Erstbesuchs:
August 2024
Disposition und Spielhilfen
Schöne Gutjahr Kellner Knauf Orgel Sankt Nikolaikirche Kirche Geschwenda, Thüringen, Gräfenroda-Geschwenda, Gemeinde Geratal, 2 M, 22 R
Die große gelbe Barockkirche, 1984 saniert, mit schwarzem Dach neben alten Bäumen schmückt das kleine thüringische Dorf bei Gräfenroda. Die prachtvolle Saalkirche, vom selben Architekten erbaut wie die Kirche nebenan in Gräfenroda, ist innen weiß und gold gestrichen und hell – so wie es auch in St. Laurentius (Ort und Kirche etwas größer) ursprünglich geplant war – jedoch dann alles Geld in die Orgel floss.
Der reiche Orgelprospekt mit musizierenden und singenden Engeln erinnert stark an die Weise Kellner Orgel in Gräfenroda, so auch der wertvolle strahlende Kanzelaltar (hier jedoch ohne Schnitzereien und Bibelvers).
Für die Gutjahr-Barock-Orgel von 1744 bestimmte der Bach-Schüler Johann Peter Kellner (1705-1772) die Disposition. Leider wurde diese Barockorgel nicht rekonstruiert bis heute. Dadurch ist sie verloren gegangen. 1750 wurde sie zerstört durch den Einsturz der Decke und 1751 von Stephan Schmaltz (Arnstadt) repariert.
1882 veränderte Guido Knauf (Gotha) die Orgel massiv (beinahe Neubau). Es wurde eine romantische Orgel. Leider hat Knauf den Wert der Barockorgel nicht erkannt.
1993 reinigte Schönefeld aus Stadtilm die Orgel. 2012 restaurierte Orgelbau Waltershausen das Schleifladeninstrument, rekonstruierte es jedoch nicht – im Gegensatz zur Weise Kellner Orgel in Gräfenroda.
Original erhalten sind jedoch viele süffige Pedalpfeifen der Barockorgel. Die Orgel braucht nun jedoch erneute Sanierung.
Die großen originalen Bälge wurden leider von Waltershausen entfernt, stattdessen ein zu kleiner Balg eingesetzt, neben dem Windgebläse (blauer Kasten). Zum Vergleich: bei der Rekonstruktion der Gräfenroda Orgel nebenan wurden die 5 (!) großen Bälge( hinter der Orgel) rekonstruiert.
In Geschwenda gibt es nun nur noch einen kleinen Balg (der große originale existiert noch, wurde jedoch abgeschaltet). Ein Balg ist für den Winddruck zuständig. Die Windstößigkeit der Orgel hängt mit dem zu kleinen Balg zusammen. Die Orgel bekommt nicht genug Luft. Die Rekonstruktion eines Balgs kostet viel Geld.
Der fürstlich-schwarzburgische Hofmaler Gottfried Wunderlich (1689-1749) und sein Sohn Christian Gottfried (1721-1765) gestalteten die Deckengemälde und Leinwandgemälde des Kirchenschiffs. Der Taufstein ist von 1618.
Bezahlt wurde die Kirche vom reichen Freiherrn von Röder, der auch ein Wappen erhielt, ein Portrait rechts vom Altar und die Patronatsloge. Jedoch sollte dieses Bild abgehängt werden, da eben dieser Freiherr Röder „Jud Süß“ verhaftet haben soll, der dann hingerichtet wurde.
Dies war schon damals ein antisemitischer Skandal, festgehalten vom Autor Lion Feuchtwanger. Daran sieht man, wie wichtig es ist, Skandale zu dokumentieren. Röder kennt heute niemand, Jud Süß jeder. Natürlich hieß der Hofjude anders, wurde aber „Jud Süß“ genannt (was ich schon schlimm finde). Er wurde ermordet, weil er als Sündenbock herhalten musste – vermutlich für Fehler von Röder selbst. Antisemitismus hat nichts in Kirchen zu suchen.
HW
Bordun | 16′ |
Principal | 8′ |
Gamba | 8′ |
Hohlflöte | 8′ |
Gedact | 8′ |
Quintatön | 8′ |
Octave | 4′ |
Rohrflöte | 4′ |
Quinte & Octav | 3′ + 2′ |
Mixtur 4-fach |
OW
Geigen Principal | 8′ |
Flauto traverso | 8′ |
Salicional | 8′ |
Lieblich Gedact | 8′ |
Flauto dolce | 4′ |
Octave | 4′ |
Quinte & Octave | 3′ + 2′ |
Pedal
Principalbass | 16′ |
Violon | 16′ |
Subbass | 16′ |
Octavbass | 8′ |
Gedactbass | 8′ |
Manualkoppel
Pedalkoppel
Manuale: C, Cs…f “‘, Pedal: C, Cs…d‘
mechanische Schleifladen
gleichstufige Stimmung
kein Schweller, kein Tremulant
Die 13 Pfeifenfelder der Gutjahr-Orgel mit insgesamt 109 Pfeifen, verziert mit Schnitzwerk, 4 musizierenden Engelsfiguren und einem großen Engelskopf, schließt an die hölzerne Kirchendecke.
Klang und Akustik
Fruchtiger Klang: Samtig-trockene Akustik, in der diese klangschöne Orgel steht; erstaunlich ist, dass es keinen Tremulanten gibt. Vielleicht war der etwas heikle Tremulant in Gräfenroda etwas abschreckend. Ich liebe Tremulanten. Die typisch seitlichen Registerzüge von Knauf gefallen mir schon. Ich mag sehr gern die engen Streicher.
Persönliche Note
Folgende Knauf-Orgeln habe ich u.a. bisher gespielt: Geschwenda, Frankenhain, Goldbach, Österbehringen, Friedrichswerth, Wangenheim, Blankenburg, Bleicherode, Tüngeda, Rügen, Liebenrode
– fast alle in Thüringen, alle im Osten, zwischen 1830-1890, von der Familie Knauf (Friedrich, Robert, Guido und J.V.).
Die Zeitgenossen und Konkurrenten Strebel, Ratzmann und Knauf haben „ähnliche“ Orgeln gebaut. Der krasseste Geschäftsmann war hier die Knauf-Dynastie, besonders Guido Knauf. Dieser hat es Ratzmann mit Aufträgen schwer gemacht. Bis heute gibt es viel mehr Knauf Orgeln als Ratzmann Orgeln, was ich sehr schade finde. Ratzmann-Orgeln sind nämlich auch wundervoll.
Freue mich auf dein Konzert