Buchholz Jehmlich Orgel St. Nikolai Dom zu Greifswald
ev. Dom St. Nikolai, Pommern
Orgelbauer:
Buchholz/VEB Jehmlich (Dresden)
Baujahr:
1832/1987 Opus 1066
Datum des Erstbesuchs:
2018-2023
Disposition und Spielhilfen
Grüne Buchholz Jehmlich Orgel evangelischer Dom St. Nikolai Greifswald in Pommern, 3 M
Nikolaikirche.
Gotische Basilika. Größtes Bauwerk Greifswalds, Taufort von Caspar David Friedrich, dem Maler der Stille (1774-1840). Dreischiffig, Rubenowtafel, Schwedenlodge, Lutherfenster, Schwedenschiffe. Kapelle der Stille. Leider hat Manfred Schlenker die historische wundervolle Buchholz Orgel zerstören lassen (so etwas würde heute gar nicht mehr gehen) und einen Neubau beantragt, da eine Rekonstruktion „mindestens genauso teuer wäre“. Jedoch hat die neue Orgel Probleme, den großen Raum klanglich zu füllen, u.a., da die Bälge zu klein sind.
Vorgänger-Orgeln
Am 12.3.1362 wird die erste (gotische) Orgel geweiht, die nächste Orgel ist von 1515, die Peters-Orgel von 1577, von Jastert 1599 renoviert, 1674 von Warnitz bearbeitet, 1731 von Christian Gottlieb Richter bearbeitet und renoviert, 1753 von Christian Welt repariert, 1760 von Hesler, ab 1820 wurde die neue Buchholz Orgel geplant. Während der Bauarbeiten wurde eine Interims-Orgel aus übrig gebliebenen Stücken gespielt. 1830 erfolgte der Kontrakt mit Buchholz. 1868 baute diese Mehmel teilweise um. Grüneberg pflegte und renovierte die Orgel ab 1896.
1937 baute leider die Firma Kemper die Orgel um, bis Jehmlich 1988 umgestaltete. Verantwortlich dafür: Orgelsachverständiger Dietrich Prost. Es gab heftige Diskussionen, da einige Männer sogar dafür waren, die wunderbare Buchholz Orgel abzubrechen!
Jetziger Zustand: Neobarock mit französisch-romantischen Anteilen, 15 Buchholz-Pfeifen. Heute 53 Register, 3 Manuale, Pedal, mechanische Schleifladen (Umbau 1988 durch Fa. Jehmlich aus Dresden). Über 3000 Pfeifen. Grüne Orgel weit oben. Die erste Orgel war hier eine von Fabian Peters (Rostock) von 1575: Brabanter Orgelbau.
Neogotisches Gehäuse wurde behalten, leider nur 15 Buchholz-Register blieben original. Schade, dass immer alles “umgebaut” werden muss. Warum?
Heute wird sich beklagt, der Klang der Orgel sei nicht mehr raumfüllend.
Die ursprünglich frühromantische Greifswalder Dom-Orgel mit 45 Registern durch Carl August Buchholz (1796), einem genialen Orgelbauer aus Berlin, wurde durch F.A. Mehmel 1868-1870 repariert, bekam weitere Register 1869, dann wieder repariert 1871-72 durch Grüneberg. Bis hierhin ok.
Leider dann ab 1873 trauriger Umbau durch die Orgel-Zerstörungs-Bewegung (im Sinne der “Orgelbewegung”), durch Kemper & Sohn, dann 1988 erneuter Umbau durch Jehmlich. Das Wort Umbau ist oft ein trauriges Wort im Orgel-Zusammenhang.
Der Prospekt ist von Christian Friedrich.
Hauptwerk (II) C-g’’’
- Prinzipal 16’
- Prinzipal 8’
- Rohrflöte 8’
- Gemshorn 8’
- Oktave 4’
- Spitzflöt 4’
- Quinte 2 2/3’
- Superoktave 2’
- Mixtur 4f
- Mixtur 6f
- Cornett 5f
- Trompete 16’
- Trompete 8’
- Tremulant
Oberwerk (III) Schwellwerk
- Bordun 16’
- Prinzipal 8’
- Koppelflöte 8’
- Salicional 8’
- Octave 4’
- Rohrflöte 4’
- Waldflöte 2’
- Sesquialtera 2f’
- Quintflöte 1 1/3’
- Mixtur 5f
- Zimbel 3f
- Trompet harm. 8’
- Schalmei 4’
- Trompete 8’
- Clairon 4’
Unterwerk (I)
- Praestant 8’
- Gedackt 8’
- Quintadena 8’
- Prinzipal 4’
- Gemshorn 4’
- Prinzipal 2’
- Quinte 1 1/3’
- Terz 1 3/5’
- Sifflöte 1’
- Scharffzimbel 3f
- Dulzian 16’
- Vox humana 8’
- Tremulant
Pedal C-f’
- Untersatz 32’
- Prinzipal 16’
- Subbaß 16’
- Oktave 8’
- Gedackt 8’
- Oktave 4’
- Pommer 4’
Koppeln
- I/II
- III/II
- I/P
- II/P
- III/I
7 Glocken
Betglocke 1440
Kindtaufglocke 1615
Franziskanerglocke 1340 (älteste Glocke)
4 neue Glocken von 2006-2013: Sonntagsglocke, Friedensglocke, Bugenhagenglocke, Johannesglocke
Klang und Akustik
Großer Klang in großer Akustik mit viel Nachhall. Tolle Posaune im Pedal. 2 schöne Tremulanten. Im Winter ist die Orgel eingetütet in einen warmen Kokon. Nette Winterkirche. Auf der langen steilen Holztreppe nach oben zu Turm und Orgel verfolgen einem das schwere Ticken der Uhr.
Es gibt im Dom noch das Nussbücker-Positiv von 1976, 2000 generalüberholt von Banzhaf aus Husum.
Manual C-g
Gedackt 8
Rohrflöte 4
Prinzipal 2
Mixtur 3fach
Dann die Banzhaf-Truhenorgel von 1993 mit geteilten Schleifen. So eine ist auch die Hausorgel von 1995 bei Frau Röttcher, diese mit angehängtem Pedal.
Gedackt 8
Holzflöte 4
Prinzipal 2
Oktävlein 1
Und die Nussbücker-Orgel in der Südkapelle von 1983 zum Üben, 3 M, Koppel-Manual.
Auch in der Feierhalle auf dem Neuen Friedhof gibt es eine Nussbücker-Orgel von 1987, Schleiflade.
Sehr nette Küster mit Kaffee und kleinem Kabuff (Zimmerchen), wo man die Trinkflasche auffüllen kann. Schöner Ausblick vom Turm bis zur „dicken Marie“ und zu den Kreidefelsen nach Rügen. Große Glocken hängen dort. 2023 habe ich hier konzertiert und meine Kirchenmusik Orgel-Prüfung gespielt.
Gotischer Backsteinbau, 100 m hoher Turm mit grüner Turmhaube, Taufkirche Caspar David Friedrich.
Persönliche Note
Sehr schöner Meisterkurs und Konzert 2018, wunderschöne Stadt, sehr schöner Dom, waren tolle Wochen! Auch 2023. Studium Kirchenmusik hier im Institut mit Examen im Dom.
Mein Programm:
Orgelkonzert Sehnsuchtsort Orgel
FANTASIA und CHORAL
Orgel-Diplomprüfung Dom zu Greifswald
Ann-Helena Schlüter
28.3.2023
Matrikel-Nr 168808
Sehnsuchtsort Orgel
FANTASIA und CHORAL
Johann Sebastian Bach (1685-1750):
Fantasia et Fuga g-Moll BWV 542
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791): Fantasie in f-Moll KV 608
Petr Eben (1929-2007): Fantasia II
August Gottfried Ritter (1811-1885): Orgelsonate Nr 1 d-Moll op. 11
Allegro-Andante-Allegro-Andante
Choralvorspiele Orgelbüchlein
Johann Sebastian Bach:
599 Nun komm
608 In Dulci jubilo
626 Jesus Christus
629 Erschienen ist
639 Ich ruf zu Dir
Weitere 5 Choräle:
Dietrich Buxtehude: Nun bitten wir den Heiligen Geist
Johann Gottfried Walther: Ein feste Burg
Johannes Brahms: O Gott du frommer Gott
Max Reger: Ach, bleib mit deiner Gnade
Ann-Helena Schlüter: Wachet auf, ruft uns die Stimme
Die Greifswalder St. Nikolaikirche wurde 1362 mit urkundlich dokumentierter Orgel ausgestattet, 1516 wird eine weitere Orgel erwähnt, 1575 wurde dem Rostocker Orgelbauer Fabian Peters der Aufgabe gegeben, eine große Orgel mit 1633 Pfeifen, einem Werk, 2 Positiven und Pedal, zu bauen.
Das Gehäuse wurde als Holzintarsienarbeit gebaut, 1577 fertiggestellt. Die Peters-Orgel steht in der Tradition des Brabanter Orgelbaus.
Carl August Buchholz aus Berlin baute dann eine neue frühromantische Orgel. Das Gehäuse gestaltete Johann Gottlieb Giese. Am 18. Juli 1832 wurde die Orgel eingeweiht.
In der Orgelbewegung war sie eine der wenigen bis dahin noch erhaltenen großen frühromantischen Orgeln in Deutschland, doch leider baute man sie um. Die Windladen dieses Instruments sind als Schleifladen angelegt, die Spiel- und Registertraktur ist mechanisch.
Neben dem historischen Gehäuse wurden einige Register aus der alten Orgel übernommen, einige nach Buchholz rekonstruiert. Insgesamt verfügt sie nun über 51 klingende Register, verteilt auf 3 Manuale und Pedal. Nun ist sie eine universelle Orgel. Wie gern hätte ich die reine pure Buchholz Orgel kennengelernt
Sehr gut!
Vielen Dank für die umfangreichen Erläuterungen, sehr schöne Orgel.
Ich war im Oktober mit Ann-Helena da – eine sehr beeindruckende Kirche und Orgel. Danke.
In der Tat eine universelle Orgel mit sehr melodisch klingenden Registern…es ist nicht davon auszugehen, daß diese, wenn es darum geht, Orgelliteratur verschiedener Epochen zu spielen, so leicht an ihre Grenzen stoßen könnte.
Vielleicht gibt es die Variante “Zeitreise” zur Original Orgel von Buchholz irgendwann … Ausführlich, persönlich und emotional. Ich bin mir nur nicht sicher, ob im Video das Knarren der Stufen zur Musik an der Orgel gehört… Gelungene Info und Video!