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9. Juli 2020

Das ganze Leben ist der Versuch, es zu behalten. (Ingeborg Bachmann)

Nur wer sein Leben verliert, wird es erhalten, sagt die Bibel.

Das Konzert in Mönchengladbach heute bzw. gestern war sehr schön und ausverkauft. Wegen Corona durften nur 100 hinein statt wie sonst 250. Aber es war trotzdem voll und mit 100 Menschen Einlass eben ausverkauft. Sie hätten noch viel mehr verkaufen können, aber mehr Tickets waren nicht erlaubt. Morgen dafür nochmal Wiederholung meines Konzerts. Oben auf der Empore darf leider niemand sitzen, wegen Corona. Ich freue mich auch immer, wenn Kinder im Konzert sind.

Die Hauptkirche Rheydt ist eine imposante Kirche direkt auf dem Marktplatz. Die Orgel darin, eine Sauer-Orgel, liebe ich. Sie ist eine Art kleinere Schwester zur Sauer-Orgel in der Thomaskirche Leipzig, mit Türmchen und historischem Prospekt, alles klingend, mit weißen Schleifen. Wunderschön und perfekt für Liszt, für Romantik allgemein. Sie hat drei Manuale, Walze, Schweller, pneumatisch, Kegellade, neuer Spieltisch leider, aber dafür mit Setzer, ein ebenmässiges Pedal, was mir sehr gefällt. In Leipzig ist der Spieltisch noch original. Ich mag den glasklaren, durchsichtigen, transparenten, leicht “brutalen” Klang einer Sauer-Orgel. Sie ist im Grunde eine Art Gegenstück zur Walcker-Orgel, die auch hervorragend ist für Romantik, aber pianistischer und zarter, verschmelzend, weicher. Eine Sauer-Orgel, im Bild gesprochen, ist wie klarer Wodka, dagegen eine Walcker wie süffiger Rotwein. Ich mag beides. Es gab eine Zeit, in der Orgelbewegung, in der man solche Orgeln ausrotten wollte, katastrophalerweise, weil sie für Bach nicht geeignet schienen. Außer für einen romantischen Straube-Bach. Aber man muss ja nun nicht nur Bach spielen. Heute war ich also mit Herzblut an einer Straube-Orgel. Mit Liszt Ad nos. Perfekt. Wie Himmel. Heute sind solche Orgeln nämlich wieder “in”. Und mir liegen pneumatische Orgeln. Und diese Dynamik-Knöpfe… ach, das macht das Leben so viel leichter. Ernst Sauer hat damals  seine Firma an Paul Walcker verkauft. Das finde ich erstaunlich. Die Geschichte des Orgelbaus ist grundsätzlich spannend.

An einer Sauer wird man zu Straube.

Aber der größte Teil des Konzerts war der Klavierabend vorne am Flügel. Die Leute waren besonders “scharf” auf Beethoven. Alle meine Beethoven-CDs waren im Nu verkauft. Mal sehen, wie ich das morgen löse.

Lustig, wenn ich einen Klavierabend spiele, denke ich, ach, wie gern würde ich jetzt ein Orgelkonzert spielen, und wenn ich ein Orgelkonzert gebe, denke ich, ach, wie gern würde ich jetzt vorn am Klavier spielen.

Meine neuen weiblichen Vorbilder sind Claire Delbos (Komponistin, Frau von Messiaen) und Komponistin und Organistin Jeanne Demessieux und Jeanne Joulain.

Ist es nicht erstaunlich, dass Liszt alte Fingersätze, Sweelinck-Fingersätze in Ad nos und B-A-C-H notiert hat? Ich merke daran, dass revolutionäre Künstler, auch Bach, immer auch an Altem hingen, also das “Alte” kannten und schätzten – und anwendeten, in ihrem Neuen. Ich mag das. Es ist wie ein Erkennungszeichen, ein Markenzeichen von Kunst. Die Straube-Fassung ist natürlich wichtig und interessant, aber man darf nicht vergessen, dass Straube eine ganze Welt weg war von Liszt – und an wem bin ich interessiert? An Straube?

Ich mag Straube und Reger, aber ich denke, ich mag, momentan zumindest, Liszt lieber, denn er war auch Pianist.

Erstaunlich ist auch, dass gewisse Männer mich und mein Konzertleben digital buchstäblich “verfolgen”, jedoch mit einer Giftspritze in der Hand, weil sie einfach nicht gewöhnt sind, dass eine Frau nicht nur da ist, gütig Socken und Hemden zu bügeln und Termine anderer zu koordinieren, sondern selbstbewusst und künstlerisch ihren eigenen Weg zu gehen. Ich weiß, dass es Frauen gibt, die nicht helfen, dass Sexismus aufhört, sondern die noch zusätzlich unfreundlich, barsch und schnippisch sind. Dennoch geht der Sexismus nicht von ihnen aus. Sie haben meist eine Dienerrolle in dem ganzen System, was mich auch nerven würde an deren Stelle. Ich schätze, dass sie größtenteils unwissend sind.

Von Youtube erstellt:

Eine Antwort auf “9. Juli 2020”

  1. ANN-MARGRET SCHLÜTER

    HEJ ANDLEN! FULL KYRKA! GRATTIS! HOPPAS IKVÄLL IGEN.
    DU SKRIVER FINA KOMMENTARER OCH TANKAR OCH
    DIKTER. DEN ENA SIDAN AV MEDALJEN. VIEL ERFOLG!

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