
Musik
Musiker sind seit jeher, zumindest seit 1600 ein fahrendes Volk. Viel anders ist es heute nicht. Doch gleichzeitig sind wir Historiker. Durch Musik und Kunst kann ich Geschichte und geschichtliche Utopien nachempfinden. Ich spüre, dass ich eine lange Geschichte plötzlich aufrolle, wenn ich Musik mache.
Es ist manchmal kaum erträglich und schmerzlich, da diese lange Geschichte meine eigene berührt. Ich spüre die Wunden des Missverstandenseins, die so vielen Musikerinnen zugefügt worden sind durch alle Jahrhunderte hindurch — und meine dazu, die mich persönlich betreffen. Musikersein ist ein Seins-Zustand.
Wie viele Räume können sich in der vierten Dimension öffnen? Konvergieren und Divergieren, auch wenn sie Gegensätze sind, sind letztendlich das Gleiche im Bereich der Unendlichkeit, konkret nur an der Unendlichkeit interessiert.
Divergiert etwas nach Null? Nein. Konvergieren braucht erst eine Aufgabe und ist sehr abhängig von der Funktion, vom Verhältnis. Aber Divergieren ist davon freier, da Unendlichkeit keine Richtung kennt.
Der Kopf und die Seele des Menschen ist auch ein Raum, auch da gibt es Verhältnisse und Gesetzmäßigkeiten, Grenzwerte. Besitzt eine Folge, also ein Denkprozess, eine Summe und einen Grenzwert, eine Funktion, eine Abhängigkeit, so wird sie konvergent.
Es mag sein, dass Divergenz und Denken nicht wirklich kongruent sind, aber ich finde dies ein schönes Bild, sie in Verbindung zu stellen. Konvergiert eine Kurve, wird sie oder das Ergebnis immer kleiner, obwohl die Zahl ins Unendliche geht. Divergenz hat keinen Grenzwert und ist auch nicht abhängig von einem solchen Grenzwert, einen Sinn ist zu finden. Divergent zu denken hat für mich nur eine Grenze: die Wahrheit, und was oder wer ist die Grenze der Unendlichkeit?
Polen
Kreativität ist intuitives, innovatives, divergentes Denken. Denken mit Geist. Divergent bedeutet, dass man aus anderen Bereichen Erkenntnisse und Lösungen auf neue Probleme überträgt. Eigentlich kommt dieser Begriff divergent aus der Mathematik, aus der Kurvendiskussion, und bedeutet auseinanderdriftend.
Konvergent und divergent sind hier Annäherungsbegriffe in der Analysis. Eine Kurve nähert sich Null an, wird nie Null, wird unendlich klein. Oder sie driftet von Null weg, divergiert ins Unendliche. Ist dies nicht sehr symbolisch? Sie bedingen einander, sind eine Einheit, auch wenn sie Gegensätze sind. Kreativität braucht auch beides. Man müsste neue Begriffe erfinden und definieren. Was bedeutet der Begriff Kunst? Beim Divergenten wird aus Begrenzung ausgebrochen, es geht um Neues schaffen.
Dass Kreativität Denken ist, sogar Problemlösungs-Denken, mehr als traditionelles, menschliches, schulisches Denken. Die Gesetzmäßigkeit des Denkens ist die Sehnsucht, die Suche nach Wahrheit, für diese man bereit ist, anzuecken und zu leiden, daher kann man auch divergentes Suchen, Finden, Schaffen sagen.
Es geht dabei um Ästhetik, die für mich mit Denken und Wahrnehmen zu tun hat. Divergentes Denken ist in Ebenen verschachtelt und strebt nach außen, es ist ein Angriffsdenken, ein aus Systemen denkendes Denken, genauer, in Systembeziehungen denkend, ein Übertragungsdenken im positiven Sinne.
Es mag sein, dass das Wort divergent, seit 1967 von Joy Paul Guilford für Coachingszwecke und Intelligenzforschung genutzt, irreführend ist. Für mich nähert er sich gut an: Ein sich vergrößerndes, sich vermehrendes Denken.
Es stimmt, dass Menschen mit hohem divergenten Denken, also Künstlerische, oft Not haben mit Routine oder Schwierigkeiten mit Menschen, die unflexibel, ungerecht, altmodisch und pedantisch sind, klein halten, ausbremsen. Sie kreieren, konstruieren gerne, haben Mut, Neues auszuprobieren.
All diese Fähigkeiten braucht man auch in der Musik, in Wissenschaften, in der Schriftstellerei. Hohe Werte haben sie meist auch in symbolischen und semantischen Fähigkeiten, in abstrakter Symbolik. Ich bin immer noch fasziniert, dass Kreativität und Problemlösung eins sind, eng zusammengehören.
Doch viele konventionelle Leiter haben keinen Mut, Neues zu schaffen, zu kombinieren, nicht die Kreativität, das Umsetzen und Erkennen von neuen Wegen. Künstler gehören daher trotz ihrer Mängel dringend auch in Leiterschaft.
Sie sind an ganz neuen Problemlösungen dran. Konvergentes und divergentes Denken sind eine Einheit und gehören zusammen. Dadurch passen auch Kunst und Wissenschaft gut zusammen und sind nicht konträr. Sie sind Gegenstücke, aber im guten Sinn. Wie bringt man Künstlersein und Leitersein unter einen Hut? Wie Wissenschaft, Musik und Kunst?
Dazu kommt für mich noch Frausein in einer Leiter-Herrscher-Männerwelt. Es wundert mich, dass viele Gebiete oft Männerdomänen sind. Ich glaube, dass viele Frauen kreativ begabt und divergent denkend sind und sich einfach nicht trauen, sich dementsprechend einzusetzen.
Intelligenztests und Intelligenzforschung mögen umstritten sein, aber der SOI-Test hat meine Seele berührt, und Intelligenz hat viel mit Seele zu tun.