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6. Dezember 2019

Musikalischer Impuls 3: (Gesegneten Nikolaus!)

Widerspruch, Gegensätzlichkeit und Einheit

Leonard Bernstein (New York Young People’s Concerts 1965) ist nicht der Meinung, dass Musik eine konkrete Bedeutung hat. Er behauptet sogar, dass eine Note noch keine Musik sei. Dieser Meinung bin ich nicht. Stille ist schon Musik.

Musik lässt intensive innere Bilder entstehen, oft sogar Lyrik in mir. Besonders bei Bach, Brahms, Beethoven.

In Bachs Musik finden wir je mehr als ein inneres Bild, sogar mehr als ein spezifisches inneres Bild: Es ist die intensive Botschaft des Evangeliums, manchmal alles in einem Takt. Bachs Musik drückt in meinen Augen das Evangelium aus: Immer wieder neu vertont er Erlösung und Trost in seiner Musik. Dadurch lebt er, was er ist.

Bachs Musik ist ein sozialer Spiegel, ein Skript, ein Stamm, Wurzel, Vermächtnis und Liebesbrief.

Aus was besteht Musik? Aus Tonleitern, aus Melodien, Harmonien und Akkorden… Laut Bossert und Eggebrecht ist in unserem Abendland der Akkord Schwerpunkt, während in anderen Ländern der Akkord nicht zentriert im Mittelpunkt steht, sondern beispielsweise schwebende Pentatonik…

Leonard Bernstein spricht von horizontalen und vertikalen Intervallen, Bossert von vertikalen (Akkorde) und horizontalen (Linien, Melodien) Gegensätzen, die die Musik an sich von alleine aufweist. Ich lese das Horizontale und Vertikale auch im Weiblichen und Männlichen, in Braut und Bräutigam und in der oft sehr unterschiedlichen Kommunikation unter der Zweiheit der Geschlechter, die eine Einheit sein soll, sein kann (zum Beispiel durch Geburt): Unterschiedlichkeit als Trennfaktor oder als Verbindung, Trost und Einheit. Das ist die Frage.

Ich sehe: Bach nimmt diese Gegensätzlichkeit in der Musik, um die Gegensätzlichkeit in Leben und Glauben auszudrücken. Aber nicht nur die Gegensätzlichkeit, sondern auch die Einheit, in die die Gegensätze, Widersprüche und Widersprüche letztendlich fallen. Überall im Leben finden wir diese Widersprüche, die sich auflösen in Trost und Einheit: Beispielsweise in dem Weihnachtslied Maria durch ein Dornwald ging: “Da haben die Rosen Dornen getragen”. Ist Gott nicht der größte Philosoph? Der größte Künstler und der größte Mathematiker. An Gott vorbei zu philosophieren ist geradezu lächerlich. Hier eine Zusammenfassung und meine Schlussfolgerung: Was vertont Bach? Was ist das Evangelium? Und wie vertont Bach?

Bach vertont,  dass Jesus als Mensch und Gott unerschaffen und wesenseins mit dem Vater und gleichzeitig wesens-eigen, also eine eigene Person ist. Die Worte wesens-eins und wesens-eigen (Bossert) finde ich besonders eindrücklich. Für mich ist der Heiland am Kreuz ein Widerspruch, der aber der Weg schlechthin wird. Unsere Erlösung, der Plan Gottes für unsere Rettung ebenfalls schon maximaler Gegensatz zu unserer Natur. Dass Gott unsere Sünde auf sich nahm: Für viele Menschen ein völliges Paradoxum. Und wie vertont Bach, dass der Heiland unsere Schuld auf sich nahm? Ist es nicht bereits perfekt, dass Musik an sich schon Gegensätze verbindet?

Wie drückt Bach das Symbol der Gebrochenheit aus?

Den gebrochenen Körper Jesu am Kreuz drückt Bach laut Bossert unter anderem durch gebrochene Akkorde, durch den Styl Brisé, maximalen Querstand, durch Pausen, die Töne zerschneiden (Tmesis: Zerschneidung in zwei Gebilde) und durch das Kreuzmotiv aus, wenn sich Linien zerschneiden. Ich glaube, Musik an sich wie unsere Schöpfung drückt die Gebrochenheit unserer Welt aus, das Elend und den Schmerz seit dem Sündenfall. Allein gebrochene Tasten an Orgeln drücken Gebrochenheit aus. Leonard Bernstein beschreibt Kirchentonarten als Kick, verbindet Sibelius, Bach und Beatles und ebenso Gegensätze.

Doch Bach ist für mich der musikalische Verbinder, Brücke, Medizin und Salbe, vom Geist überflutet, der der Tröster ist, der nicht nur lehrt, sondern lebt, was er ist und sagt.

Bachs Musik ist nicht nur Heftpflaster und Aspirin, sondern Raum zwischen Reiz und Reaktion.

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