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4. Dezember 2019

Musikalischer Impuls 1:

Orgel, Flügel und Orchester

Es kann sicherlich sein, dass die Orgel lange vor dem Orchester tonangebend war; dann wiederum übernahm das Orchester die Führung: Beethoven an der Wendemarke mit Oktaven und Bläserpartien; dann kam wieder die Orgel; und nun? Für mich ist besonders entscheidend, was die fundamentalen Unterschiede von Flügel und Orgel sind.

Hier 21 Punkte für Pianist*innen, die zudem Organist*innen sind (besonders für die Newbies):

Der entscheidende Unterschied liegt im Großen und Ganzen zwischen dem eindrucksvollen Klang-Legato (Singen) am Klavier und der ganz anderen Herangehensweise durch Artikulation an der Orgel. Es gibt das pianistische Legato an der Orgel nicht! Versuche es erst gar nicht. Vergebliche Liebesmüh! Auch nicht das klangliche Herausarbeiten der Spitzentöne bei Akkorden! 

Das typisch Pianistische ist oft fatal an der Orgel. Es muss hier ein automatisches klares Verstehen (warum was und was nicht) und dadurch jeweils ein Umswitchen geschehen. Am Flügel zählt das Hineingehen in die Taste, bei der Orgel das Herausgehen aus der Taste. Dies ist nachhaltig umzusetzen!

Orgel ist an sich strukturierter, nüchterner anzugehen, während mir das Klavierspielen durchaus auch intuitiv und sinnlich vorkommt. Der Flügel ist an sich schon sinnlich; dazu steht er einladend in einem warmen Raum oder beheizten Saal. Der Flügel ist nie eine Maschine. Er atmet schon lange, bevor ich komme. Die Orgel schlägt erst die Augen auf, wenn sie eingeschaltet wird. Sie ist erst kalt,  und um sie herum ist es ebenfalls kalt. Das Warme und Berührende entsteht erst (später). 

Mir liegt beides. Das Strukturierte und Intuitive. 

An der Orgel 21 Tipps:

  1. Triller mit 1-3 typisch pianistisch; sind an der Orgel, vor allem bei Stücken vor der Romantik, nicht ratsam. Es ist besser, mit 3-2 zu trillern. Zudem: nicht mit 4-5 trillern, besser mit 4-3. Sogar “blinde Triller” beherrschen
  2. Triller ingesamt nicht im Stile Beethovens – also nicht zu gut trillern, nicht zu schnell und virtuos, sondern eher langsam, eher portato, kein (über)legato, sondern gezählt, metrisch 
  3. Triller meist non legato an der Orgel, vor allem bei Mozart 
  4. Triller am Klavier sind oft am Tastenboden, hier kann man dadurch immer noch unten weich, virtuos und klar trillern; jedoch an der Orgel ist oft der Druckpunkt viel höher; es gibt in diesem Sinne keinen Tastenboden; es muss also viel höher getrillert werden; und je langsamer (gefühlt Zeitlupe), desto klarer 
  5. kein Überlegato generell
  6. Vorsicht! Klang nicht instinktiv durch überlegato oder intensives legato erreichen wollen! Fatal an der Orgel
  7. kein Ellenbogen-Einsatz! Ellenbogen ruhig! Am Flügel die Ellenbogen “ausfahren”, jedoch nicht an der Orgel
  8. Hände dicht an den Tasten 
  9. Finger vorne an den Tasten 
  10. keine fliegenden, hohen Finger – du stößt nur ans andere Manual! 
  11. bei decrescendo und Seufzern Handgelenk hoch
  12. bei ausdrucksstarken Linien und Melodien nicht drücken (siehe Klavier-Legato), sondern leicht spielen – kein Gewicht
  13. wirklich richtig absetzen vor den Taktstrichen (nicht nur andeuten), auch wenn das am Klavier in diesem intensiven Maße nicht vorkommt – auch dann, wenn es nicht in den Noten steht (zum Beispiel Bindebögen)
  14. Ruhige Bewegungen; Kopf ruhig. Mach die Orgel durch intensive Körperbewegungen nicht kirre
  15. Setze deine Energie sparsam ein! Nicht die Energie in den Wind schießen und Kraft verpulvern, die du für die Konzentration brauchst. Stell dir vor, du spielst nüchtern und konzentriert auf Sparflamme. Verwende deine Konzentration für andere Dinge: Polyphonie, weiche Töne, Überlegung, welche Töne kommen später, welche früh, zarter Anschlag, Achtel erzählend, Sechzehntel ruhig, Koordination…
  16. verwende im Pedal viel Spitze, da die Ferse zum Überlegato verleitet; Knie manchmal über dem Fuß; viel Innenseite; sehr gut sind die Pedalschulen Germani und Dupre zum Legatospiel im Pedal: Die Feder überwinden, das Pianogefühl im Fuß bekommen
  17. Anschlag weich, aber mit Biss 
  18. Prüfe, ob die Tasten sperrig und damit von unten zu nehmen sind oder nicht
  19. Schleiflade: griff, mit Druckpunkt; Kegellade durchlässig wie Klavier ohne Druckpunkt  
  20. Bögen sind bei der Orgel keineswegs das Gleiche wie am Klavier, auch bei Mozart nicht. Es wird an der Orgel immer artikuliert. Mal ganz sanft, mal ganz deutlich. Andeuten reicht nicht. Wichtig jedoch immer: Unter den Bögen liegt ein decrescendo
  21. Pedal: Mit dem großen Zeh und der inneren Seite spielen; auch bei kleinen Füßen relevant. So üben, dass auch auf historischen Orgeln Stücke gut gespielt werden können; das heißt, viel Spitze. Vor allem in der Mitte der Pedaliatur sind Fersen nicht gut angebracht
  22. Es gib viele unterschiedliche Pedal-Technik, wie mit Fersen, Seiten, Spitze umgegangen werden soll. Die einen sind viel mit Spitze und Portato unterwegs aufgrund wunderschöner historischer Orgeln in Holland und Deutschland (alles vor Bach, Bach, Klassik, Frühromantik, Moderne), die anderen sehr mehr Legato und Ferse aufgrund französischer Schule und Romantik 

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