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13. März 2022

Resonanz ist die Möglichkeit, den Zusammenhang der Welt herzustellen und zu wahren. (Cramer)

Friedrich Cramer schreibt, dass Resonanz die Grundlage für das menschliche Zusammenleben sei, es im Innersten zusammenhält, in niedrigen und hohen Bedürfnissen, in Spiel, Liebe und Arbeit. Resonanz verbinde als chemische Verbindung die Moleküle der Materie, koordiniere Zellen, Organismus, Stoffwechsel. Er habe kein Problem damit, als exakter Naturwissenschaftler sich auch Metaphern zu bedienen. Sehr gut. Resonanz ist für mich ein Codewort für Gott.

Foto: Weimbs Orgel Ansbach 

Heute waren zwei liebe Sängerinnen da bei mir daheim, wir haben geprobt. Ich liebe diese Musik von Johann  Hermann Schein (den man viel zu wenig kennt, was eine Schande ist) und Heinrich Schütz, für Klavier (Orgel) und zwei Sopranistinnen – diese alte Musik nach Luther ist rhythmisch so klug gemacht, so einzigartig darin, wie biblischer Text vertont wird, harmonisch spannend, mit immer wieder neuen Höhepunkten und Wendungen, nie langweilig, tolle Tempi, tolle Schlüsse, exotische Hemiolen. Und ich darf immer ein Intro improvisieren. “Alte” Musik absolut lebendig, so viel süffiger und reicher als moderne christliche Lieder, die doch immer wieder gleich sind auf 4 Akkorden. Viele Worship-Songs werden sexy daher gesäuselt, dass man denkt, es ist irgendwie ein Sexlied, wo es darum geht, einen Partner zu umgarnen, es werden die gleichen stimmlichen Affekte wie in der säkularen Musik verwendet, in denen es um Sex und Küssen geht: Seufzen, Kieksen, Kratzen, Stöhnen, Säuseln…, dass ich mich nicht wundern würde, wenn es textlich darum gehen würde, Gott zu einem One-Night-Stand einzuladen. Aber Schein und Schütz, da bekommt man Gänsehaut, das ist heilige, kluge Musik um 1580-1670. Und endlich, endlich auch eine Komponistin, und zwar die geniale französische Cecile Chaminade (1857 in Paris), rund 400 Jahre später als Schütz, eine ganz andere Musik, absolut wunderschön, eine Messe auf lateinisch. Sie hat ganz andere Teile der Messe vertont als üblich. Es gefällt mir sehr. 

Ich mag es, immer wieder neues Repertoire zu spielen, vom Blatt zu lesen, zu reisen, zu schreiben, zu lernen, zu komponieren… bin ich so gierig wie Reger, der davon auch nicht genug bekommen konnte? 

Anbei der kleine Bruhns e-Moll Praeludium:

Ich mag es nicht, wenn die Echo-Stellen bei Bruhns abgebrochen und abgeschnitten werden, das empfinde ich als faul, unrhythmisch und unmusikalisch. Das liegt an meinem pianistischen Hintergrund – da würde man nicht im Traum dran denken dürfen, hier jedes Mal zu warten, als würde da eine Pause stehen… was es nicht tut. Gemütlich wandert der Organist von einem Manual zum nächsten und stoppt jedesmal und macht jedes Mal eine Pause –  was ganz gegen den Notentext geht und den Flow zerstört. Ist das wirklich “organistischer” Duktus? Wenn ja, ist das ein dummes Zeug, dieser organistische Duktus, denn es ist einfach nur Bequemlichkeit und Unfähigkeit. Weil es virtuoser und schwieriger ist, dies im Flow zu spielen. Auch die Fuge wird oft so langsam gespielt, dass es einfach nur traurig ist. Eine Orgel kann auch in starker Akustik virtuos gespielt werden. Es liegt daran, glaube ich, dass viele Profi-Organisten keine virtuose Kindheit gehabt haben. Liest man beispielsweise zufällig das Interview mit Carsten Wiebusch (Schmitz, ihn bitte anschreiben), erkennt man, dass dieser mit 14 erst an die Orgel kam, vorher gab es bisschen Chor, bisschen Akkordeon … mit 14 sind Pianistinnen wie ich schon Preisträgerinnen in internationalen Wettbewerben gewesen, da haben wir jahrelang geübt, mit fünf in Wettbewerben gespielt, mit 3 angefangen, zig Konzerte… welcher Profi-Organist hat dies erlebt, diese Virtuosität in der Kindheit? Mit 14 kommen die vom Akkordeon, bisschen Klavier oder Chor an die Orgel. Kein Vergleich mit meiner Kindheit. Die meisten Organisten scheinen eine ganz normale, unspektakuläre, gemütliche Kindheit völlig ohne Solisten-Karriere gehabt zu haben. Daher sind viele Organisten sagenhaft behäbig, langsam, schwerfällig, konservativ, das ganze Gegenteil vom Solistentum. Vom Laientum spreche ich erst gar nicht. Es gibt in der professionellen “Kirchenmusik” ganz wenig virtuose instrumentale Solisten und Solistinnen (außer im Gesang, aber das ist auch rein nicht kirchenmusikalisch). Da kommt man als Rennwagen an einen behäbigen Dozenten, dessen Hobby es ist, die Balken seines Hauses anzustarren. Das kann nicht gut gehen.

Neu: Bruhns

 

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