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9. März 2021

Für heute nacht nehme ich die Schöpfung zurück. (Günter Kunert)

Danke für die Blumen und Grüße zum Frauentag, ich fühle mich ja fast, als hätte ich Geburtstag. ❤️
Danke für das Lob, dass ich mutig und kompromisslos bin.

Ich werte die Interviews aus für meine Promotion. Es ist erstaunlich, zu sehen, wie Jugendliche auf Bachs Musik reagieren, in ihrem ersten Kontakt. 

Ich liebe es, die alte Sehnsucht in mir in neuen Dingen zu entdecken. In Klang, Wundern. Dem wilden Verhängnis Musik ausgeliefert zu sein.

Verbindung und Wechselwirkung zwischen Pianistin und Organistin  

In einer schwedisch-deutschen Pianistenfamilie bin ich aufgewachsen und habe Konzertfach Klavier (Konzertexamen) und Orgel (gerade zweiten Teil abgeschlossen) studiert – zwei sehr unterschiedliche Instrumente, die jedoch eine Einheit bilden, sich ergänzen und bereichern. Die Orgel mit ihrer Kraft und Größe fängt meine Energie anders auf als der Flügel, den ich zuerst liebe, da er meine Kindheitsliebe ist, der eher brillant, kompakt, spitz zulaufend ist, ein Muskelpaket von Klang. Die Orgel dagegen wartet und ist beinahe feminin. So groß sie (von unten gesehen) oben auf der Empore wirkt, so zerbrechlich ist sie, wenn man oben bei ihr angekommen ist. Sie singt und bläst einem warm entgegen. Ihren Klang suche und finde ich ganz anders, denn ihre Farben muss ich durch Wissen erfahren und erlernt haben, um die Register „zu beherrschen“ und zu kennen: Orgelspiel ist Wissen. Die Orgel ist meine zweite große Liebe, die größere vielleicht. Für mich als Pianistin war es spannendes Neuland, zu erfahren, wie eine Orgel aufgebaut ist, Prinzipale, Flöten, Zungen, das Mischen und das Zusammenspiel – hier geht es um musikalische Erfahrung. Am Flügel, da ich diesen schon seit meinem dritten Lebensjahr kenne und spiele, hatte ich stets das Gefühl, ich kann den Klang instinktiv und aktiv führen und bestimmen, das Klavier biegt sich mir hier entgegen. Jedoch an der Orgel ist es klares (beinahe sachliches) Wissen, Kalkül im besten Sinne. 

Auch die Technik in meinen pianistisch trainierten Händen braucht an der Orgel einen anderen Twist, teilweise eine gegensätzliche Herangehensweise: Am Klavier zählt vor allem, wie ich in die Taste hineingehe. An der Orgel ist wichtig, wie ich aus der Taste herausgehe. Das weiche Absprechen ist grundlegend wichtig an der Orgel für Dynamik und Artikulation. Je größer die Orgel, desto zärtlicher muss man sein. 

Das sehen viele Organisten (die meisten sind Männer) anders, da geht es viel um Macht und Lautstärke. Jedoch an einer Orgel musikalisch und virtuos und auch leise spielen zu können, das ist die Kunst. 

Mir macht es Freude, Chopin und andere virtuose Stücke auf die Orgel zu übertragen. Ich orientiere mich nicht an eine bestimmte festgelegte Strömung wie die, die nur eine Art Spiel oder eine Art Orgel akzeptieren und nichts anderes gelten lassen („nur Franzosen“; „nein, nur Bach“; „nein, nur Reger, sonst ist man kein richtiger Organist“ usw.). Da ich als Neueinsteigerin erst seit ca. 2018 in der “Szene” bin, bin ich dankbar dafür, dass ich nicht gebunden, festgelegt, manipuliert oder beeinflusst war oder werden konnte. Dadurch sehe ich die Orgel mit freien Augen, und ich sah sie automatisch als Konzertinstrument. Warum? Weil ich es vom Flügel nicht anders kenne. Es war für mich überraschend, dass die Orgel für viele (für mich nun neue) Kollegen nicht als Konzertinstrument gesehen wird oder gilt. „Spiele nicht zu schnell, sondern langsam, spiele nicht virtuos!“

Ich studierte Konzertfach Orgel zunächst in Franfurt am Main, dann in Heidelberg, Würzburg und Hamburg, und ich bin Christin, gläubig, noch überraschter, dass in der Kirchenmusik viele Kommilitonen an Gott nicht glaubten. In der pianistischen Welt spielt der Glaube kaum eine Rolle. Ich hoffte, dass es in der Kirchenmusik anders wäre; ist es oft leider nicht. Jedoch meine Liebe für die Musik, die Orgel und Gott überwand diese Hindernisse. Warum? Man kann auch mit schnellen Fingern, auch als Frau und Künstlerin mit einem konzertanten Willen die Orgel als heiliges Instrument begreifen und sprechen lassen. Gerade die Orgel kann in einem Konzert Gottesdienst sein. 

Dass ich meine Technik am Klavier an der Orgel einsetzen kann, freut mich sehr. Das Pedal musste ich neu lernen; hier einen guten, klugen Lehrer zu finden, war zunächst nicht leicht. Und das Zusammenspiel, die Koordination – den Raum der Kirche als Resonanzkörper der Orgel empfinden, die Wichtigkeit der Artikulation begreifen – dies lernte ich in sehr kurzer Zeit deswegen, weil ich seit 2017 über 240 Orgeln unter den Fingern und Fittichen hatte und wunderbare Orgelmeisterkurse besuchte und viele Konzerte spielte von Anfang an – auch Videos aufnahm, wofür ich dankbar bin. Ich liebe es, zu reisen, so konnte ich an allen Orten die Orgeln kennenlernen. Jede Orgel ist eine Lehrmeisterin. Sie hat mir geholfen, Raum, Register, Aufbau, Klang und Artikulation schnell umsetzen zu können, direkt vor Ort, auch an fremden Instrumenten. Meine virtuose Art vom Klavier war manchmal eine Hilfe, jedoch manchmal auch ein Hindernis. Warum? An der Orgel geht es nicht in erster Linie um Beeindrucken, sondern um Berühren: Um Fühlen des Raumes, der Resonanz, der Pfeifen, bis unter die Decke, bis hinter zum Altar. Die Kraft der Orgel, gleichzeitig ihre Zartheit – diese Kombination inspiriert mich, denn ich bin genauso. Daher habe ich neue Werke für die Orgel komponiert, um den „neuen Sound“ einzufangen (Laurentius-Verlag Frankfurt am Main, Furore-Verlag Kassel…). Dem Verhängnis Musik ausgeliefert. Orgeln unter den Fittichen haben.

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