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16. Januar 2021

Jedesmal, wenn man Dingen auf den Grund gehen will, findet man sich einem Ungeheuer mit drei Köpfen gegenüber: Vorurteil, Aberglaube, Machtgier. (Henry Miller)

Wahrscheinlich sind es noch mehr Köpfe. Offenbar muss man ans Ende von Illusionen angelangen, um einen neuen Typus an Kunst zu bilden, um zu erkennen, wo man Utopien erlegen ist. Aber es gibt auch Alternativen zur Katastrophe: Sich das Heilige bewahren. Egal, auf welchem Niveau andere sich bewegen.

Das Abhören von Klang und den eigenen Geschmack sichern und kennen, in einem Dschungel von Geschmäckern, das ist spannend. Dabei das Profane und das “sich wie King Kong auf die Brust trommeln” zusammen mit Allmachtsphantasien, die viele Organisten haben, außen vor zu lassen und das Heilige und Spirituelle wie Feuer oder ein Regenbogen (wie Messiaen in Le Banquet) in sich aufnehmen und vermitteln, an das Publikum – das ist das, was mich interessiert. Die (geistliche) (geistige) Kunst. Das Musikalische. Diese Verbindung zum Publikum ist real.

Mein Vorbild ist dabei die Sonne. Sie ist ruhig und scheint sich dennoch zu bewegen, ein Ausbund von Energie und dennoch ein glühender Ruhepol. Sie glüht nach allen Seiten und ist doch fixiert. Ich habe die Farbe Gelb und die Sonne schon als Kind geliebt.

Es ist ein Aha-Erlebnis, Klang unten im Kirchenraum zu hören. Es kommt mir vor, als würde sich derselbe gespielte und oben gehörte Klang unten mit der Luft mischen und ein ganz neues Gebilde ergeben. Mutierter Klang. Es ist unerlässlich, unten zu hören und zu zweit zu sein. Erst auf diese Weise lernt man ORGEL kennen. Die Vielfalt. Orgel ist nicht nur: die eine, die gleiche Orgel spielen. Das ist nicht Orgel oder Organistin sein. Das ist viel zu wenig, um bei der Orgel zu landen, gar zu enden.

Sondern die vielen neuen, fremden, verschiedenen Gesichter der Orgel in ihren Facetten und Ausformen und Städten und Standpunkten und damit Orgel wirklich kennen. D.h. sich immer wieder sofort abzuwechseln im Hören und Spielen und wieder sofort hören und selber spielen und gemeinsam tausend mal rauf und runter steigen.

Überhaupt ist das Unten-Abhören elementar wichtig. Fast noch wichtiger oder genauso wichtig wie das Spielen. Meine Ohren saugten sich heute hinein in den Klang in Hamburg, in einem Flow-Erlebnis. Alles andere wurde unwichtig. Über mir wölbte sich die wunderschöne St. Johannis.

Heute hatte ich auch wieder Dirigieren. Es war phänomenal. Dirigieren ist so vielschichtig, es geht auch um beidseitges Lernen, Psychologie, allgemeine Erkenntnisse über Musik und Kunst, Lebenserfahrung, Körpergefühl, Menschenkenntnis. Und naja, die Theorie und die ganz normalen Werkstattbausteine, die Technik, das Pragmatische. Bevor es ans Spirituelle und Kreative geht. Hier möchte ich auch eine Sonne sein. Wichtig dabei ist, dass man oben weich, flexibel, rund, nicht eckig –  und unten standhaft ist, nicht umgekehrt, nicht unten zu tänzerisch, was automatisch Festigkeit oben zur Folge hat. Frank ist ein unglaublich guter Lehrer und wie ein Freund.

Wahre Anekdoten mit Orgelprofessoren, Teil 4:

– Ist es bei dir auch so, dass du am Montag, am Dienstag, am Mittwoch, am Donnerstag jedesmal eine andere Registrierung möchtest, und was dir gestern gefallen hat, dir heute nicht mehr gefällt?

– Nein. Ich glaube, das ist ein typisch weibliches Problem.

Fahre nun heim von Hamburg. Ich liebe diese Hochschule!

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