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24. Oktober 2020

Es kommt mir vor, als wäre Instrumente stimmen wie angeln gehen. (AHS)

Das Konzert war sehr schön. Fusion Bochumer Orgeltage mit Blankensteiner Abendmusiken. Westdeutsche Allgemeine und Stadtspiegel Hattingen waren da und haben schöne Fotos gemacht: “Kult. Hier steht sogar eine Krippe im Orgelgang. Fehlt nur noch, dass ein Kaninchen drin liegt.” Ich musste lachen.

Die Musikerin Sigrun Stephan hat sehr sensibel geblättert. Das Konzert wurde auch aufgenommen. Der Titel war nach meinem Stück benannt. Pandemic Dance. Das Publikum war begeistert. Ich bin mit Kleid und “hochhackigen” Orgelschuhen flink nach und vor der Zugabe die gefährlichen Treppen hoch und runtergelaufen. Ich bin von Klavierabenden gewöhnt und liebe es auch, engen Kontakt zum Publikum zu haben und Zugaben zu spielen. Da die Orgel vorne war, konnten mich die Menschen auch sehen. Da den ganzen Tag die Heizung geböllert hat, war es warm. Trotz der streng bewachten “Hygienevorschriften” konnte man all die Menschen noch irgendwie unterbringen. Es war nicht leicht, in der trockenen Akustik eine schwergängige, kleine Orgel zu spielen, es war wie Cembalo spielen. Aber in meinem Stück habe ich die Orgel ins Wanken gebracht. Die Hattinger News schreibt: Das Highlight am Abend.

Das Holz in der schönen Kirche ist beweglich. Ich habe alle Geräusche von unten gehört. Einmal klingelte ein Handy, dann sind dem Fotografen Objektive heruntergedonnert und jemand packte Bonbons aus. Dennoch ging ich gerade in Bachs Musik wieder sehr auf. Hinterher waren wir in der Wasserburg Kemnade Wild essen. Es ist eine sehr künstlerische Burg, die ebenfalls Konzerte veranstalten, viele Instrumente ausstellen und eine “Musikscheune” haben.

Während andere Organisten verzweifelt suchen, habe ich den Anschaltknopf von Orgeln nun in zwei Sekunden gefunden.

Nun ruhe ich mich wieder im Bermuda3Eck aus. 🙂

Während ich für die Konzerte übe, prüfe ich Noten und Videos. Mein erstes Orchesterwerk kommt bald heraus. Es heißt Seehöhle, im Musikverlag Intermezzo Berlin. 

Ich nehme die gleichen Bach-Orgelwerke gern in verschiedenen Youtube-Video-Fassungen auf. Manche können das kaum fassen. Sie haben eine feste Meinung, aber dahinter steht meist eine gewisse Schule oder Tradition wie ein Dämon. Diese Dämonen will ich köpfen. Denn sie sind oft unmusikalisch, traumatisieren in musikalischer Hinsicht und machen unfrei. Sie sind wie ein Wahn. Ich bin da ganz fresh und untraumatisiert. Wie ich es wagen kann, zu komponieren, noch dazu so unmännlich?

Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich Organistin geworden bin. Zumal so, dass es für mich als reine Pianistin jetzt in diese Zeit viel schwerer gewesen wäre zu konzertieren. Gott hat gewusst, dass er mich rechtzeitig drehen muss. Alles ein Wunder. Auch dass ich kurz vor dem Virus eine Hauptwerkorgel bekam.

Wenn ich steile Treppen hoch und vor allem absteigen muss, wirkt sich bei mir die kleine Höhenangst so aus, dass ich ein Ziehen in der Kniekehle spüre, das vom Bauch her kommt und meine Knie weich macht. Aber im Kopf bleibe ich kühl, solange es keine Leitern sind.

Ich freue mich auf die Breil-Orgel in Herten bei den Westerholter-Orgeltagen. Nun bin ich erst einmal in Bochum an den wunderschönen Orgeln hier vor Ort.

Wichtig finde ich, Mendelssohn an der Orgel schön zu spielen: Brillant, n.l., artikuliert, dunkel, leicht (Orgelschule Knecht, A.W. Bach Berlin). Die Manuale können durchaus gekoppelt werden. Die Artikulation und auch die Orgelschreibweise Mendelssohns sind völlig anders als die Liszts oder Schumanns. Mendelssohn an der Orgel ist eine Welt für sich. Dadurch, dass es “romantische Musik” ist und doch so sehr an Bach angelehnt, ist man erst überrascht, dass Mittelstimmen einfach verschwinden, ins Off führen – doch durch die ständig “spontane” Zunahme und das Wegnehmen von Stimmen (und Händen) erreicht er eine sehr fließende Dynamik. B-Dur ist etwas unangenehm an der Orgel, aber ich liebe die vierte Sonate. Mir gefallen die Pianisten an der Orgel sehr: Liszt, Schumann, Brahms. Wunderschön. Man muss eben wissen, wie diese dort gespielt werden. Und die technischen Vorraussetzungen erfüllen. Es geht eben nicht darum, nur Töne zu spielen, oder gar, “viele” Töne zu spielen.

Orgelspielen ist Wissen. Ich bin sowohl für Liszt als auch für Reger als auch für Vierne; ich verstehe nicht, dass hier in der Orgelwelt so viel (ab)gewertet und geboxt wird. So etwas kenne ich aus der Klavierwelt nicht. Da ist es völlig normal, alles zu lieben und alles zu spielen. Punkt. Da wird nicht gewertet. Es muss daran liegen, dass Pianisten alles spielen können und wollen, während Kirchenmusiker oft das abwerten, was sie selbst nicht spielen können (wollen). “Nein, ich esse kein Brokkoli! Brokkoli ist doof.”

Dabei bezeichnen sie sich als “echte” Kirchenmusiker. Woran erkennt man “echte” Kirchenmusiker? Daran, dass sie oft neidisch, hintenrum, unkünstlerisch, frauenfeindlich, faul, technisch unversiert, unfähig zur Kommunikation, feige, negativ-konservativ und Strippenzieher sind. Hier in meinem Blog anonyme Hate-Kommentare dalassen. Es gibt 2020 A-Dom-Kantoren, die auf der Orgelbank sich einen herunterholen und dabei gefilmt werden. “Echte” Kirchenmusiker eben. Ich bin dankbar, eine “unechte” Kirchenmusikerin zu sein. Wie schrieb jemand über mich: Bezaubernde Energie im Kirchenraum. Man fragt mich, wie ich es in diesem “Verein” aushalte? Ich bin meiner Berufung und Gott treu. Außerdem gibt es phantastische Kirchenmusiker, die wahrscheinlich genauso unecht sind wie ich.

Es ist seltsam, wie sich diese Männer selbst schmeicheln. “Der erste”, “der profilierteste” – ein gesellschaftlicher Machismo, ein Snobismus, der Zwang, eine Überlegenheit haben zu müssen, wahrscheinlich als Kompensation. Ein Mann sagte mir vorgestern, dass solche manche Männer meinen, “sich auf diese Weise immerhin über 50 Prozent der Bevölkerung, also über Frauen, erheben können zu wollen.” Dies hat mit der Sexualisierung der Frau zu tun.

Ich finde die Musik von Lortzing interessant.

Selten auf YouTube: Ann-Helena featuring Steigleder und Ricercar in A:

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