Edelsteine schaffen, Strahlen für die Ewigkeit.
Liszts Ad nos wird sehr unterschiedlich interpretiert, je nachdem, ob das Werk als Orchesterwerk interpretiert wird (besonders in Bezug aus Manualwechsel, Registrierung und Artikulation) oder „nur“ als Orgelwerk, und je nachdem, nach welcher Ausgabe und Fassung gespielt wird (beispielsweise nach Straube, der originalen UE, der Fassung für zwei Klaviere oder der ungarischen Fassung). Und je nachdem, ob man die Ausführungen Liszts (der kein Organist war und der auch bei seinen Orchestrierungen Hilfe hatte) sehr wortwörtlich nimmt oder aber als Anleitung. Die 45 Minuten der Uraufführung in Merseburg, an deren Orgel ich ebenfalls spielte, lässt sich durch deren Ladegast-Orgel gut erklären.
Ich habe gelernt, dass eine Orgel auch abgenutzt oder überfordert sein kann und weint. Ich liebe den Übergang bei Ad nos zur Fuge. Es sind zwei schnelle, laute Seiten. Gern übe ich dies mehrmals hintereinander. Aber manche Orgeln machen das nicht mit, wenn sie schon länger nicht mehr gewartet und reguliert worden sind. Sie beginnen an unterschiedlichen Stellen zu heulen, mal im Schwellwerk, mal im Hauptwerk, mal in den Pedalkoppeln oder im Pedal. Es ist jedoch interessant, die Schwächen der Orgel zu erkennen und auch zu erkennen, was wo wie und warum heult. Ich bin dankbar, dass es so tolle Orgelbauer gibt, die sofort helfen. Durch solche Begebenheiten wächst mir eine Orgel noch mehr ans Herz. Wenn man sie auseinander baut und innen betrachtet, Lösungen findet, dann wird die Beziehung intensiver. Man muss nicht immer stark und perfekt sein. Auch eine Orgel muss das nicht sein.
Es ist auch wichtig, sich nicht zu erschrecken und gut zu verdauen, dass es so unterschiedliche Sichtweisen über Orgeln und Orgeltechnik gibt. Die einen lehnen neobarocke Instrumente eher ab. Sie sind von Haus aus der Romantik, insbesondere der französischen Romantik verschrieben. Sie wollen Stufendynamik und mögen Terrassendynamik nicht, eigentlich generell keine barocken Klänge wie Krummhorn etc. und keine “alten” Registrierungen.
Ich verstehe, dass man keinen “Mischmasch” registrieren soll aus verschiedenen Epochen. Doch manchmal muss man kreativ sein. Und außerdem finde ich jede Orgel spannend, auch neobarocke. Davon gibt es tolle und weniger tolle natürlich. Die einen mögen bei Liszt keine Aliquoten, die anderen finden gerade diese toll. Die einen mögen es glitzernd, den nächsten kann es nicht baßlastig genug sein. Die einen mögen viele Zungen, die anderen sind verhalten. Die einen mögen Mixtur im Pedal, andere gar nicht. Was für den einen zu barock ist, ist für den anderen wieder modern.
Bei jeder neuen Sichtweise lerne ich dazu. Man hört ganz anders. Man hört mit seinem Körper. Dazu kommt der Nachhall unten im Raum. Manchmal könnte ich geradezu streiten mit andern, welche Idee und Registrierung besser sei. Was definitiv auch ganz anders ist zum Klavier abgesehen von den Tempi und dass Läufe sehr locker gespielt werden müssen: Repetitionen müssen ganz intensiv abgesetzt werden. Und lange Töne müssen mit dem Schweller lebendig gehalten oder abgekürzt werden. Ich bin sehr dankbar, wenn tolle Leute mir an den Orgeln direkt zeigen, welche Klänge wann wie gut sind. Jedes Mal ein Aha-Erlebnis.
Wie hat es Bach nur geschafft, alles so fein säuberlich zu notieren?
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