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6. Januar 2020

… und suchen viele Künste und kommen weiter von dem Ziel. (Matthias Claudius)

Schon 1790 erkannt. Und wir? Kennen wir das Ziel?

Künstler im Lockdown. Can you hear your heART?

Heute war ich in Tholey. Die Abteikirche ist mit das Schönste, was ich je gesehen habe. Was für eine Kirche, was für eine Orgel! Ich bin noch ganz hin und weg. Frater hat uns alles gezeigt. Die neue Hugo-Mayer-Orgel im wunderwunderschönen, historischen Prospekt mit dunkler Eiche, Gold, Schwung und einem Rückpositiv, zu dem an den Seiten die Pedaltürme stehen – also am Rückpositiv, nicht hinten im Hauptprospekt. Das ist etwas Besonderes und lässt die Orgel wie eine Harfe aussehen. Oben thront König David, der tatsächlich eine Harfe in der Hand hält. Die Orgel spielt sich butterweich, köstlich. Drei Manuale, französisch im Stil. Schönes Rückpositiv, tolle Zungen, die meisten im top gestimmten Zustand, sogar ein nicht-französisches Krummhorn. Auch das Schwellwerk hat ganz zärtliche Farben. Eine Walze gibt es nicht.

Kein einziger Klang ist irgendwie schrill, kein 2-Fuß, keine Quinte. Alles ist unglaublich abgefedert im Klang, gestützt. Nicht so herrlich sonor und dunkel wie Ladegast Schwerin, einfach anders. Überhaupt ist man oben hinter dem Rückpositiv sicher und geborgen, es gibt dennoch viel Platz, die Engel und Schleifen runden die Seiten ab. Der Spieltisch wirkt neu, gepflegt, hell. Auch der Innenraum der Orgel ist unglaublich sauber, groß, hell, einladend, weiträumig, ordentlich und gepflegt. Man sieht die Pfeifenreihen säuberlich angelegt, überall kann man stehen und gehen, auch die Leitern nach oben sehen selbst für mich richtig “machbar” aus. Also keine wackeligen, dürren Gestelle, sondern richtige Tritte. Der Holzboden um die Orgel herum ist ebenfalls im einem schönen Zustand. Alles wirkt edel, geschützt und neu.

Auch gerade von weitem sieht die Orgel überwältigend aus, wie eine vornehme, kostbare Harfe, ja, wie ein heiliges Davids-Instrument.

Die Orgel hat eine lange, besondere Geschichte. Die will ich hier jetzt nicht wiedergeben, das kann man im Google nachlesen. Aber eine besondere Sache hat die wunderschöne Kirche natürlich neben der phantastischen Orgel. Die Fenster!

Genau! Deswegen sind wir hingefahren, denn genau zu diesen Fenster soll ich ein Orgelwerk komponieren. Ich habe nicht gewusst, was mich erwartet, denn ich wollte mich überraschen lassen. Ich hatte also “no idea”.

Wir kamen an, die Kirche wirkte von außen rund und “türmig”. Die schwere, goldene Tür ist bereits kostbar geschmückt. Die Bilder der Tür zeigen rechts das neue, links das alte Testament. Obendrüber ist ein denkmalgeschütztes Kunstwerk.

Man kommt hinein. Ist sprachlos. Frater hat von innen geöffnet. Die Tür hat kein Schloss. Es wird ein schwerer Riegel zurückgezogen. Zuerst war die Kirche dämmrig. Dann hat der Frater das Licht angemacht. Doch schon im Dunkeln leuchteten die Fenster. Sie sind rechts und links und hinten (hinter der Orgel), von einer Frau gemalt, einer Glaskünstlerin, die in München wohnt. Ich war völlig fassungslos. So etwas Wunderschönes! Jedes Bild hat eine Geschichte, gibt das alte und neue Testament wieder. Jedes dieser Fenster hat viele besondere Details und ganz ausdrucksstarke Farben und vor allem Gesichter. Wenn man zur Orgel hinaufgeht, die geschmackvoll runde, künstlerische Treppe hinauf, sieht man hinter der Orgel den Fall Satans eindrücklich dargestellt. Ich finde das Bild passend in der Nähe der Orgel.

Die ganze Kirche ist Kunst. Alles. Die Treppe zur Orgel, die Farben der Stühle, die Kissen, der Altar, Beichtstuhl, Krippe, Kreuz, die Schnitzereien, die Gemälde, die Fenster, der ganze Stil, das Design der Kirche. Sie zieht nach oben. Hin zu Gott.

Die Christologie: Menschwerdung, Kreuzigung, Himmelfahrt und Pfingsten ist hinten links in einer Art Kuppelsaal dargestellt, in drei großen Fenstern der Außenfront. Sehr schön ist hier die gelungene, künstlerische Mischung aus alter und neuer Kunst. Die Säulen und das gesäuberte, helle Gestein ist alt, aber der kunstvolle Tabernakel moderne Kunst, darüber die umwerfenden Fenster. Diese Künstlerin ist faszinierend. Sie hat das Evangelium verstanden, obwohl sie wohl Muslima sein soll. Wahrscheinlich hat sie das Evangelium besser verstanden als so mancher “Christ”. Frater sagte passend, dies seien die sogenannten “anonymen” Gläubigen, die das Evangelium darstellen können, während Sonntagschristen gar nicht sagen können, was das Evangelium überhaupt ist.

Und dann sind da die drei großen Richter-Fenster vor dem Altar. Er hat sie der Kirche geschenkt, sein letztes großes Werk, sie mussten nur die Anfertigung bezahlen. Gerhard Richter ist ja kein Glaskünstler. Es sind beeindruckende Fenster, die irgendwie zeitlos wirken, wie ein Kaleidoskop. Es schimmert immer irgendwie anders, leuchtet hier, dann da. Leuchtende Patterns. Die Fenster sind ungeschützt, was ich gut finde. Es geht ja nicht darum, alles abzusichern und zu kontrollieren, sondern Gott zu vertrauen.

Die beste Aussicht auf diese Fenster hat man… wo?

Genau! Von oben, von der Orgel her. Es sieht wirklich überwältigend aus, wenn man durch die Spalten des Rückpositivs über den Altar hinweg zu diesen langen, großen Fenstern blickt.

Fortsetzung folgt morgen. Sonst wird dieser Blogeintrag ein Roman. Und ich muss noch üben.

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