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Ann-Helena-Schlueter

Singen ist wie Schwimmen im Atmen. (AHS)

13. Juli 2022: Meine Zeit in Vorpommern

Singen ist wie Schwimmen im Atmen. Nicht abtauchen. (AHS)

Foto: Nerlich Orgel Ziethen. Die Fotos der letzten Tage sind auch drin.

Vitte auf Hiddensee

Heute besuchte ich Vitte auf Hiddensee. Vitte ist die “Hauptstadt” vom Seebad Hiddensee. Ich bin mit der Kutsche dorthin gekommen. Es war “Zufall”. Ich kam aus unserem Gelände raus, und eine Kutsche fuhr just vorbei. Ich fragte den netten jungen Kutscher, wohin er fährt. “Nach Vitte”. Ich fragte, ob ich mit kann. Er sagte Ja. Ich wollte einfach weg. Er nahm mich mit. Der Hafen ist hübsch. Es tat mir sehr gut, mit der Kutsche über die Insel zu fahren. Ich saß vorne neben ihm. Die Kutsche war eine Art Planwagen wie aus “Unsere kleine Farm”.

Die beiden Mecklenburger Kaltblüter, aussehend wie große Haflinger, klapperten laut und beruhigend mit ihren beschlagenen Hufen über die Wege. Boris und Hartmut hießen die beiden. Boris, links, war der Freche. Es war noch Vormittag, die Sonne schien warm, es war leicht windig, und überall grasten glückliche Pferde. In Vitte hatte ich eine Stunde Zeit, dann wollte der Kutscher eine gebuchte Gruppe auf den Leuchtturm fahren.

Leuchtturm Dornbusch

Der Leuchtturm Dornbusch ist neben dem Seepferdchen auf der Flagge das Wahrzeichen von Hiddensee. Ich durfte wieder mit. Vorne. In der Stunde in Hiddensee besuchte ich den Strand, der ganz anders ist als der in Kloster, jedoch ebenfalls an der offenen Ostsee, jedoch ohne schwarze Steine, die das Meer zurückhalten. Nacktbader. Auch Frauen. Das Wasser ist furchtbar kalt. Ich schaffte es nur bis zu den Knien hinein. Ich habe mich nicht überwunden, zu baden, schon gar nicht nackt.

Dafür besuchte ich die Blaue Scheune, eine Kunstgalerie mit interessanten Gemälden, die man teilweise auch kaufen kann. Zeitungsladen, Zeltkino (eine Art Stadthalle), eine andere Kunst-Galerie, das Rathaus und das Henni Lehmann-Haus, eine Frau! Sie war jüdische Malerin und Autorin, politisch engagiert und sehr kontaktfreudig, und hat einige gewagte Projekte auf Hiddensee umgesetzt mit Malerei, die auf dem Festland nicht möglich waren. Jedoch wurde sie von den Nazis verfolgt und nahm sich deswegen das Leben. Wie traurig! Heute ist in dem Haus auch die Stadtbibliothek.

Daher erinnere ich heute an Henriette (Henni) Lehmann.

Grieben

Hiddensee ist nur ca. 17 km lang. Neuendorf ist das Fischerdörfchen, Grieben hat nur 35 Einwohnerinnen. Die meisten wohnen in Vitte. Insgesamt gibt es (ohne Touristen) nur ca. 1000 Inselbewohnerinnen. Dann fuhren wir also mit Boris und Hartmut im Trab zum Leuchtturm, erst nach Grieben, dann in die Dünen und an die Steilküste. Es war eine sehr schöne Tour. Alles duftete. Ich stieg auch auf den Leuchtturm hinauf, mit seinen 102 Stufen. Allerdings oben hatte ich kurz ziemlich Höhenangst, auch wegen des Windes, was die Höhe irgendwie verstärkt hat. Und zurück die erste Steiltreppe hatte ich kurz Probleme.

Ich warf meine Schuhe runter und gab jemand anderem mein Handy (ich hatte keine Tasche dabei) und stieg dann unter verschiedenster Ratschläge, wie ich es am besten zu machen habe, die erste steile Treppe zurück nach unten. Ab da ging es. Wichtig: Immer rückwärts runter. Auf keinen Fall von vorne. Der Leuchtturm-Wächter ließ mich auch kostenlos nach oben. Ich hatte nichts dabei, da alles spontan war. Ich liebe solche spontanen Aktionen, die mir Gott schenkt. Von der Tour habe ich etwas Sonnenbrand bekommen.

Inselkirche Kloster Hiddensee

Ich besuchte anschließend die kleine Inselkirche von 1330 mit ihrer hübschen kleinen Schuke-Orgel, Alexander Schuke (Potsdam), Opus 199, Anno 1942, 2 M. Sie steht unter einer gewölbten hellblauen Holzdecke voll gelber Rosen, gemalt von Nikolaus Niemeier. Abends nach dem Posaunenchor-Konzert (aus Königs-Wusterhausen) spielte ich die Orgel. Top in Schuss, sehr hübsch zu spielen. Freu mich auf meine Konzerte hier.

Und war am Nachmittag im Insel-Buchladen mit Hiddensee-Krimis.

Chorleitung

Nachmittags hatten wir dann Dirigieren und Chorleitung. Es ist immer interessant, ich erlebe viel, auch wenn die Leute anders sind als ich.

Aber ich schmelze oft wie eine Kerze, wenn etwas ist. Erschrecke mich, wenn eine tote Amsel auf dem Weg liegt. Ich denke über viele Dinge sehr viel nach. Ich finde, Charakter hat nicht unbedingt etwas mit sozialem Verhalten zu tun.

Maria von Oldenburg und Hans Graf von Lehndorff

Und ich erinnere an Maria von Oldenburg. An ihr erkennt man den sexistischen Apparat Wikipedia. Maria von Oldenburg war die Mutter von Hans von Lehndorff, der den wunderbaren Text zum Kirchenlied “Komm in unsere stolze Welt” geschrieben hat, in Greifswald vertont. Wikipedia listet unter Lehndorffs Eltern auf der mobilen Version nur den Vater. Nur der hat auch eine Wikipedia Seite. Genauso mit Lehndorffs Frau, Gräfin Margarete von Finckenstein. Als wären nur die Männer wert, gelistet zu werden. Weil diese studiert haben und Ärzte geworden sind? Dabei war es Frauen damals kaum möglich gemacht worden, zu studieren. So sind viele Männer: Sie listen ihr Geschlecht und machen die Regeln so, dass es für das andere Geschlecht schwer bis unmöglich ist, gelistet zu werden.

Aber das wirklich Berührende ist: Die Mutter Lehndorffs, Maria von Oldenburg, ist eine Heldin, ähnlich wie Bonhoeffer, größer und wird im Himmel größer sein als er. Sie wurde verhaftet, weil sie sich gegen die Nazis aufgelehnt hat, um einen Pfarrer zu beschützen, und später in Stuhm (Ostpreußen) von Russen erschossen. Wo steht ihre Geschichte? Unter Hans von Lehndorff. Nicht auf einer eigenen Seite.