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31. Juli 2020

Man ist Künstlerin und wird Künstlerin. Beides. (AHS)

Franken besitzt so eine bezaubernde süddeutsche Orgellandschaft: Es war sehr schön, in Hüttenheim (bei Kitzingen) gespielt zu haben gestern: Eine wunderschöne, einmanualige Steinmeyer-Orgel (Kegellade), von Hey-Orgelbau monatelang restauriert. (Es wurden aus Unwissenheit nasse Tücher zuvor in die Orgel gelegt und damit die Pfeifen durch die Feuchtigkeit beinahe zerstört.) Nun ist die Orgel wiederhergestellt, ein Schmuckstück und Klangstück. Genauso auch die entzückende, bläuliche Barockorgel in Markt Einersheim (bei Kitzingen) – im Originalprospekt, drei Manuale (das 1. Manual ein Koppel-Manual). Die Pfeifen sind seit dem Krieg nicht mehr original. Die Kirche hat schöne blaue und rote Farben in Balkon und Bänken, die Orgel passt genau zum Raum – ein Genuss. Ich bin sehr froh, dass die Familientradition Orgelfirma Hey aus Urspringen die vielen schönen historischen Dorforgeln in Franken restauriert, Stück für Stück. Unten gibt es auch von diesen ein sehr schönes Positiv mit einem glockigen 8-Fuß. Auch die edle neue, zweimanualige Hey-Orgel bei den Rita-Schwestern in Würzburg ist schön zu spielen, angenehm.

Eine Wucht ist die große Hey-Orgel in Mellrich-Stadt (Schleiflade): herrliche Farben für Liszt Ad nos, glitzernd, golden, silbern, in einem großen, hohen Raum mit wunderschöner Akustik. Nur muss die Kirche restauriert werden, die Wände sind schwarz. Je größer der Raum und der Hall, desto glitzernder darf die Orgel sein, finde ich. In Lohr ist die Sandtner-Orgel sehr  grundtönig und tief, was dort auch sehr gut passt, da es kaum Hall gibt. Die glitzernden Orgeln sind für mich weiblich, die tieferen, grundtönigen männlich.

Ich übe jeden Tag an einer anderen Orgel. Ich finde, dies schult enorm. Sehr schön ist es auch, an der großen Sandtner-Orgel in Lohr zu spielen. Überall trainiere ich Registrierung und Setzer für Liszt Ad nos. Es ist spannend und anstrengend. Man wird ganz empfindlich. Ich höre Türen in gis quietschen. Wenn jemand unten in der Kirche zu laut spricht oder herumläuft, kommt beinahe Groll in mir hoch. Ansonsten klatschen die zufälligen Besucher immer Beifall, wenn ich übe. Manche sind auch ein wenig frech. Wenn ich mal eine Pause mache: “Wann geht es denn weiter?” Oder: “Geht es mit der Musik gleich weiter, dann setze ich mich noch mal hin?” Ich bin ja nicht der Musik-Automat. Oder es wird ganz laut auffordernd geflüstert:” Gleich geht es weiter! Gleich kommt wieder die Orgel?” Ok, ich habe verstanden. Was ich nicht verstehe, wenn Leute in der Kirche laut herumtratschen.

Es macht Spaß, Orgeln zu vergleichen. Sie sind alle sehr unterschiedlich. Das Handwerkliche. Die Tasten. Ob eine Orgel konventionell ist oder altmodisch – das würde ich so nie sehen. Die eine liegt einem mehr als die andere. Doch ich will überall sehr gut spielen können.

In Marktheidenfeld übe ich auch sehr gern, an der Elenz-Orgel. Ich liebe dort die Rohrflöte 8 besonders und freue mich auch, wenn die Zungen gestimmt sind.

Generell: Es ist oft nicht so leicht, an verstimmten Zungen oder “quietschenden” hohen Registern vorbei zu registrieren. Wobei ich das Laute, Helle mag, glitzernde, silbrige Klangkronen.

Sehr geholfen hat mir der Besuch meiner vierten Orgelbauwerkstatt: Hey-Orgelbau diesmal. Es ist sehr hilfreich und lehrreich, zu sehen, wie die Windladensysteme hergestellt oder restauriert werden, die Spieltische… Die Schleiflade ist spannend, aber auch Kegellade und Taschenlade. Die neue Saalorgel hier ist ja auch eine Kegellade, was ungewöhnlich ist. Orgelbau ist Teamarbeit: Schreinerei, Hören, Intonieren, Bauen, handwerklich enormes Geschick, besonders bei Restaurationen, und ein genaues Verstehen der Sache – jeder ist Experte für seinen Bereich. Es geht vor allem um sehr viel Erfahrung. Leider gibt es hier immer noch wenige Frauen.

Anfangs war ich etwas skeptisch gewisser Romantik gegenüber auf der Orgel. Schumann und Franck beispielsweise – doch nun liebe ich es, liebe auch Schumanns Skizzen und romantische Choräle.

Ich mag sehr die französische Klassik bzw. Barockmusik an der Orgel in Frankreich, beispielsweise die beiden Messen von Couperin, oder Veni Creator von Grigny: Die starken, lauten, frischen Solostimmen wie Krummhorn, gemischt mit Bordon 8 (und Prestant 4, etwas leichter als Oktave 4) oder Cornet 5-fach für die Obertonreihe zu 8 (selbst zusammengestellt cornet décomposé mit flötig Bourdon 8, Prestant 4, Nasard Quinte 2 2/3, 2 und Terz 1 3/5, man verdoppelt nicht, füllt jedoch immer aus). Man kann ein fertiges Cornet auch ziehen (sehr schön als abgesetztes, abgetrenntes Cornet im Recit als fertige Solostimme, als hohe, solistische Stimme = cornet séparé), aber meist befindet sich ein fertiges Register nur im Diskantbereich und klingt nicht über die komplette Klaviatur, und klingt auch anders. Das Cornet verstärkt und verdichtet auch die Zungen (mit Grand Jeu begleiten). Ich mag, dass man mit den weichen, französischen, flötigen Prinzipalen begleiten kann, beispielsweise Montre 8 im HW. Ich mag es, dass es in Frankreich eine tiefe Terz mit 16-Fuß gibt (beispielsweise Toulouse). Und Terz im Bass oder Tenor. Ich mag die kleine, weite, flötige Quinte Larigot  1 1/3. Es gibt also viele unterschiedliche Quinten, Quarten und Terzen, Nasard Quinte, Nasard Quarte… Es gibt die “normale” Quinte 2 2/3, dann die höhere 1 1/3, dann  die tiefere 5 1/3, dann die ganze tiefe 10 2/3 (Pedal Quintbass). 1 3/5 ist immer Terz. Ich mag die französischen Dialoge mit räumlichen Klangquellen: Das nahe Positif gegenüber dem weit entfernten Recit.

Ich mag auch Solo-Stimmen aus mehreren Aliquotreihen sehr. Überhaupt mag ich Aliquoten.

Natürlich mag ich auch die deutschen Klänge, besonders die von den schönen Walcker-Orgeln mit ihren Kegelladen.

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