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11. September 2021

Der Motor meines Handelns ist Gerechtigkeit. (Alice Schwarzer)

Bin in Ansbach (wunderschön, Mittelfranken, 49.000 Einwohner). Kaum zuhause, am nächsten Tag schon wieder im ICE: Diesmal zuerst Unterricht Stiftskirche Stuttgart bei Kay, dann Konzert Ansbach. Gleich zwei tolle Orgeln hintereinander an einem Tag, und so unterschiedlich wie Tag und Nacht, Stiftskirche und Gumbertus beim Schloss, Mühleisen und Wiegleb. Ich übernachte in Ansbach und treffe morgen vielleicht Rainer Goede wegen den Rezensionen. Die Konzerte in Schmölln sind auf Oktober verlegt. Rudolstadt ist am 3.10.
Nächste Konzerte Ansbach, Nürtingen, Liebenrode Hohenstein und Mannheim. Die Wiegleb 2007 ist einfach genial, was für wunderschöne Farben und Prinzipale! Ich berichte morgen.

Der Unterricht in Stuttgart ist super an der Orgel: Produktiv, auf den Punkt gebracht, sehr effektiv, klar und direkt und trotzdem ruhig. Es kommt mir wie „Hausputz“ oder wie „Zähne putzen“ vor: Ein guter Lehrer ist wie eine regelmäßige Reinigung. Sei es ein Fingersatz, ein Fußsatz, eine Korrektur, Legato, Erkenntnisse der Einstellung zum Instrument im Allgemeinen. Beispielsweise stretta – eine (von mir geliebte) beliebte „Vorgehensweise“ am Klavier, jedoch problematisch an der Orgel. Denn stretta kann man am Flügel gut ausgleichen und abfangen durch Dynamik und Klang, der automatisch entsteht (crescendo). Jedoch an der Orgel ist kein Ausgleich durch Dynamik da, daher verliert stretta an Klang! Dieses von mir instinktiv gewählte Ausdrucksmittel fällt an der Orgel also meist flach. Im Gegenteil: Zügel in der Hand. Tastengrund ausfüllen. Ruhig fließen.
Genauso auch Kraft und Adrenalin: An der Orgel braucht man mehr Kontrolle als Kraft. Dass ich eine Kompass-Nadel werde, die gleich aus dem Gehäuse springt, nutzt an der Orgel wenig. Im Gegenteil. Man braucht viel Erdung und Ruhe, um (positiv) Kontrolle zu haben. Weiterhin ist auch, neben starken (kontrollierenden) Fingern das weiche Strömen in oder auf der Luft wichtig, ohne Akzente, ohne ritardandi, ohne Drücken.
Die Pedale in der Stiftskirche sind schmal. Daran muss ich mich immer erst gewöhnen. Die Setzeranlage ist top. In Ansbach wiederum gibt es keine, auch keine Zahlen. Ein Registrant hat auch keinen Sinn, denn es soll hier „Horror“ sein zu registrieren, denn man sieht von der Seite die Schrift kaum, und zudem kann leicht verwechselt werden, zu welcher Schrift welcher goldene Knopf gehört, darüber oder darunter. Die einzige Möglichkeit ist es, es selbst zu tun. Die Verschmelzung mit den Registerfeldern ist hierbei wichtig. Das Fühlen, wo was ist. Das Wissen. Wie auf den Tasten. Genauso. Hier ist d und es auf den Tasten und in den Noten, hier ist die Posaune und die Pedalkoppel in den Feldern. Die Pedalkoppel muß angehoben werden. Die Mixtur auf II Ist weicher. 32 Fuß mächtig. Posaune gut gestimmt. Usw. Das muss ich alles im Kopf und im Herzen haben. Das Echo in III ist erstaunlich laut, das Bügeleisen (Schweller) wird nach rechts laut, barocke Wiegleb-Klänge in Ritter draußen lassen (wissen, wo die sind, also Sesqui, Aliquoten, Zimbel, Quinta, Quintatön, 2-Fuß, Vorsicht auch mit der Mixtur…). Wo kann man oktavieren. Usw. Es sind also vier Bereiche: Manuale (Aufteilung auch), Pedale, Noten und Registrierfelder. Die Pedale sind dick und weit. In Stuttgart schmal und eng. Jede Orgel anders. Und der fünfte Bereich Klang: Die jeweilige Größe der Orgel und die Akustik des Raumes. Die jeweiligen Einzelfarben und die „chemischen“ Reaktionen auf das Mischen.



Wiegleb Orgel Ansbach

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